Mit Bitcoin und Co. gewaltige Gewinne erzielt: Darum lasse ich trotzdem die Finger von Kryptowährungen

Einige Monate nach dem Corona-Crash entdeckte ich eine Möglichkeit, mit Bitcoins so gut wie risikolos gigantische Renditen zu erzielen. Und damit meine ich annualisierte Renditen von 20, 30 oder sogar 40 Prozent. Aber wenn ich jemandem von einer praktisch risikolosen Gewinnmöglichkeit mit Bitcoins erzählte, war die positivste Reaktion ein mitleidiges Lächeln, ausgelöst durch meine vermeintliche Inkompetenz. Nur: Diese Riesenrenditen existierten tatsächlich. Und ich hatte ein real existierendes Superinvestment gefunden. Die Vorgeschichte: Tipp aus dem Reddit-Forum Das Versprechen risikoarmer Gewinne von 20 Prozent oder mehr ist kaum je mehr als blosse Bauernfängerei. Dementsprechend verhalten reagierte ich, als ein User in einem Reddit-Forum auf eine Besonderheit bei Bitcoin-Futures hinwies, mit der sich bei minimalen Risiken viel Geld machen liesse. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich kaum mit Bitcoin-Futures beschäftigt. Trotzdem dauerte die Recherche weniger als eine Minute. Und der Reddit-User hatte recht: Vor den Augen der Investorengemeinde existierte eine gigantische und dazu praktisch risikolose Gewinnmöglichkeit. Die Grundlage dafür war eine ausserordentlich grosse Differenz zwischen dem Bitcoin-Preis und dem Preis von Bitcoin-Futures. Diese Differenz bedeutete, dass Kryptoanlegende bereit waren, für einen Bitcoin, der erst in ein paar Monaten geliefert würde, viel mehr zu bezahlen als für einen Bitcoin, den sie sofort erhielten. Denn sie rechneten mit stark steigenden Preisen. Dieser Umstand liess sich in Renditen ummünzen. Der Supertrade ist ein einfaches Arbitrage-Geschäft Im Prinzip handelte es sich bei meinem Investment um ein einfaches Arbitrage-Geschäft. Börsianerinnen und Börsianer sprechen von Arbitrage, wenn Preisunterschiede auf verschiedenen Märkten ausgenutzt werden, um Gewinne zu erzielen. Angenommen, ein Handy kostet in Bern 1000 Franken. In Zürich wird dieses Handy jedoch um 400 Franken teurer verkauft. Dann lohnt es sich, in Bern eine grosse Menge Handys für 1000 Franken zu kaufen und sie nach Zürich zu transportieren, weil sie sich dort für 1400 Franken verkaufen lassen. Bei meinem Bitcoin-Geschäft waren die unterschiedlichen Märkte nicht Bern und Zürich, sondern Bitcoins und Bitcoin-Futures. Ich kaufte über eine Kryptobörse Bitcoins (sie entsprechen den Berner Handys) und verkaufte gleichzeitig Bitcoin-Futures (sie entsprechen dem Verkauf der Handys in Zürich). Weil das gleichzeitig passierte, bestand kein Preisrisiko. Egal, in welche Richtung sich der Bitcoin-Kurs danach bewegte, ich erzielte Gewinne bei minimalen Risiken. Dies im Gegensatz zum Handy-Beispiel. Denn dort wäre ja möglich, dass die Zürcher Handypreise während des Transports einbrechen und dann doch kein Verkauf für 1400 Franken möglich ist. Mein Arbitrage-Geschäft dagegen schloss dieses Risiko aus (siehe Box). Als weiterer Vorteil kam hinzu, dass der Trade nicht auf Bitcoin beschränkt war, sondern auch mit anderen virtuellen Währungen wie Ether oder Dogecoin funktionierte. Ich konnte also dort einsteigen, wo für diesen Trade die besten Renditen existierten. Diese Art eines Supertrades ist selten, aber nicht unmöglich Während der stärksten Boomphasen Ende 2021 herrschte eine solche Diskrepanz zwischen Bitcoins und Bitcoin-Futures, dass ich annualisierte Renditen von weit mehr als 20 Prozent erzielte, manchmal von bis zu 40 Prozent. Wenn ich meinen Supertrade aber in einem Gespräch erwähnte, glaubte mir niemand. Diese Art Rendite bei minimalen Risiken sei unmöglich, hiess es dann. Es ist allerdings ein Unterschied, ob ein Phänomen grundsätzlich unmöglich ist oder ob es nur selten vorkommt. Zweifellos sind Renditen von bis zu 40 Prozent, noch dazu risikoarme Renditen, überaus selten. Aber sie sind eben nicht unmöglich. Dabei gab es eine plausible Begründung für meine Superrenditen: Kein Finanzmarkt ist völlig effizient. Und die Märkte für virtuelle Währungen sind sogar ausserordentlich ineffizient, verzerrte Preise nicht ungewöhnlich. So