EigentlichEigentlich ist Cathie Wood Berufsoptimistin. Als Chefin des ETF-Anbieters Ark Invest ist sie mit ambitionierten Kursprognosen zu Techaktien und Kryptowährungen bekannt geworden. Besonders abenteuerlich waren ihre ständig steigenden Kursziele für den Bitcoin. Doch nun tritt selbst sie auf die Bremse. Zuletzt rechnete Woods mit einem Bitcoin-Kurs von 1,5 Millionen Dollar bis 2030. Nun geht sie «nur» noch von 1,2 Millionen Dollar aus.
Um das zu erreichen, müsste der Bitcoin immer noch jedes Jahr über 60 Prozent zulegen. Danach sieht es gerade nicht aus. Kryptoanleger brauchten in den vergangenen Wochen starke Nerven. Wenige Tage nachdem der Bitcoin im Oktober bei 126.000 Dollar ein neues Rekordhoch erreicht hatte, kam es zu einem kurzen und heftigen Crash, gefolgt von einem weiteren Ausverkauf in den Wochen danach.
In der vergangenen Woche ist der Bitcoin-Kurs erneut unter die Marke von 100'000 Dollar gefallen und hat sich nicht erholt. Mehr noch: In der Nacht zum Montag war er zwischenzeitlich unter 93'000 Dollar gerutscht. Zuletzt notierte er bei rund 95'600 Dollar.
Mal waren es neue Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump, die dem Bitcoin zusetzten. Mal seine Abhängigkeit von Techaktien, deren hohe Bewertungen Anlegern zunehmend Sorgen bereiten. «Auf eine Phase überschäumender Euphorie und starker Kurssprünge folgt die Realität des Alltags», sagt Johanna Belitz vom Krypto-Anbieter Valour. «Und die ist häufig geprägt von längeren Seitwärtsbewegungen und Verkäufen.»
Unterm Strich wurden am Kryptomarkt in wenigen Wochen knapp 800 Milliarden Dollar an Börsenwert verbrannt. Formal betrachtet ist der Bitcoin nun in den Bärenmarkt gerutscht. Davon ist die Rede, wenn der Kurs 20 Prozent unter das letzte Hoch fällt.
«Alle sind nur noch genervt»
Auch charttechnisch sieht die Lage kritisch aus. Zum ersten Mal seit 2022 lag der Kurs unter der 200-Tage-Linie. Das heisst: Der Bitcoin hat seinen langjährigen Aufwärtstrend vorerst beendet. War’s das nun mit dem Kryptoboom?
Eigentlich hatten viele Investoren mit Trumps Amtsantritt auf eine goldene Ära für Bitcoin und Co. gehofft. Der selbst ernannte «Kryptopräsident» wollte die USA zum Hotspot für den Sektor ausbauen. Und so schlecht ist es für den Bitcoin seit Januar, als Trump wieder ins Weisse Haus zog, nicht gelaufen: Immerhin hat der US-Präsident eine umfangreiche Deregulierung vorangetrieben und eine Bitcoin-Reserve eingeführt. Trotz der letzten Rücksetzer notiert der Bitcoin deshalb deutlich im Plus.
Andererseits stellt Trumps wirre Politik den Bitcoin-Kurs auch immer wieder auf die Probe. Den Frust der Anleger bekommt Markus van de Weyer in letzter Zeit immer häufiger zu spüren. Der Chef der Frankfurter Krypto-Vermögensverwaltung Alpha Beta Asset Management fasst die Stimmung gerade so zusammen: «Alle sind nur noch genervt. Der Bitcoin macht zwei Schritte vor und dann wieder einen zurück.» Auf dieses Hin und Her hätten viele Investoren keine Lust.
Genau darin lauert die Hauptgefahr für den Bitcoin. Daten des Analyseunternehmens Coinglass zeigen, dass der durchschnittliche Einstiegskurs von kurzfristig orientierten Anlegern bei 113'000 Dollar liegt. Genau diese Gruppe sei gerade die wichtigste Käuferschicht, meinen die Analysten von Coinglass. Wer frisch dabei ist, sitzt also in der Verlustzone.
