Schutz gegen Inflation: So investieren Milliardäre jetzt

An den Börsen geht es nur noch bergab. Haben Ihre Kunden mittlerweile Panik? Josef Stadler: Wenn wir von den grössten und vermögendsten Kunden sprechen, sehe ich keine Spur von Panik. Was macht die Reichen so gelassen? Viele hochvermögende Kundinnen und Kunden können auf eigene Berater oder ein eigenes Family Office zugreifen. Sie orientieren sich an Richtlinien, die auch dann umgesetzt werden, wenn die Märkte etwas schwieriger werden. Solche Kunden sind meist gelassener als jene, die alles selber machen. Was waren die ersten Reaktionen auf die Kursstürze? Einige unserer Kunden haben kurzfristig Aktien zugekauft. Wir beobachteten dies bereits während der Covid-19-Krise im März 2020, als die Märkte kollabierten und sich danach wieder erholten. Unsere Kunden kauften Aktien zu, die im Herbst reduziert wurden, als andere Teilnehmer auf den Markt kamen. Das ist heute nicht anders. Der einzige Unterschied von damals zu heute ist, dass unsere Kunden glauben, dass die Phase der tiefen Zinsen, der tiefen Inflation und des hohen Wachstums der Vergangenheit angehören wird. Auch einem Milliardär tut Inflation weh, wenn sein Vermögen weniger wird. Wie reagiert er darauf? Man erkennt bei unserer Kundschaft einen Strategiewechsel, weg von Wachstum, insbesondere den Technologieaktien, hin zu starkem Cashflow und starken Marken. Das heisst nicht, dass unsere Kunden alle Technologie-Titel verkauft haben, sie sind einfach vorsichtiger geworden und kaufen nicht mehr zu. Der Trend geht hin zu traditionellen Industrien, zu hoch kapitalisierten, soliden Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen. Firmen mit starken Marken und der Fähigkeit, ihre hohen Margen behalten zu können, sind jetzt im Fokus. Sind jetzt Immobilien als Inflationsschutz gesucht? Immobilien waren schon immer ein guter Inflationsschutz. In den Industriestaaten sind Immobilien nach wie vor eine gute Anlage, die man kaufen oder weiter halten kann. Allerdings nur unter der Voraussetzung konservativer Finanzierungsmodelle, um stark steigende Zinsen abzufedern. Was ist noch gefragt? Unsere Kundinnen und Kunden fokussieren sich heute immer mehr auf Private Equity. 2019 lagen die gesamten Direktinvestitionen und jene in Funds of Funds bei etwa 15 Prozent. Heute liegen sie bei etwa 20 Prozent. Der Trend geht weiter weg von liquiden öffentlichen Märkten hin zu illiquiden privaten Märkten, gerade im Bereich der grossen Vermögen. Werden Bonds jetzt wieder interessant? Es gibt einige wenige Kunden, die bereits zukaufen. Bonds waren die vergangenen drei bis fünf Jahre überhaupt nicht attraktiv. Nun gibt es eine potenzielle, aber noch nicht gefestigte Trendwende. Aufgrund der steigenden Zinsen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem sich gewisse Kunden für amerikanische Bonds mit kurzen Laufzeiten von maximal zwei Jahren interessieren. Weshalb kurzfristige Bonds? Zum einen ist das Ausfallrisiko klein, wodurch man Kapitalverluste vermeiden kann. Gleichzeitig kann man ein wenig Einkommen generieren, ohne sich zu lange zu binden. Wie hoch müssten die Zinsen gehen, damit es einen Wechsel von Aktien in Bonds gibt? Ab 3,5 bis 4 Prozent. Sollten die Zinsen dieses Limit erreichen, werden die Aktienmärkte weiter nach unten korrigieren und es lohnt sich wieder, in Bonds zu investieren. Interessieren sich Ihre Kundinnen und Kunden für nachhaltige Produkte? Die Nachfrage der Kunden für ESG-Produkte ist stark steigend. Doch sie gehen mit einer gewissen Vorsicht vor. Jeder Anbieter möchte heute bei diesem Trend dabei sein, jeder offeriert ein Produkt, jeder behauptet, nachhaltig zu