SNB: Warum die Nationalbank nicht pleite gehen kann

Allein im dritten Quartal summierte sich der Verlust der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf 47,2 Milliarden Franken. Damit beläuft sich der Gesamtverlust seit Anfang Jahr auf unfassbar hohe 142,4 Milliarden Franken. Das sind 522 Millionen Franken für jeden einzelnen Tag von Januar bis September. Oder, nochmals runtergerechnet: 22 Millionen Franken Verlust in jeder Stunde. Sofern sich die Finanzmärkte im letzten Quartal nicht kräftig erholen und der Franken stark bleibt, wird 2022 das schwächste Geschäftsjahr in der Geschichte der SNB werden. Bund und Kantone werden keine Ausschüttungen erhalten. Überraschend kommt das Ergebnis nicht. Die riesigen Devisenanlagen im Wert von rund 1000 Milliarden Franken, die die SNB in den vergangenen Jahren zur Schwächung des Frankens erworben hat, führen je nach Marktlage zu Bewertungsgewinnen oder -verlusten in Milliardenhöhe. Wie schon im ersten Halbjahr liefen die Finanzmärkte im dritten Quartal gegen die Anlagepolitik der SNB. Ausser dem Dollar sind alle wichtigen Währungen gegenüber dem Franken gefallen. Die Anleihen haben wegen der steigenden Zinsen erneut an Wert eingebüsst, das passiv verwaltete Aktienportfolio leidet unter dem Bärenmarkt und der Goldpreis ist ebenfalls unter Druck. Bund, Kantone und Aktionäre gehen leer aus Der riesige Verlust ist für die Nationalbank kein Problem, er hat aber Folgen auf die Ausschüttungen. In normalen Zeiten können sich Bund und Kantone über einen Zustupf aus den Gewinnausschüttungen der SNB freuen. Letztes Jahr, als die SNB mit einem Gewinn von 26 Milliarden Franken abschloss, wurden der Maximalbetrag von 6 Milliarden an die Finanzdepartemente überwiesen. Doch 2023 dürften Bund und Kantone leer ausgehen. Denn wenn der Verlust die Ausschüttungsreserven abzüglich der Rückstellungen für die Währungsreserven von geschätzten 8 Milliarden übersteigt, wird nichts mehr ausgeschüttet. Die Ausschüttungsreserven liegen bei rund 102 Milliarden. Der Verlust ist bereits deutlich darüber, entsprechend dürfte die SNB nur an eine Ausschüttung denken, wenn das vierte Quartal ungewöhnlich grossartig laufen sollte. Ebenfalls in die Röhre schauen dann die Aktionäre. Das sind zu einem Grossteil die Kantone und die Kantonalbanken. 21 Prozent der SNB-Aktien halten Private, unter ihnen der deutsche Grossinvestor Theo Siegert. Wenn, wie erwartet, kein ausschüttbarer Gewinn vorliegt, wird wie zuletzt 2013 keine Dividende bezahlt.Wem der starke Dollar hilft – und wem er schadet Die US-Währung zeigt Muskeln. Das hat grosse Konsequenzen – überall auf der Welt: für Firmen, Konsumenten und Länder. Mehr lesen Sie hier. Die Verluste der SNB gehen zulasten des Eigenkapitals. Es besteht aus 25 Milliarden Franken Aktienkapital, den Rückstellungen für Währungsreserven und den Ausschüttungsreserven und betrug Anfang Jahr 204 Milliarden Franken. Mit den aufgelaufenen Verlusten ist es auf 62 Milliarden geschrumpft. Wird das für die Nationalbank irgendwann zum Problem? Ein normales Unternehmen wäre pleite, wenn das Eigenkapital aufgezehrt wäre. Einer Geschäftsbank droht ein Bank-Run, wenn das Eigenkapital schmilzt. Eine Zentralbank aber kann auch ohne Eigenkapital – oder im Extremfall sogar mit negativem Eigenkapital – ihre Funktion erfüllen. Ihr Fremdkapital besteht nicht aus Krediten, die von den Gläubigern gekündigt werden können, sondern aus Bargeld, das sie selber druckt, und den Sichteinlagen, die die Geschäftsbanken bei der Zentralbank halten. Das Problem sind die Begehrlichkeiten der Politik Ausserdem kann eine Zentralbank nicht insolvent werden, da sie das Monopol zum Gelddrucken hat und daraus langfristig einen Gewinn erzielt. Diesen Gewinn aus der Geldschöpfung nennt man Seigniorage. Auf der Aktivseite macht die Zentralbank etwa durch die Bewirtschaftung der Devisenanlagen langfristig Gewinn, während sie auf der Passivseite fast keine Kosten hat. Das Drucken einer Banknote und das elektronische Verbuchen von Sichtguthaben kostet weniger, als sie durch die zinstragenden Anlagen auf der Aktivseite einnimmt. Ökonomisch sind die grossen Verluste der Zentralbank und ein aufgezehrtes Eigenkapital deshalb kein Problem. Das Problem ist politischer Natur: Denn wenn der Staat lange keine Ausschüttungen mehr bekommt, nimmt der Druck auf die Zentralbank seitens der Politik zu. Sie könnte zum Beispiel auf die Idee kommen, eine andere Anlagepolitik oder einen raschen Rückbau der Bilanz zu verlangen. Dann aber wäre die Notenbank in ihrer geldpolitischen Entscheidung nicht mehr unabhängig.SNB pumpt massenhaft Dollars ins System Die SNB agiert wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise: Sie versorgt hiesige Banken massenhaft mit Dollars. Wilde Gerüchte machen die Runde. Manche sprechen von einem möglichen Kollaps des hiesigen Finanzsystems. Mehr lesen Sie hier.

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142 Milliarden Franken Verlust – na und?