Steigende Zinsen und das Ende der Globalisierung töten die Aktien. Es droht ein Jahrzehnt ohne Gewinne für Aktionäre.

Die Turbulenzen an der Börse im bisherigen Jahresverlauf könnten nur ein Vorspiel für das sein, was noch kommt. Denn es ist gut möglich, dass schon in diesem oder im nächsten Monat ein Börsencrash folgt, der Auftakt für eine jahrelange Durststrecke für Aktionäre ist. Die historische Wahrscheinlichkeit spricht für einen baldigen Börsencrash, denn die fanden in der Vergangenheit oft in den Monaten September und Oktober statt. Das gilt für den grossen Crash im Jahr 1929, den Schwarzen Montag im Jahr 1987 und die Finanzkrise im Jahr 2007. Ende der kurzen Erholungszeit Ein Crash alleine muss noch nicht sehr erschreckend sein, weil sich die Aktienkurse nach jedem Crash in den vergangenen vierzig Jahren wieder relativ schnell erholt haben. Bestes Beispiel ist der Covid-Crash im Jahr 2020, der sich innert Monaten in einen Covid-Boom verwandelt hat, der Börsenkurse steigen liess. Diese kurzen Erholungszeiten der Börse waren unter anderem möglich, weil die Zinsen von Zentralbanken gesenkt wurden. Tiefere Zinsen sind gut für die Aktienmärkte, denn sie senken die Finanzierungskosten der Unternehmen. Nicht nur Unternehmen können so ihre Investitionsprojekte günstiger finanzieren, sondern auch private Haushalte können günstiger Wohneigentum belehnen. Das treibt die Wirtschaft vorwärts. Das Ungeheuer ist erwacht In den vergangenen vierzig Jahren sind die Zinsen tendenziell gefallen, aber nun hat der Wind gedreht: Die Zinsen steigen. Dazu kommt, dass die Globalisierung aus geopolitischen Sicherheitsüberlegungen teilweise rückgängig gemacht wird. Viele Staaten wollen strategisch wichtige Produkte (etwa Energie) lieber nicht mehr günstig im Ausland, sondern teuer im Inland produzieren. Das treibt die Preise in die Höhe, und damit ist ein Ungeheuer erwacht, die Inflation. Diese muss dann mit höheren Zinsen der Zentralbanken bekämpft werden, was es diesen gleichzeitig erschwert, Wirtschaftskrisen einfach mit Zinssenkungen zu mildern, wie das in der Vergangenheit möglich war. Starinvestoren sehen schwarz Kein Wunder, sehen einige Starinvestoren keine rosige Zukunft, sondern ganz im Gegenteil. Einer, der ganz schwarz für die Aktienmärkte sieht, ist Starinvestor Michael Burry. Er hat die Finanzkrise mit dem Kurszerfall der US-Hypothekenpapiere richtig vorhergesehen. Mit entsprechenden Investitionen, mit denen er auf den Kurszerfall setzte, hat er für sich 100 Millionen Dollar verdient und zusätzliche 700 Millionen für seine Investoren und Investorinnen. So ist er auch in den Hollywoodfilmen «The Big Short» und «Margin Call» (auf Deutsch «Der grosse Crash») verewigt. Burry sieht jetzt die Zukunft derart dystopisch, dass er alle Aktien verkauft hat, ausser jener eines Gefängnisbetreibers. Auch Stanley Druckenmiller hat sich kürzlich sehr negativ zu den Märkten geäussert. Druckenmiller arbeitete lange mit Anlageguru George Soros zusammen. Mit ihm hat er einst eine Wette gegen das Britische Pfund gewonnen und so 1 Milliarde Gewinn gemacht. In der Investmentszene erzählt man sich folgende Geschichte dazu, wie die Zusammenarbeit von Soros und Druckenmiller funktionierte: Druckenmiller hatte eine Anlageidee, wollte 100 Millionen investieren, worauf Soros darauf bestand, 1 Milliarde einzusetzen. Druckenmiller hat gut verdient in der Krise Noch eine Geschichte über Druckenmiller: Mit geschickten Investitionen soll er während der Finanzkrise im Jahr 2008 weit über 200 Millionen Dollar verdient haben – berichtet wird von genau 260 Millionen Dollar. Dieser Druckenmiller sieht nun schwarz. In einem Gespräch mit Alex Karp, dem CEO der Datenanalysefirma Palantir, sagt er: «Wenn ich auf die Hausse der Finanzmärkte seit dem Jahr 1982 zurückschaue: Alles, was diese Hausse antrieb, ist nicht nur weg, sondern hat die Richtung komplett gewechselt.» Das Interview ist hier auf Youtube zu sehen – Hinweis: Es geht im Video hauptsächlich um Geopolitik; Finanzmärkte sind nur ein kleiner Teil. Im Original sagt er dort: «When I look back at the bull market, in financial assets since 1982: All the factors that created that not only have stopped, they’ve reversed.» Weiter geht es so: Während der Hausse-Jahre ab 1982 habe die Globalisierung die Produktivität erhöht und die Preise für Güter eher nach unten getrieben (Disinflation). Man sei in einem Porsche mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen und jetzt voll auf die Bremsen getreten. Wenn alle die Lust an Aktien verloren haben Druckenmiller hält die Wahrscheinlichkeit für hoch, dass wir lange Zeit keine Hausse mehr sehen werden: «Es könnten nun zehn Börsenjahre folgen, in denen die Börsenkurse seitwärts tendieren dürften, wie von 1966 bis 1982.» Um zu realisieren, was das bedeutet, muss man sich vorstellen, wie die Menschen gegen Ende dieser Zeitperiode über Börse und Aktien dachten. Weil so lange kaum allgemeine Kursgewinne zu machen waren, wollte Ende der 1970er Jahre kaum mehr ein Privatanleger in Aktien investieren. Die Jungen waren gar nicht mehr von Börsenanlagen zu überzeugen, nur noch einige ältere Semester, die sich an die weit in der Vergangenheit liegenden Börsenhaussen erinnern konnten. Im breiten Publikum waren Kursgewinne kein Thema mehr, höchstens noch Dividenden. In diesem Umfeld erschien im Jahr 1979 das US-Wirtschaftsmagazin «Businessweek» mit der Titelgeschichte «Der Tod der Aktien». Im Artikel wurde unter anderem argumentiert, dass die Inflation den Aktienmarkt töten würde. Zurück in die Gegenwart: Möglich, dass die nächste grosse Börsenhausse erst wieder starten kann, wenn sich die meisten Menschen von Aktien abgewandt haben. Vielleicht dauert das zehn Jahre oder länger bis dahin. Auch in miserablen Börsenzeiten gib es Gewinner-Aktien Während dieser zehn Jahre ist aber nicht alles verloren. Auch in miserablen Börsenzeiten gibt es einzelne Firmen, mit denen Aktionäre sehr viel Geld verdienen, ja gar reich werden können. So war es auch in der Zeit zwischen 1966 und 1982: Damals sind etwa Apple und Home Depot gegründet worden. Zudem haben Energie- und Chemiefirmen viel Geld verdient in den 70ern.

Steigende Zinsen und das Ende der Globalisierung töten die Aktien. Es droht ein Jahrzehnt ohne Gewinne für Aktionäre.

Der schleichende Tod der Aktien