Gold ist als Anlage beliebter als Aktien

In der Schweiz stehen Edelmetalle im Ranking der beliebtesten Anlagemöglichkeiten an erster Stelle. Das zeigt eine repräsentative Studie, welche das Institut für Marketing und Customer Insight der Universität St. Gallen im Auftrag des Goldhändlers Philoro im Mai und Juni 2022 durchgeführt hat. Es ist das erste Mal, dass Edelmetalle in der Beliebtheit vor Immobilien und vor Aktien rangieren. Zwei Drittel der Befragten erachten Edelmetalle als sinnvolle Investition, falls sie einen grösseren Geldbetrag zur Verfügung hätten. Investitionen in Aktien zieht lediglich ein Drittel der Befragten in Betracht, Kryptowährungen weniger als ein Fünftel (18 Prozent). Abgeschlagen auf dem letzten Platz landen Derivate mit 4 Prozent. Christian Brenner, CEO von Philoro Schweiz, sieht seine Erfahrungen bestätigt: «Die Schweiz ist die führende Nation im Handel mit physischem Gold. Der Exportumsatz von Gold liegt vor Käse, Schokolade, Uhren und Pharmaprodukten.» Gold ist beliebtestes Edelmetall Die grösste Affinität gegenüber Edelmetallen haben Männer in der Deutschschweiz im Alter von 30 bis 39 Jahren. Im Durchschnitt besitzt jede goldanlegende Person in der Schweiz 94,7 Gramm physisches Gold. Die Befragten schätzen den Wert ihres Goldes auf 4322 Schweizer Franken. Das sind rund 20 Prozent weniger, als es dem tatsächlichen Wert des Goldes entspricht. Goldschmuck wurde dabei nicht berücksichtigt.Mehr zum Thema Goldpreis fällt auf tiefsten Stand seit fast einem Jahr These: Warren Buffett hat gar kein Goldhändchen Wie Luxus-Konzerne Blut an Diamanten und Smaragden vermeiden wollen Werden Edelmetalle untereinander verglichen, dann erhält Gold den mit Abstand grössten Zuspruch (49 Prozent). Silber (12,5 Prozent), Platin (10,6 Prozent) und Palladium (7,2 Prozent) haben laut Studie nur eine untergeordnete Bedeutung. In allen Sprachregionen wurde die Stabilität von Gold vor der Sicherheit (Krisenvorsorge) als Hauptargument für den Goldkauf genannt. Studienautor Sven Reinecke von der Universität St. Gallen erklärt: «Die veränderte geopolitische Lage dürfte sich direkt auf die Umfrageergebnisse ausgewirkt haben. Gold hat eine lange Tradition als stabiles Wertaufbewahrungsmittel. In Zeiten erhöhter Unsicherheit nimmt die Nachfrage entsprechend zu.» Ein problematisches Argument für Gold Als drittwichtigstes Argument nannten die Befragten «Inflationsschutz». Allerdings ist dieses Argument nicht ganz unproblematisch. Das hat mit dem Goldpreis zu tun. Dieser schwankt so stark, dass er das Edelmetall als Instrument für den Inflationsschutz disqualifiziert. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie der beiden Ökonomen Claude Erb und Campbell Harvey. Zwar bleibe der Wert von Gold über sehr lange Zeiträume, Jahrhunderte oder Jahrtausende, stabil. Aber über kürzere Zeiträume sei der Preis des Edelmetalls zu volatil; selbst zwanzig Jahre seien zu kurz, als dass Gold seine Qualitäten als Inflationsschutz ausspielen könne. Buffetts Goldwürfel-Vergleich Warren Buffett, das «Orakel von Omaha», hat für Goldanlegerinnen und Goldanleger nicht viel übrig. Berühmt wurde ein Vergleich, den Buffett in einem seiner legendären Aktionärsbriefe machte: Im Mai 2011 rechnete er vor, dass alles Gold der Welt zusammengeschmolzen einen Würfel von etwa zwanzig Meter Kantenbreite ergäbe. Für den Gegenwert dieses Würfels – so Buffetts damalige Kalkulation – bekäme man 16 Konzerne von der Grösse von Exxon Mobil, obendrein das gesamte Farmland der USA. Und man hätte am Ende immer noch 1000 Milliarden Dollar Cash auf der Seite. Diese 16 Exxons, das Agrarland und auch das Bargeld würden dann Jahr für Jahr Milliardenerträge abwerfen. Der Goldwürfel hingegen wäre auch Jahrzehnte später noch ein Goldwürfel im Format zwanzig mal zwanzig Meter. Mehr hier. Ein Beispiel veranschaulicht das Argument. Ende der siebziger Jahre war die Inflation in den USA hoch und die Marktteilnehmer waren der Ansicht, dass dies noch eine Weile so bleiben würde. Wer aber um 1980 Gold gekauft hatte, musste dreissig Jahre warten, bis dessen Realpreis wieder das damalige Niveau erreichte. Und in den ersten fünf Jahren sah er den Realwert seines Goldinvestments um 67 Prozent einbrechen. Gold ist also nicht immer so stabil, wie es sich viele Anlegerinnen und Anleger vorstellen. Gold als sicherer Hafen Allerdings lag das schlechte Abschneiden von Gold in den achtziger Jahren am Umstand, dass die Marktteilnehmer fälschlicherweise von einer andauernd hohen Inflation ausgingen. Heute dürfte die Konstellation eine andere sein. Es gibt Anzeichen dafür, dass viele Marktakteure die zukünftige Inflation eher unter- als überschätzen. Das würde ein Risiko wie vor vierzig Jahren verringern. Ausserdem ist Gold nicht nur als Inflationsschutz ein sinnvolles Investment. Bei Börsenrückschlägen funktioniert Gold als sicherer Hafen. Kommt es zu schweren Marktturbulenzen, verleiht es einem Portfolio Stabilität. Das ist insbesondere der Fall, wenn die geopolitischen Unsicherheiten zunehmen. Das lässt sich empirisch belegen. So haben Nick Bloom, Scott Baker und Steven Davis spezielle Indizes zusammengestellt, um politische Unsicherheit quantifizieren. Und es zeigt sich, dass ihr Mass für die globale politische Unsicherheit stark mit dem Goldpreis korreliert. Einfach ausgedrückt: Steigt die politische Unsicherheit, steigt der Goldpreis. Angesichts der aktuellen Börsensituation sowie den Aussichten auf eine hohe, länger andauernde Inflation, gepaart mit erheblichen geopolitischen Risiken, ist es daher verständlich, wenn Anlegende im Moment Gold den Vorzug vor Aktien geben.