Schwellenländer-Aktien: Eine einfache Strategie für hohe Gewinne

Die Suche nach hohen Gewinnen ist einer der Hauptgründe für Investments in Schwellenländer, auch Emerging Markets (EM) genannt. Das höhere Risiko von Investments in Länder des globalen Südens müsse, so glauben viele Anleger, mit höheren Renditen abgegolten werden. Aber in der Vergangenheit war das keinesfalls die Regel. Auch nicht, wenn längere Zeiträume betrachtet werden. Die ernüchternde Erkenntnis daraus ist: Für langfristig orientierte Passivinvestoren bringen Schwellenlandanlagen meist wenig. Wer in den letzten 10 Jahren etwa mit einem der grössten und bekanntesten Emerging-Markets-ETF, dem iShares Core MSCI Emerging Markets, auf Aktien von Schwellenländern gesetzt hatte, konnte in dieser Zeit sein Kapital nicht vermehren, die Rendite war praktisch null. Das zeigt die folgende Grafik: Schwache Renditen von EM-Investments sind keine Ausnahme. In den letzten 30 Jahren lag die annualisierte Durchschnittsrendite des MSCI Emerging Markets Indexes bei 6,6 Prozent. Der Vergleichsindex der Industrieländer, der MSCI World, rentierte dagegen mit über 8 Prozent pro Jahr. Und für die geringeren Renditen mussten Emerging-Markets-Investoren auch noch stählerne Nerven haben. Denn die Kursschwankungen sind bei Schwellenländeraktien deutlich grösser als bei Investments in Industrieländern. Schwellenland-Investments erhöhen die Verlust-Risiken Wenn also schon nicht unbedingt höhere Renditen resultieren, liefern dann Investments in Emerging Markets eventuell einen Beitrag zur Portfolio-Diversifizierung? Leider ist auch das nicht (mehr) der Fall. Der Index-Anbieter MSCI hat sich die Korrelation zwischen dem MSCI-Emerging-Markets-Index und dem MSCI-World-Index von 1988 bis 2007 angesehen. In diesem Zeitraum ist die Korrelation erheblich angestiegen, von 0,48 auf 0,8. Also bewegen sich die beiden Indizes mittlerweile sehr ähnlich. Grund dafür sind international immer stärker integrierte und vernetzte Finanzmärkte. Es kommt noch schlimmer: Emerging-Markets-Anlagen vergrössern in Baisse-Phasen oft die Verluste. In der Mini-Baisse von 2015 verlor der MSCI World beispielsweise 1 Prozent, und der MSCI Emerging Markets Index 15 Prozent. Und 2008 verlor der Weltindex 42 Prozent und der Emerging-Market-Index über 53 Prozent. Gerade dann, wenn man den Diversifizierungsschutz dringend gebraucht hätte, funktionierte er nicht. Die Frage ist, warum EM-Investments die Erwartungen häufig enttäuschen. Einer der wichtigsten Gründe: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem langfristigen Wirtschaftswachstum eines Landes und der Aktienmarktperformance. Negativ-Beispiel China Ein erstaunliches Beispiel dafür ist China. Das Land konnte sein BIP in den letzten 30 Jahren um den Faktor 45 steigern. Annualisiert betrug das Wachstum damit 13,5 Prozent. Aber von diesem Superwachstum übertrug sich nur gerade ein Zehntel auf die Börsen. Der MSCI-Index für China-Aktien erzielte in dieser Zeit nämlich eine annualisierte Rendite von lediglich 1,3 Prozent. Für den Umstand, dass das Wirtschaftswachstum eines Landes nichts über die Börsenentwicklung aussagt, gibt es mehrere Gründe. So kann es etwa sein, dass das erwartete Wirtschaftswachstum bereits in den Aktienkursen eingepreist ist; dann wird nur Wachstum, das besser als erwartet ausfällt, zu einer guten Performance führen. Eine andere Erklärung ist, dass die