Bitcoin: Horrorszenario Total-Crash

Auch wenn der Bitcoin in der zweiten Augusthälfte wieder über die Marke von 50'000 Dollar gestiegen ist, weil sich im Netz das Narrativ formiert, wonach die Digitalwährung in Afghanistan eine wichtige Rolle als Zahlungsmittel spielen könnte – es gibt auch gegenteilige Nachrichten: Anfang August hatte das US-Finanzministerium angekündigt, dass man den Bitcoin und weitere Kryptowährungen zukünftig genauer anschauen wird. Der Bitcoin wird zwar in den USA als Rohstoff-ähnliches Asset eingeordnet (wie auch der Ether, die zweitwichtigste digitale Währung), womit die Zuständigkeit gar nicht beim Finanzministerium liegt. Aber sobald Banken ETF und weitere Anlageprodukte auf den Bitcoin herausgeben, ist dann doch wieder das Finanzministerium zuständig. Bei der US-Zentralbank Fed zieht man dagegen eine Regulierung wie bei einem grossen Geldmarktfonds oder einer Bank vor. Zumal gemäss Analystenberichten immer mehr institutionelle Investoren Bitcoin und Co. als Diversifizierungsinstrument für ihre Portfolios nutzen. Vielfache Ansteckungswege Weil niemand genau erklären kann, warum der Bitcoin eigentlich seinen Wert hat, besteht auch die Gefahr eines grossen Schocks, wenn beispielsweise das dahinterstehende Netzwerk von Hackern gekapert, stillgelegt oder grosse Exchanges geplündert würden. Hinzu kommt das latente Risiko der Zentralbanken, den Handel und Besitz über Nacht zu verbieten, weil es beispielsweise zu Störungen im System der konventionellen Währungen kommt. Nur schon der Anschein, dass sich der Bitcoin in einem wichtigen Land als Parallelwährung etablieren könnte, wäre ein «Showstopper». Es gibt auch Szenarien, wonach bereits eine kräftige Zinserhöhung der Auslöser einer umfassenden Ausverkaufwelle sein könnte. Die ganze Bitcoin-Wirtschaft würde es gemäss einem Bericht des «Economist» auf unterschiedliche Weise, aber überall hart treffen, wenn die Digitalwährung praktisch über Nacht wertlos wird: Die Miner, die sich bisher um die Verarbeitung und die Neuproduktion des Bitcoin kümmern, würden ihren Betrieb umgehend einstellen und pleitegehen. Auch die Mittel, welche die Exchanges weltweit halten, wären im Nu verdampft. Und viele Kleinanlegerinnen und Kleinanleger würden mit wertlosen Wallets dastehen. Zu diesen direkten Schäden kommen indirekte Schäden, weil sich in den vergangenen Jahren einige Verbindungen zwischen den digitalen Assets und dem konventionellen Finanzsystem etabliert haben, über die sich die Auswirkungen eines Nonvaleur-Bitcoin weiter fortpflanzen könnten. Wenn sich Bitcoin-ETF in Luft auflösen, betrifft das zunehmend auch «normale» Anleger, die in Dollar, Euro und Franken rechnen. Je nachdem, wie stark ihre Portfolios geleveraged sind, müssten ganz normale Aktien und Obligationen verkauft werden, um Sicherheiten für Kredite zu organisieren. Auch die digitalen Assets werden zunehmend mit anderen digitalen Währungen belehnt – solche «ewigen» Swaps, die an einigen Exchanges gehandelt werden, sind gänzlich unreguliert. Niemand weiss, wer dann an welchen Stellen auf der Erde Verluste melden würde. Raus aus riskanten Assets Auch an einigen grossen Finanzdienstleistern wie Visa und Paypal würde eine Bitcoin-Pleite nicht spurlos vorbeigehen. Die Bewertungen dieser Unternehmen basiert teilweise auch auf der Fantasie, welche die Zahlungsmöglichkeiten mit dem Bitcoin geweckt haben. Und wenn der Bitcoin kollabiert, dürfte die Lust von Investoren und Investorinnen auf weitere exotische Anlageformen wie Private Equity, Hedgefonds, Spac, Meme-Aktien und Stablecoins gründlich verdorben werden. Lawinen an Finanzmärkten gehen erfahrungsgemäss von geleverageden Assetklassen wie diesen aus, sie infizieren dann weitere wie die risikoreicheren Segmente an den Aktienmärkten und branden an den hoch liquiden Währungen aus. Der Dollar könnte an Wert gewinnen, einfach weil die aus den riskanten Anlagen flüchtenden Investoren ganz konventionelles elektronisches Bargeld benötigen. Dank dem Lehman-Moment sind die Zentralbanken der Welt darauf vorbereitet, in solchen Momenten mit ausreichender Bargeldversorgung das Schlimmste abzuwenden. Bemerkenswerterweise würde ein Bitcoin-Crash dem konventionellen Bankensystem auf den ersten Blick wenig anhaben: Die Regulierungsbehörden verlangen eine Unterlegung von Bitcoin-Beständen mit 1250 Prozent (Basis: 8 Prozent-Standard-Eigenmittel). Diese Eins-zu-eins-Unterlegungspflicht macht den Bitcoin als Asset auf den Bilanzen der Banken extrem unattraktiv, weil sehr teuer. Indirekt wären aber auch die Banken betroffen: Ein Teil ihrer Investoren hat nach einem Crash ein geschrumpftes Vermögen. Kunden und Kundinnen machen um das Trading vorläufig einen Bogen und ziehen das Netflix-Schauen daheim vor. Filme wie «Margin Call» oder «The Big Short» bieten Anschauungsmaterial für solche Situationen. Auch wenn diesmal alles anders wäre.