Nirgends zeigt sich der Kunstmarkt in seiner Widersprüchlichkeit schöner als an der diesjährigen Art Basel. Einerseits bietet er Künstlern eine Plattform, um Unrecht und Umweltverschmutzung anzuprangern, vor Klimawandel zu warnen, Frauenverachtung offenzulegen, die Migrationskrise und Kluft zwischen Arm und Reich zu kommentieren.

Andererseits machen die Mega-Galerien damit Millionenumsätze. Bereits am ersten Abend vermeldete die Messeleitung, dass 40 Werke über einer Million Dollar verkauft wurden. Die Auktionspreise schwappen ganz offensichtlich auf die Galerien über.

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Man sieht dieses Jahr viel Holz und getrocknete Blätter, wenig Blingbling-Effekte à la Koons oder Hirst, und es ist, als wollten die Galeristen, in dem sie auf die politisch korrekten Pferde setzen, keine Zweifel darüber lassen, dass es auch ihnen ernst ist mit dem Ernst der Lage – trotz der grossen Parties und dem Champagner.

Der CO-2-Footprint der Logistik, der Galeristen und der Sammler, die aus der ganzen Welt nach Basel fliegen, wird ebenso ausgeblendet wie das normale Volk, das an den ersten drei VIP-Tagen erst gar nicht zugelassen wird.

Me-Too...

Der Kunstbetrieb ist eben auch ein grosser Brennspiegel. Klar, brauchen wir die Kunst nicht, um zu wissen, dass wir in brenzligen Zeiten leben. Doch die Kunst zeigt die Probleme sinnlicher, symbolischer, zynischer, schöner. Die Me-Too-Debatte etwa wird in einigen Werken wachgehalten etwa mit den Silberstillettos der Westschweizerin Sylvie Fleury, die eher wirken wie Waffen als wie Schuhwerk.

Ein riesiges Memorial der Amerikanerin Andrea Bower präsentiert auf mehreren Laufmetern aufgeblasene Pressedokumente auf feurigrotem Hintergrund, die 200 prominente Fälle sexueller Belästigung einflussreicher Männer Revue passieren lassen – und ist für 300'000 Dollar zu haben. Die spanische Künstlerin Alicia Framis entwarf derweil Kleider, mit der sich Frau dank Airbag-Technologie grapschende Männer vom Leib halten können. Apropos,Trump grüsst gleich im Eingangsbereich mit Coco Fusco’s «Tin Man of the 21st Century» - eine Parodie auf die grandiose Überhöhung von Staatsmännern in öffentlichen Räumen.

...und Klimadebatte bei der Art Basel

Zeitgleich wie die klimabewegten Teenager treiben auch viele Künstler ökologische Belange um – was angesichts der entfesselten Reisetätigkeit im ganzen Kunstzirkus eine leicht paradoxe Situation schafft, schliesslich müssen diese Werke auch per Luftfracht um den Globus fliegen. Sam Falls hat Kaliforniens Wäldern ohne selber zu malen eingefangen, indem er natürliche Farbpigmente über eingesammelte Blätter und Äste streute und Luftfeuchtigkeit, Wind und Regen das Werk verrichten liess – es soll ein Mememto für die unberührte Natur sein.

Vom Schweizer Julian Charrière wird eine magisch wirkende Fotografie von seiner Reise zum Bikini-Atoll feilgeboten, wo das US-Militär vor sechzig Jahren über längere Zeit Kernwaffen zündeten – und die einst paradiesischen Inseln verseuchten und unbewohnbar machten. Und gleich die ganze Menschheitsentwicklung hat sich die polnisch-deutsche Künstlerin Alicja Kwade vorgenommen; mit einer mehrteiligen Installation aus Holz, Stein und Bronze giesst sie sie in eine ästhetisch bezwingende Form. 

Hohe Kosten und teure Kunst

Es gibt natürlich auch viel hinlänglich Bekanntes und Bestseller zu sehen, die - nach allen Gesetzen des Kunstmarketings - in Szene gesetzt wurden, in sogenannten Online-Viewing-Rooms einiger Galerien sogar schon vor der Messe. Und kaum betritt man leibhaftig eine Koje, bekommt man zu hören, wer schon Werke von XY gekauft hat und wo die nächste Ausstellung von Z sein wird.

Das verstärkte Marketing, zu dem viele Galerien übergegangen sind, ist aus der Warte des Riskmanagements verständlich, schliesslich müssen die horrenden Messekojen-Kosten (bis zu 100'000 Franken) eingespielt werden. Entsprechend sind mehrere Werke von Rudolf Stingel über die Messe verteilt, der gerade werbewirksam in der Fondation Beyeler ausgestellt ist. Und vom Auktionsliebling, dem Schweizer Urs Fischer, wurde das Diptychon «Reversed Problem» zu 2 Millionen Dollar bei Gagosian verkauft. Es zeigt eine Blondine hinter einem Strick. 

Art in Buenos Aires

Sternstunden werden von Galerien aus Mittel- und Südamerika beschert – wohl kein Zufall, denn die Art Basel rollt ja mit Buenos Aires als Partnerstadt neben Hongkong und Miami auch diese Weltgegend auf. Die mexikanische Galerie Kurimanzutto zeigt einen Raum von spirituell-zeremonieller Wirkung.

Danho Vo hat ihn mit Hunderten von zwischen Rot und Pink changierenden Kerzen bestückt – ein Verweis auf eine uralte spezielle mexikanische Färbetechnik, welche die Kolonialisierung durch die Spanier überlebt hat, ein Fingerzeig auf Widerstand inmitten der Globalisierung auch. Das Werk wurde für 400'000 Dollar an ein privates Sammlermuseum verkauft.

Das Geschäft lief vor allem für die grossen Namen in den VIP-Tagen wie geschmiert. Gleich in den ersten Stunden wurde ein fotorealistisches Frühwerk, «Die Versammlung», von Gerhard Richter für 20 Millionen Dollar verkauft. Doch ein Galerist, der anonym bleiben möchte, zeigte sich am VIP-Tag dennoch frustriert: Nicht etwa, weil er nichts verkaufte. «Ein Besucher kam, schaute sich stumm um und dann fragte er mich, wie er 300'000 Dollar am besten investieren könne.» Die Blüten, die der Kunstmarkt treibt, spriessen eben zur Art Basel wieder besonders üppig.