Früchte des Wachstums nicht unbedingt börsenkotierten Unternehmen zugutekommen; oft fallen sie bei privaten oder staatlichen Unternehmen an, die nicht börsenkotiert sind. Ein Beispiel für ein in der Vergangenheit sehr wachstumsstarkes, aber nicht an einer Börse handelbares Unternehmen ist der chinesische Telekom-Gigant Huawei. Grossunternehmen sind für Schwellenländer entscheidend Ausserdem verhindern spezielle Markteigenheiten von Emerging Markets, dass sich ein hohes BIP-Wachstum in gute langfristige Börsenrenditen übersetzt. Typisch ist, dass EM-Firmen einige Zeit gute Erfolge verzeichnen, aber dann plötzlich ins Stolpern geraten. Wobei die Gründe dafür ganz unterschiedlich sein können. Das gilt etwa für den chinesischen Technologie-Konzern Alibaba. Im September 2014 kam Alibaba in den USA zu einem Preis von knapp 93 Dollar an die Börse. Bis Herbst 2020 schossen die Titel auf über 300 Dollar hoch, aber dann ging es abwärts. Heute notiert Alibaba bei 86 Dollar, weniger als am ersten Handelstag vor fast einem Jahrzehnt. Und diese Story ist kein Einzelfall. Gerade weil Grossfirmen wie Alibaba einen erheblichen Anteil am Wachstum der Emerging Markets haben, geraten sie oft ins Visier der Politik, mit negativen Folgen für ihre weitere Entwicklung. Auch das hohe Wirtschaftswachstum macht den grossen EM-Unternehmen das Leben schwer. Das scheint zunächst kontraintuitiv. Aber Wachstumsmärkte sind für Unternehmen aussergewöhnlich schwierig, insbesondere aus zwei Gründen. Erstens sind First-Mover-Gewinne in den meisten Fällen viel kleiner als gemeinhin angenommen. Es gibt häufig sogar ein First-Mover-Malus. Etwa, wenn Produkte oder Produktionsprozesse von Konkurrenten einfach kopiert werden können und sie sich damit die Entwicklungskosten sparen. Zweitens unterminieren Wachstumsmärkte die Vorteile von Skalenerträgen, welche etablierte Firmen normalerweise besitzen. Diese beiden Faktoren sind in Emerging Markets besonders ausgeprägt. Hohes Wachstum erhöht das Stolperrisiko Das zeigt sich in den Zahlen. So schaffen es nur etwa 45 Prozent der Schwellenland-Firmen, im Ranking der profitabelsten Unternehmen mehr als ein Jahrzehnt zu den besten 20 Prozent zu gehören. Zum Vergleich: In den Industrieländern gehören fast zwei Drittel der Firmen auch nach mehr als einem Jahrzehnt noch zum profitabelsten Fünftel. Dass Grossunternehmen in Schwellenländern nach anfänglichen Erfolgen deutlich häufiger in Schwierigkeiten geraten, erhöht die Volatilität der dortigen Börsen im Vergleich zu den Börsen in entwickelten Märkten. Das wird noch dadurch verstärkt, dass die Grossfirmen in Schwellenländern die Börsen stark beeinflussen: Die 10 Prozent der grössten Firmen in aufstrebenden Volkswirtschaften erwirtschaften einen Anteil an den Gesamtgewinnen, der viermal so hoch ist wie in Industrieländern. Geraten diese Firmen ins Stolpern, sind die Negativwirkungen besonders akzentuiert. Was sollten Privatanleger tun? Erfolgreichen «Stockpickern» gelingt es möglicherweise, die besten Emerging-Market-Unternehmen auszumachen und sie bei eventuellen Problemen rechtzeitig abzustossen. Aber was sollten Anleger tun, die nicht mit diesem Talent gesegnet sind? Es gibt zwei Möglichkeiten: 1. Gar nichts tun Eine simple Lösung für Privatanlegerinnen und Privatanleger ist, EM-Anlagen angesichts der damit verbundenen Schwierigkeiten und Risiken einfach wegzulassen bzw. sie allenfalls aus ihrem Portfolio zu entfernen. Das ist keine irrationale Lösung, insbesondere weil EM-Anlagen in der Vergangenheit über längere Zeiträume betrachtet kaum Vorteile brachten. 