Am Kryptomarkt geht die Angst um
Wenn diese Anleger ihre Positionen nun abstossen, könnte eine neue Verkaufskaskade eintreten und der Bitcoin-Kurs abermals unter Druck geraten. Coinglass hält in diesem Fall einen Absturz aufs Niveau von 88.000 Dollar für realistisch. Dann hätte der Bitcoin gegenüber seiner Bestmarke um gut 30 Prozent verloren.Am Kryptomarkt macht sich also Pessimismus breit. Das zeichnet sich auch an den Derivatemärkten ab. Dort können Anleger mit speziellen Finanzprodukten auf die künftige Wertentwicklung von Bitcoin und Co. spekulieren. Noch vor wenigen Wochen haben die meisten Anleger auf neue Höchststände gewettet. Nun greifen sie verstärkt zu Put-Optionen, setzen also auf fallende Kurse. Laut Coinglass-Daten decken sich besonders viele Investoren mit solchen Scheinen ein. Beliebter Zielpreis: 80'000 Dollar.
«Die schlechte Stimmung kann man als antizyklisches Kaufsignal interpretieren»
André Dragosch, Research-Chef Bitwise
All das veranschaulicht ein bekanntes Stimmungsbarometer: der «Fear & Greed»-Index (zu Deutsch: Angst und Gier). Er misst die Anlegerstimmung auf Basis von Marktvolumen und Volatilität und drückt dies in einer einzigen Zahl zwischen 1 (maximale Panik) und 100 (maximale Gier) aus. Zuletzt notierte der Index mit 14 Punkten klar im Modus «extreme Angst».
Doch vielleicht kommt der Abgesang auf den Kryptomarkt zu früh. André Dragosch, Research-Chef beim Krypto-Investmenthaus Bitwise, hält ausgerechnet dieses Umfeld für ein Signal, dass das Schlimmste womöglich schon überwunden ist. „Die schlechte Stimmung kann man als antizyklisches Kaufsignal interpretieren“, sagt er. Die Idee: Wenn bereits viele Anleger kapituliert haben, kann es fast nur noch besser werden. Was für diese These spricht: Die Marke von 100.000 Dollar hat der Bitcoin in den letzten Korrekturen gut verteidigt.
Der Sparplan-Trick
Auch den jüngsten Kursrückgang will Dragosch nicht überbewerten. Einen Bärenmarkt? Sieht er nicht. «Wir erleben gerade eine typische Bullenmarkt-Korrektur.» Stärkere Kursrücksetzer habe es beim Bitcoin auch in Aufschwungphasen gegeben. Heute fielen sie sogar weniger stark aus als noch vor wenigen Jahren, weil immer mehr langfristig orientierte Profiinvestoren am Markt mitmischten und diesen stützten. In früheren Zyklen habe die Konsolidierung im Schnitt rund 60 Tage gedauert. «Folgt der Bitcoin dem Muster, ist gerade Halbzeit», sagt Dragosch. Bis Jahresende hält er deshalb einen Bitcoin-Kurs von 150'000 bis 200'000 Dollar für möglich – mal eben so eine Verdoppelung.
Für so eine Jahresendrally auf Speed braucht es noch einen kräftigen Impuls von außen. Den sieht Dragosch vor allem dann, «wenn die US-Notenbank Fed wieder dazu übergeht, aktiv Staatsanleihen zu kaufen und noch mehr Liquidität in den Markt zu geben.» Nicht zuletzt wegen seiner Knappheit könnte der Bitcoin davon profitieren.
Denn: Während die Notenbanken quasi unbegrenzt Geld auf den Markt werfen können, ist das Bitcoin-Angebot auf 21 Millionen limitiert. Bei gleicher oder steigender Nachfrage würde der Kurs steigen. Ausgemacht ist das aber noch lange nicht: Die Fed hat zwar damit begonnen, ihre Geldpolitik zu lockern. Eine weitere Zinssenkung im Dezember oder gar neue Anleihekäufe sind jedoch nicht sicher.
Die Sache beim Bitcoin ist gerade also kompliziert. Wer an eine langfristige Wertsteigerung bei der Kryptowährung glaubt, aber Risiken minimieren will, kann über einen Sparplan regelmäßig anlegen. So kaufen Anleger mal zu hohen, mal zu niedrigen Kursen. Das hat sich in der Rückschau gelohnt: Wer im November 2021 zum damaligen Rekordhoch einen monatlichen Sparplan aufgelegt hat, hat den darauffolgenden Crash voll mitbekommen. Trotzdem steht seitdem unter dem Strich eine Rendite von gut 140 Prozent – beinahe doppelt so viel, wie eine Einmalanlage gebracht hätte.
Dieser Test ist zuerst hier in der deutschen WirtschaftsWoche erschienen.