entdeckte ich, dass viele Marktteilnehmende entweder aus ideologischen Gründen in Kryptowährungen investieren oder weil sie die dahinterstehende Technologie interessant finden. Diese Teilnehmenden werden häufig nicht oder nur in eingeschränktem Masse von Gewinnmotiven geleitet, was Marktineffizienzen begünstigt. Darüber hinaus war bis vor kurzem eine erhebliche Zahl von Bitcoin-Enthusiasten überzeugt von einem Anstieg des Bitcoin-Preises in astronomische Höhen. Und sobald der Bitcoin-Preis zulegte, verbreitete sich diese Überzeugung noch. Ich bemerkte ausserdem, dass mit steigenden Preisen auch der Kreis derjenigen zunahm, welche mit Futures auf Kurssteigerungen wetteten, was die Futures-Preise in diesen Phasen weit von den Bitcoin-Preisen wegtrieb. Gut für meine Renditen. Es gab ausserdem einen weiteren entscheidenden Faktor, der nicht nur dabei half, die von mir genutzte Gewinnmöglichkeit zu schaffen, sondern auch dafür sorgte, dass sie bestehen blieb. Fast risikolos, aber nicht ganz Normalerweise würden im Fall lukrativer Arbitrage-Möglichkeiten institutionelle Investoren auf den Plan gerufen, welche diese Differenz für Profite nutzen und sie dadurch zum Verschwinden bringen. Aber das ist nicht geschehen. Das Abseitsstehen institutioneller Investoren hat in meinen Augen einen zentralen Grund: Die Investmentkomitees der etablierten Marktteilnehmenden haben entweder Vorbehalte gegen Kryptoengagements, beispielsweise wegen ungenügender Markttransparenz, oder sie sind noch in der Abklärungsphase. Und solange die entsprechenden Komitees keine Freigabe erteilen, werden professionelle Grossinvestoren nicht in grösserem Stil auf den Kryptomärkten aktiv (wobei sich das allerdings zunehmend ändert). Dazu kommen andere Faktoren, welche ein Engagement institutioneller Anleger behindern. So schränken viele Kryptobörsen die Möglichkeit ein, rasch hohe Geldbeträge abzuziehen. Diese Rückzugseinschränkungen gelten nur für Beträge, die das von mir eingesetzte Kapital weit übersteigen. Für die meisten Hedgefonds und ähnliche Akteure stellen Rückzugslimiten jedoch ein Problem dar, das sie von diesen Börsen fernhält. Das Ende des Supertrades Seit dem Beginn des Jahres hat meine Bitcoin-Arbitrage viel an Strahlkraft eingebüsst. Der Grund ist offensichtlich: Der Bitcoin-Kurs beträgt noch 30 Prozent des Allzeithochs. Und bei vielen Kryptoinvestoren macht sich Verzweiflung breit. Dazu zeigen sich nicht nur an den Rändern der Kryptomärkte, sondern zunehmend auch bei entscheidenden Akteuren Auflösungserscheinungen, die für die Zukunft nichts Gutes erwarten lassen. So sind massive Kursstürze bei Kryptowährungen nicht ungewöhnlich. Im letzten Sommer verlor der Bitcoin 50 Prozent an Wert, bevor er sich zu neuen Höchstständen aufschwang. Trotz diesem Einbruch konnte ich mit meinem Trade aber selbst dann noch annualisierte Renditen von etwa 10 Prozent erzielen. Der Enthusiasmus der Bitcoin-Fans, ihr Vertrauen in zukünftig massiv steigende Kurse, blieb intakt. Das ist jetzt anders. Der Trade funktioniert zwar noch, erzielt aber Renditen von weniger als 2 Prozent. Und es kommt noch schlimmer. Die jetzigen Renditen meines Trades zeigen an, dass die Kryptofans als Gruppe mit weiter sinkenden Kursen rechnen und nicht mit steigenden. Dementsprechend hat der Optimismus unterdessen Durchhalteparolen Platz gemacht. Bei Twitter kann man Bitcoin-Tweets lesen, welche an die Beschwörungen einer Sekte erinnern. So lautet ein Argument mancher Kryptoproponenten, dass der Kurseinbruch einen Vorteil darstelle, weil nun alle Investorinnen und Investoren abgesprungen seien, die nicht voll hinter den Grundideen der Kryptos stünden. Die Gemeinschaft der Kryptofans sei nun quasi um die «Ungläubigen» bereinigt. Das alles klingt nicht nach einer Chance für ein gesundes Investment. Aber es hätte mich nicht veranlasst, den Kryptos vollends den Rücken zu kehren. Dies liegt an einigen weiteren Faktoren, welche in meinen Augen sehr negative Erwartungen punkto Kryptos rechtfertigen. Auflösungserscheinungen bei wichtigen Kryptoakteuren In der Kryptogemeinde wird gerne darauf verwiesen, dass sich etwa