2. Zu einem aktiveren Anlagestil wechseln Wer sich auf einen aktive Investmentstrategie verlegt, kann eventuell bessere Resultate erzielen als mit langfristigen Passivstrategien. So gibt es Hunderte von Produkten, mit denen Anleger auf spezielle Nischen innerhalb der Emerging Markets setzen können, etwa auf kleine oder grosse EM-Unternehmen, auf EM-Aktien mit geringer Volatilität, auf Dividendenperlen der Schwellenländer oder auf unterschiedliche Regionen. Hätte ein Investor beispielsweise vor drei Jahren mit einem ETF auf die Region Lateinamerika gesetzt, könnte er sich heute über eine Rendite von rund 50 Prozent freuen. Allerdings sind solche Boomphasen sehr unbeständig. Bei einem Kauf vor fünf Jahren sässe der Lateinamerika-Investor jetzt auf Verlusten von um die 10 Prozent. Es ist also ausserordentlich schwierig, erstens den richtigen ETF auszuwählen und zweitens eine gute Phase zu erwischen. Das verlangt Fähigkeiten, wie sie gute Stockpicker benötigen. Eine simple Strategie zeitigt erstaunliche Resultate Zum Glück gibt es Strategien, die auf die herkömmlichen, breiten Emerging-Markets-Indizes setzen und mit einfachsten Regeln konstant gute Resultate erzielt haben. Diese Strategien machen sich zunutze, dass Emerging Markets starke Momentum-Effekte aufweisen – dass also Gewinner länger Gewinner bleiben. Das lässt sich mit einer einfachen Regel umsetzen, die bisher sehr erfolgreich war: Investoren sollten ein Emerging-Markets-Investment nur halten, wenn es über seinem gleitenden 100-Tage-Durchschnitt liegt, und verkaufen, wenn es darunter liegt. Ein Beispiel veranschaulicht, wie erfolgreich diese simple Strategie sein kann. Angenommen, jemand hätte im Januar 1994 den Betrag von 10’000 Dollar auf eines der ältesten breiten Emerging-Markets-Produkte gesetzt, den Vanguard Emerging Markets Stock Index Fund. Wenn er diesen Index-Fonds nach dem Kauf einfach gehalten hätte, könnte er sich heute über 44'000 Dollar freuen. Das entspricht einer annualisierten Rendite von 5,4 Prozent. Für diese Rendite musste man aber enorme Schwankungen aushalten. Zwischenzeitlich lag der Verlust bei 63 Prozent. Wer dagegen nur gekauft hätte, wenn der Vanguard Emerging Markets Stock Index Fund über seinen gleitenden 100-Tage-Durchschnitt steigt und verkauft hätte, wenn er darunter sinkt, konnte aus seinen 10'000 Dollar seit 1994 erstaunliche 322'000 Dollar machen (eine jährliche Rendite von 13 Prozent). Und nicht nur das, dieses Resultat hätte er bei kleinerem Risiko erzielt; denn der maximale zwischenzeitliche Verlust lag bei lediglich 16 Prozent. Im Moment liegen der Vanguard-Index-Fonds und der MSCI EM unter ihrem jeweiligen gleitenden 100-Tage-Durchschnitt oder kratzen gerade mal so an der 100-Tage-Marke. Nach der beschriebenen Regel sollte man also im Moment eher vorsichtig sein mit einem Engagement in EM-Anlagen. Angesichts der erheblichen Risiken, denen sich die Schwellenländer ausgesetzt sehen, etwa durch die hohen Zinsen in den USA, einen starken Dollar oder eine mögliche Rezession in wichtigen Industrieländern, scheint das keine unvernünftige Empfehlung.

Schwellenländer-Aktien: Eine einfache Strategie für hohe Gewinne

Eine einfache Regel für hohe Gewinne mit Schwellenländer-Aktien