sein. Seitdem kürzlich der Gesetzgeber eingegriffen hat, beobachten wir, dass die Kunden sensibler geworden sind. Sie kaufen nicht mehr einfach, was die Bank anbietet, sondern machen selbst Analysen oder haben ihre eigenen Ansätze. Wie gesucht sind Sachwerte wie Autos, Uhren oder Kunst? Bei Engagements in Autos oder Uhren haben wir keine massiven Veränderungen gesehen. Was für unsere Kundschaft nach wie vor attraktiv ist, sind die Kunstmärkte. Viele Leute hatten einen gewissen Anlagenotstand, was Kunst anging. Dieser wurde in den vergangenen Monaten zwar neutralisiert. Dennoch hat die Nachfrage nach Kunstgegenständen nicht gelitten, ganz im Gegenteil. Sind die Turbulenzen an den Märkten bald ausgestanden oder geht es noch viel tiefer? Das hängt von der Entwicklung der Zinsen ab. Je höher die Zinsen steigen, desto mehr Abwärtspotenzial gibt es für die Aktienmärkte. Wir haben unsere Prognosen zwar nach unten korrigiert, aber sind etwas weniger pessimistisch als andere. Ich denke nicht, dass wir einen Zusammenbruch der Märkte erleben werden. Die inflationären Tendenzen sind in erster Linie durch geopolitische Gegebenheiten getrieben. Sollten sich diese entspannen, wäre die Situation eine ganz andere. Es würde mich nicht verwundern, wenn es bis Ende des Jahres eine Erholung an den Märkten geben und wir den S&P 500 bei 3900 sehen würden. Welche Eigenschaften braucht man, um Ihren Job machen zu können? Das Geschäft mit vermögenden Kundinnen und Kunden ist sehr attraktiv. Es ist intellektuell sehr anspruchsvoll und global. Man muss die Menschen nicht nur in Vermögensangelegenheiten verstehen, sondern auch deren Geschäftsaktivitäten und Familiensituation. Diese drei Ebenen muss man managen können. Das heisst, Sie können bei jedem Thema mitreden, egal welchem? Ich versuche, nicht bei Themen mitzureden, die ich zu wenig verstehe. Sie sind aber 24-Stunden erreichbar? Ja, das bin ich, auch am Wochenende. Ob das sein muss oder nicht, weiss ich nicht. Ich bin es auf jeden Fall. Nicht alle Kunden haben zum gleichen Zeitpunkt wie ich Wochenende. Aus welcher Region kommen die meisten Ihrer Kunden? Es gibt seit etwa zehn Jahren den Trend, dass Asien in Sachen Reichtum aufholt. Dieser Trend hat sich auch mit der Abkühlung in China und dem Rest Asiens nicht verändert. Der Vermögensaufbau hat sich zwar verlangsamt, aber er wird sich im globalen Kontext nicht verändern. Asien legt zu, auf Kosten der übrigen Welt. Wie investieren Sie privat? Genau so, wie ich das meinen Kundinnen und Kunden empfehle. Ich halte einen verhältnismässig hohen Aktienanteil und bin eher in grossen Titeln engagiert. Zudem bin ich ein grosser Fan von SMI-Aktien. Die Schweiz hat es geschafft, Weltklasse-Firmen hervorzubringen, die exakt jene Kriterien erfüllen, die aktuell gefragt sind. Schweizer Unternehmen haben Marktmacht, sie können ihre Margen behalten, sie können Teuerungen weitergeben. Der SMI ist einer der besten Gradmesser, wie man investiert sein soll. Ich bin auch in Immobilien investiert. Aber eher auf der konservativen Seite. Das ist Josef (Joe) Stadler Josef Stadler (59) leitete von 2009 bis vor kurzem die prestigereiche, weltweite Family-Office-Abteilung der UBS. Nach einem Umbau der Abteilung hat er seit April keine Leitungsfunktion mehr. Als Executive Vice Chairman betreut er heute eine Auswahl der wichtigsten Privatkunden, damit sind Milliardäre und Family Offices gemeint. Er studierte an der Universität St. Gallen und an der Harvard Business School. Er arbeitete für UBS, Morgan Stanley, JP Morgan Chase und stiess 2009 zurück zur UBS, als diese in einer Krise war. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.