der Bitcoin-Kurs auch von noch so grossen Einbrüchen immer relativ rasch erholt hat. Das werde auch dieses Mal so sein. Aber ich habe da Zweifel. Denn die Kurserholungen der Kryptos fanden bisher immer in einem galoppierenden Bullenmarkt statt, ausgelöst und begleitet von Hilfsmassnahmen der Zentralbanken. In der Boomphase fungierten die Kryptos quasi als Überdruckventil für die enorme Überschussliquidität, welche den Märkten aufgrund der Zentralbankmassnahmen zugeführt wurde. Aber nun hat sich die Situation dramatisch geändert. Der Bullenmarkt ist einem Bärenmarkt gewichen, die Hilfen der Zentralbanken werden zurückgefahren. Und der aktuelle Rückschlag an den Börsen hat bereits viel Vermögen vernichtet, ein Überdruckventil ist nun überflüssig. Im Gegenteil, die Marktakteure verkaufen riskante Anlagen wie Kryptos und ziehen sich in sicherere Assetklassen zurück. Dieser Trend dürfte sich noch akzentuieren, wenn die Aktienkurse weiter sinken. Und bereits jetzt zeigen sich deutliche Auflösungserscheinungen bei wichtigen Kryptoakteuren. Lehren aus der Dotcom-Blase Das erinnert mich an das Ende der Dotcom-Blase. Um die Jahrtausendwende drehte sich der Hype um Internetunternehmen. Als die Börsenkurse zu sinken begannen, zeigten sich jedoch schnell die typischen Begleiterscheinungen, welche mit dem Platzen einer Blase verbunden sind, insbesondere einige spektakuläre Konkurse. So hatten manche Unternehmen schlicht betrogen (Enron, World.com), andere hatte einfach kein solides Geschäftsmodell (Pets.com). Daher schrillen bei mir die Alarmglocken, wenn ich nach einem gewaltigen Hype Meldungen von spektakulären Pleiten lese. Vor nicht einmal zwei Monaten brach beispielsweise die virtuelle Währung Terra zusammen, ein Stablecoin (eine Währung, die Schutz vor Kursschwankungen bieten sollte und an den Dollar gebunden war). Mittlerweile untersucht die US-Börsenaufsicht die Vorgänge um Terra. Denn es wurden Vorwürfe laut, der Zusammenbruch sei vom Terra-Management ausgelöst worden, weil es sein eigenes Geld retten wollte. Zudem sei bei Terra Kursmanipulation im Spiel gewesen. Hellhörig machen sollten in diesem Zusammenhang Gerüchte um den grössten Stablecoin Tether. Bei Wikipedia etwa heisst es: «Wegen des Fehlens einer unabhängigen Wirtschaftsprüfung von Tether wird die Behauptung des Unternehmens über die angeblich vorhandene 1:1-Deckung regelmässig in Zweifel gezogen.» Tether scheint alles andere als sicher, zumal es weitere Warnzeichen bezüglich dieser Währung gibt. Und im Gegensatz zu Terra ist Tether gross genug, dass ein Zusammenbruch zu negativen Dominoeffekten führen könnte. Denn nach Marktkapitalisierung ist Tether die Nummer drei hinter Bitcoin und Ether. Dabei muss für den Zusammenbruch eines Marktes nicht einmal Betrug im Spiel sein. Es genügt, wenn sich bei zu vielen Akteuren Enthusiasmus mit Risikoblindheit gepaart hat oder ein paar ungünstige strukturelle Faktoren zusammenkommen. Und darauf deutet bei den Kryptomärkten vieles hin. So hat der Kryptobroker Voyager Digital vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass der gesamte Kundenhandel, alle Einzahlungen und alle Auszahlungen vorübergehend ausgesetzt werden. Die Kunden und Kundinnen kommen nicht mehr an ihr Geld. Im Fall von Voyager Digital hat das keine Negativkaskade ausgelöst, aber je tiefer die Kryptokurse fallen, desto grösser wird die Gefahr, dass solche Ereignisse häufiger werden und es durch Kaskadeneffekte oder schlicht durch eine Kombination ungünstiger Faktoren zu dramatischen Entwicklungen kommt. Daher gehe ich davon aus, dass die Bitcoin-Anlegenden zuerst einen Kurs von 3000 Dollar sehen werden (oder zumindest einen Kurs unter 10’000 Dollar), bevor die Währung wieder bei 30’000 Dollar notiert. Wenn der Bitcoin allerdings tatsächlich bei 3000 Dollar notierte und sich erholt hat, dann werde ich bei Kryptos wieder einsteigen, mit Dollarzeichen in den Augen. Aber nicht vorher.

Mit Bitcoin und Co. gewaltige Gewinne erzielt: Darum lasse ich trotzdem die Finger von Kryptowährungen

Warum ich jetzt die Finger von Kryptos lasse, obwohl ich damit gewaltige Gewinne erzielt habe