Welche Alternativen zu Aktien stehen Investoren in diesen Zeiten von Negativzinsen zur Verfügung – und welche halten Sie für besonders attraktiv?
Die Phase ultraniedriger Renditen dürfte noch lange anhalten, ein markanter Zinsrückgang ist im aktuellen Umfeld aber nicht sehr wahrscheinlich. Bonds erachten wir daher als wenig interessant. Zudem wächst die Bereitschaft der Staaten, mit fiskalpolitischen Instrumenten gegen die wirtschaftliche Schwäche vorzugehen. Vor diesem Hintergrund halten wir Aktien weiterhin für die beste Anlageklasse. Bei Immobilien, Gold und Rohstoffen sind wir neutral positioniert.

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Kanzlerin Angela Merkel nennt die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands besorgniserregend. Wie stark treffen Deutschlands Probleme die Schweizer Volkswirtschaft?
Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Über 40 Milliarden Franken an Schweizer Waren werden jährlich beim nördlichen Nachbarn abgesetzt, dies sind knapp 20 Prozent aller Schweizer Warenexporte. Zudem haben natürlich auch die Dienstleistungen wie z.B. der Tourismus oder die Versicherungsdienste eine herausragende Stellung im bilateralen Handel.

Ein konjunktureller Schnupfen in Deutschland löst zwar keine konjunkturelle Erkältung in der Schweiz aus, aber gerade die Probleme der deutschen Autoindustrie haben gravierende Folgen für die Schweizer Zulieferer. Zwar zeigte sich die Schweizer Industrie bisher erfreulich robust, der schwache Bestellungseingang, der Rückgang bei der Kapazitätsauslastung und die vorauslaufenden Konjunkturindikatoren verheissen aber nichts Gutes. Die heimische Industrie wird eine Rezession wohl kaum zu verhindern wissen. Die Gesamtwirtschaft dürfte aufgrund der stützenden Binnensektoren und des gesunden Arbeitsmarktes jedoch nicht in eine Rezession abgleiten.

«Die Probleme der deutschen Autoindustrie haben gravierende Folgen für die Schweizer Zulieferer»

Die britische Regierung und die EU haben sich über den Austritt geeinigt - es fehlt allerdings die Zustimmung des britischen Parlaments. Was hiesse ein solcher Durchbruch beim Brexit aus wirtschaftlicher Sicht?
Sollte es nun bereits bis Ende Oktober zu einem Durchbruch kommen, würden die Finanzmärkte zweifelsohne positiv reagieren. Sowohl das britische Pfund Sterling als auch der britische Aktienmarkt würden zulegen – was bekanntlich bereits in den letzten Tagen aufgrund der ersten Einigung geschehen ist. Weniger klar sind die wirtschaftlichen Auswirkungen.

Hier hängt vieles von der konkreten Ausgestaltung des Deals ab. Wie stark werden die vier Grundfreiheiten der EU, freier Waren- Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, eingeschränkt? Kann Grossbritannien umgehend mit Drittländern Freihandelsabkommen abschliessen?

Für die Schweiz ist das Vereinigte Königreich ein wichtiger Wirtschaftspartner, war es doch 2018 der sechstwichtigste Absatzmarkt für unsere Warenexporte. Die gute Nachricht ist, dass die Schweiz mit dem am 11. Februar 2019 unterzeichneten Handelsabkommen auf die verschiedenen möglichen Brexit-Szenarien vorausschauend agiert hat (Lesen Sie dazu das Interview mit der britischen Botschafterin Jane Owen).

Dieses Abkommen mit Grossbritannien gewährleistet die Fortführung der Rechte und Pflichten im Wirtschafts- und Handelsbereich gemäss den zwischen der Schweiz und der EU bestehen-den Abkommen, und zwar sowohl für den Fall eines «No-Deals» als auch für den Fall eines geordneten Austritts aus der EU. Für die Schweizer Wirtschaft wäre eine Einigung zwar eine positive Nachricht, ein ungeordneter Austritt dürfte aber auch keine allzu grossen Verwerfungen für die heimische Wirtschaft nach sich ziehen.

Christoph_Schenk_ZKB_Börseninterview

Christoph Schenk ist Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank.

Quelle: ZVG

Die USA liebäugeln laut Medienberichten mit der Lancierung von Zöllen auf Schweizer Pharmaexporten. Was würden solche Einfuhrschranken für die Schweizer Hersteller sowie die ganze Schweizer Volkswirtschaft bedeuten?
Über ein Viertel aller schweizerischen Pharmaexporte gehen in die USA. Zölle würden sich also zweifelsohne negativ auf die Schweizer Volkswirtschaft auswirken. Allerdings gilt zu beachten, dass die Schweiz ebenfalls hohe Pharmaimporte aufweist. So wurden in den letzten Jahren Medikamente, die von Schweizer Niederlassungen im Ausland hergestellt wurden, häufig in die Schweiz importiert und anschliessend wieder in Drittländer exportiert. Nun wird dieses Vertriebsmodell teilweise umgestellt.

Die Arzneimittel werden weiterhin von der Schweizer Muttergesellschaft gekauft und an den ausländischen Abnehmer, der typischerweise zum eigenen Konzern gehört, weiterverkauft. Physisch werden die Güter aber direkt versandt, also nicht mehr über die Schweiz geleitet. So erscheinen sie nicht mehr in der Exportstatistik der Schweiz, die Pharmaexporte insgesamt dürften ab 2020 um rund 6 Prozent tiefer ausfallen.

Sollte die USA Einfuhrschranken auf Schweizer Exporte implementieren, ist damit zu rechnen, dass dieses dem traditionellen Transithandel sehr ähnlichen Vertriebsmodell noch stärker zunehmen wird. Eine Quantifizierung des Effekts ist bei unbekannter Höhe der Zolltarife indes kaum möglich

Und was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte sonst noch?
An Themen mangelt es nicht. Der Handelskonflikt zwischen den USA und dem Rest der Welt, vor allem aber China, dreht weiter seine Kreise und trübt die globalen Wirtschaftsaussichten. Mit Spannung fiebern die Investoren deshalb den laufend neuen Konjunkturdaten entgegen. In Europa sorgt der Brexit für zusätzliche Aufregung.

Auch die Gewinnberichtssaison nimmt Fahrt auf. Das heisst, die Unternehmen geben Aufschluss darüber, wie sie mit diesen Herausforderungen zurechtgekommen sind und womit sie zukünftig rechnen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die Frage lässt sich eindeutig beantworten: Es kommt darauf an. Bei den eben genannten Themen kann viel gut- oder auch viel schiefgehen. Sprunghafte Änderungen der Nachrichtenlage sind jederzeit möglich, so dass auch an der Schweizer Börse mit abrupten Bewegungen zu rechnen ist. Allerdings zeigen die Verhandlungsparteien im Handelsstreit und beim Brexit Einigungswillen und die Unternehmen verdienen nach wie vor gut, was die Aktienkurse tendenziell leicht steigen lassen sollte.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Die globale Wirtschaft dümpelt vor sich hin, ohne in eine Rezession abzugleiten. Der eine oder andere fiskalpolitische Stimulus dürfte zur Unterstützung noch beschlossen werden. Die Zentralbanken setzen ihre lockere Geldpolitik fort und versorgen die Finanzmärkte mit reichlich Liquidität. In einem derartigen Umfeld sollten die Unternehmensgewinne weiter leicht steigen. Zusätzlich gibt es eine Dividendenrendite von rund 3 Prozent einzusacken. Es spricht also vieles für einen höheren SMI in zwölf Monaten.

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