So profitieren Anlegende von steigenden Uranpreisen

Am 12. September legte ein russisches Schiff im französischen Dünkirchen an. Aus St. Petersburg kommend brachte die «Mikhail Dudin» eine wichtige Fracht der russischen Firma Rosatom: Uran. In Dünkirchen wurde das Uran auf Lastwagen umgeladen, mit dem Ziel Lingen in Deutschland. Dort betreibt das Unternehmen Advanced Nuclear Fuels ANF, welches dem französischen Konzern Framatome gehört, eine Fabrik für Brennelemente. Diese Brennelemente werden von Lingen aus an Atomkraftwerke auf der ganzen Welt geliefert, allen voran natürlich an die französischen. Aktuell befindet sich die «Mikhail Dudin» erneut auf Fahrt Richtung Frankreich, wieder hat sie Uran geladen. Trotz Boykott bestehen also weiterhin Handelsbeziehungen zwischen Russland und den westlichen Industrienationen. Aber die Proteste nehmen zu. Yannick Rousselet, Experte für nukleare Sicherheit bei Greenpeace Frankreich, bringt die Inkonsistenz der EU-Politik folgendermassen auf den Punkt: «Während Emmanuel Macron schöne Reden über die Solidarität mit der Ukraine hält und sich einer harten Position gegenüber Russland rühmt, macht die französische Nuklearindustrie mit ihren unverschämten Russland-Importen einfach weiter wie bisher.» Auch die USA beziehen immer noch Uran von Russland. Denn bislang sind sie dringend auf russische Produkte angewiesen. So importierten die USA 2021 etwa 14 Prozent ihres Urans und 28 Prozent aller Leistungen im Zusammenhang mit der Urananreicherung aus Russland, während die gleichen Zahlen für die EU 20 Prozent sowie 26 Prozent betrugen. Die aktuelle Kriegsausweitung im Ukraine-Konflikt erhöht allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass sich das in Zukunft ändert. Entweder weil Russland nicht mehr liefert oder weil der Westen keine Waren mehr aus Russland akzeptiert. Dieses Risiko zeigt sich auch am Uranpreis. Kein offener Uranmarkt Uran begann das Jahr bei einem Preis von 40 Dollar pro Pfund, stieg im April auf 60 Dollar und notiert aktuell bei 50 Dollar. Allerdings wird Uran nicht wie andere Rohstoffe auf einem offenen Markt gehandelt. Käufer und Verkäufer handeln die entsprechenden Verträge privat aus. Investorinnen und Investoren können also nicht direkt auf Uran wetten, beispielsweise mittel Futures. Entweder setzen sie auf entsprechende Einzelunternehmen oder sie kaufen einen der existierenden Uran-ETF. Dabei sind die Geschäftsaussichten der Uranunternehmen vielversprechend, die Nachfrage nach ihren Produkten dürfte zunehmen. So wird die Kernenergie im Strommix der Zukunft in vielen Ländern eine grössere Rolle spielen, als es die meisten Anlegenden nach dem Fukushima-Unglück und dem Atomausstieg Deutschlands vermutet hätten. Für wie wichtig etwa die EU Kernenergie hält, zeigt sich daran, dass diese Technologie trotz ihren Problemen offiziell das ESG-Label «nachhaltig» bekam. Und wenn Russland als Lieferant ausfällt, dürfte der Preis von Uran weiter zulegen. Hätte sich also ein Engagement in den auch in der Schweiz zugelassenen Uran-ETF «Global X Uranium» gelohnt? Nicht besonders. Seit Anfang des Jahres hätten Anlegende mit diesem Produkt in Dollar etwa 21 Prozent verloren. Das ist nur knapp besser als die Performance des S&P 500, der rund 23 Prozent nachgab. Wenn Uran ein so vielversprechendes Geschäft ist, warum zeigt sich die Performance des ETF so durchwachsen? Uran ist ein zyklisches Geschäft. Wenn die Konjunkturerwartungen wie in den letzten Monaten zurückgehen, leiden auch die Uranproduzenten, selbst wenn der Uranpreis hoch ist. Die Aussicht auf steigende Uranpreise und eine zunehmende Wichtigkeit von Uran konnten die sinkenden Konjunkturerwartungen nicht kompensieren. Dazu kommt ein ungünstiger Faktor für den ETF: Der «Global X Uranium» weist ein ziemliches Klumpenrisiko auf. Die grössten drei Positionen machen über 33 Prozent aus. Daher können die Schwierigkeiten eines einzelnen Unternehmens die Performance des gesamten ETF negativ beeinflussen. Das Risiko einer geringen Marktkapitalisierung Risikoliebende Investorinnen und Investoren könnten deswegen versucht sein, nur die besten Unternehmen der Uranbranche ins Portfolio zu nehmen, also auf Einzeltitel zu setzen. Allerdings setzen sie sich damit im Durchschnitt einem zusätzlichen Investment-Risiko aus, das auch den Uran-ETF «Global X Uranium» betrifft. Reine Uranunternehmen weisen im Durchschnitt eine eher geringe Marktkapitalisierung auf. Daher sind die Aktienkurse volatiler als bei Grossunternehmen. Kleine Firmen werden ausserdem weniger beachtet von Finanzanalytikern, die Firmen einschätzen und bewerten. Daraus resultiert eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Aktienkurse von Uranfirmen überbewertet sind und Anlegende zu viel für diese Unternehmen bezahlen. Denn der Uranabbau ist ein schwieriges und kapitalintensives Geschäft, die Investitions- und Energiekosten sind hoch. Und wie jeder Bergbau ist auch der Abbau von Uran ein umweltschädigendes Geschäft. Die Förderung führt zu Verschmutzungen im Bereich der Minen, wobei sowohl die Luft als auch das Wasser beeinträchtigt werden. Beides erfordert eine Menge an Kapitalinvestitionen, um die Verschmutzungen zu beseitigen oder Geräte zu installieren, welche die Umweltschäden verringern. Dieser hohe Kapitalbedarf führt dann wiederum zu hohen Abschreibungsbeträgen in den Jahresabschlüssen. Das drückt auf die Gewinne. Branchenleader BHP Dennoch gibt es einzelne Uranunternehmen, die erfolgreicher agieren als ihre Konkurrenten. Zu diesen zählt etwa die BHP Group mit Sitz in Melbourne und einer Marktkapitalisierung von 120 Milliarden Dollar. BHP ist ein global diversifizierter Bergbaukonzern, der Eisenerz, Kupfer und Kohle fördert. Darüber hinaus besitzt das Unternehmen eine der grössten Uranlagerstätten der Welt, die australische Mine «Olympic Dam». Obwohl BHP in Olympic Dam vor allem Kupfer abbaut, fördert das Unternehmen dort auch Uran, Gold und Silber. Nach Angaben des Unternehmens verfügt die Mine über eine vollständig integrierte Verarbeitungsanlage. Die Uranproduktion ist letztes Jahr zwar zurückgegangen, trotzdem lassen die Kennzahlen von BHP aufhorchen. Wer sich die Gewinnmargen von BHP anschaut, stellt fest, dass das Unternehmen im Moment hochprofitabel geschäftet. Die operative Marge beträgt 51 Prozent, die Gesamtkapitalrendite 31 Prozent. Das sind Werte, wie man sie nicht einmal von den Topunternehmen der IT-Branche kennt; Apple erreicht ungefähr 30 Prozent bei der operativen Marge und der Gesamtkapitalrendite. Allerdings gibt es einige Unternehmen, welche ihre Zahlen manipulieren, sodass auf dem Papier gute Gewinne zu Buche stehen, dies aber nicht der Realität entspricht. Der Beneish M-score misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen seine Zahlen frisiert. Das spätere Skandal-Unternehmen Enron etwa konnte mithilfe des Beneish M-score bereits 1998 (und damit drei Jahre vor der spektakulären Pleite) der Bilanzfälschung überführt werden. Trotzdem wurde Enron von den Analysten weiterhin fleissig zum Kauf empfohlen. Bei BHP zeigt der Beneish M-score jedoch keine Probleme an, laut dieser Kennzahl beschönigt der Konzern seine Zahlen nicht. Für langfristig orientierte Anlegende, die ein Exposure zu Bergbau- und Uranunternehmen suchen, könnte BHP eine sinnvolle Ergänzung des Portfolios sein. Durch verschiedene Wachstums- und Entwicklungsinitiativen konnte BHP sein Produktionsniveau auch in den schwierigen letzten Monaten aufrechterhalten und die Margen sind nach wie vor beeindruckend. Ausserdem dürfte BHP aufgrund der Qualität seiner Minen in Australien und Südamerika auch in Zukunft ein hervorragender Cashflow-Generator bleiben. Für passive Anleger ohne Stock-Picker-Qualitäten existiert zudem ein weiterer ETF, der zu einem Uran-Exposure verhilft: der «Uranium+Nuclear Energy ETF» des Finanzunternehmens Vaneck, wobei dieser ETF über keine Zulassung in der Schweiz verfügt. Ein Vorteil ist, dass der Vaneck-ETF nicht nur die Uranproduktion abbildet, sondern auch die auf Kernkraft beruhende Stromproduktion. Weil die Strompreise in den letzten Monaten stark angestiegen sind, ging der Wert des Vaneck seit Anfang Jahr um vergleichsweise bescheidene 5 Prozent zurück. Diese ETF hätte also die Stabilität eines Durchschnittsportfolios erhöht. Grüne Energie Das Europäische Parlament hat im Sommer entschieden, dass der Neubau von Atomkraftwerken sowie Investitionen in alte Anlagen zukünftig als «grün» gelten. Die Entscheidung sei ein Durchbruch für die Energiewende und erhöhe die Versorgungssicherheit in der EU. Die Abstimmung bedeutet, dass Kernenergie ab dem 1. Januar 2023 in die Taxonomie der Europäischen Union für nachhaltige Aktivitäten aufgenommen wird – im Wesentlichen eine Reihe von Regeln, die definieren, was als nachhaltige Investition eingestuft werden kann. Damit erhält der nunmehr grüne und nachhaltige Atomenergiesektor Zugang zum stark wachsenden Markt für nachhaltige Investitionen. Bis 2025 wird dieser Markt auf 50 Billionen Dollar anwachsen. Die Regelung erlaubt europäischen Atomfirmen beispielsweise, den Bau von neuen Reaktoren mit grünen Anleihen zu finanzieren. Dies dürfte aufgrund der Nachfrage nach ESG-Anlagen die Kreditkosten für die enormen Ausgaben der Atombranche senken.