Die Gründe für die derzeitige Krise in der Türkei sind vielfältig. Die aktuellen Spannungen zwischen den USA und der Türkei wegen des festgenommenen Pastors und die damit verbundenen Strafzölle auf Stahl und Aluminium können lediglich als Auslöser, nicht jedoch als Verursacher der Krise genannt werden. Schaut man sich die gesamten Metallexporte der Türkei in die USA an, ist festzustellen, dass diese einen Bruchteil (< 1 Prozent) der gesamten türkischen Exporte darstellen.  

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Ursprung der Türkei-Krise liegt in 2008

Die derzeitige Krise in der Türkei nimmt ihren Ursprung in der Finanzkrise 2008. Denn die damals eingeleitete Nullzinspolitik vieler Zentralbanken hat zum einen viele Investoren in die höher rentierenden Schwellenländer getrieben. Diese haben mit Devisen den lokalen Markt geflutet. Zum anderen gelangten sowohl die Regierung als auch türkische Unternehmen durch Aufnahme von Krediten in US Dollar und Euro an günstiges Geld.

Ein zusätzlicher Belastungsfaktor für die Türkei ist die starke Abhängigkeit von Importen, die sich seit Jahren in einer negativen Handelsbilanz zeigt. Das durch den Mix der genannten Faktoren erkaufte Wirtschaftswunder mit Wachstumsraten von durchschnittlich 5 Prozent p.a. in den vergangenen 10 Jahren ist bei genauer Betrachtung nur noch wenig imposant. Gleichzeitig lag nämlich die Inflation in den letzten 10 Jahren durchschnittlich bei 8,5 Prozent und explodierte in diesem Jahr förmlich auf einen Wert von zuletzt knapp 16 Prozent.

Seit 10 Jahren im Abwärtstrend

Ein besonderes Augenmerk lag zuletzt auf der türkischen Lira, die gegenüber dem US-Dollar stark abgewertet wurde. Zahlte man kurz vor der Finanzkrise noch etwa 1,15 Lira pro US Dollar, schoss der Wechselkurs vergangene Woche auf einen Spitzenwert von über 7,20 USD/TRY. Dies wiederum wirkt sich weiter negativ auf die Inflation aus. Zur Beschaffung frischer Devisen zur Bedienung der Schulden in Fremdwährung und zur Bezahlung der Importe werden neue Lira gedruckt. Was den Abwärtsstrudel der türkischen Währung beschleunigt. Der erschwerte Schuldendienst der türkischen Unternehmen könnte eine Flut von Insolvenzen nach sich ziehen. Dies würde wiederum den europäischen Bankensektor belasten, da europäische Banken die Hauptgläubiger der Türkei sind.

Ein weiterer Belastungsfaktor für eine rasche Erholung ist der türkische Staatspräsident. Er sucht die Schuld für die aktuelle Krise lieber im westlichen Ausland als der eigenen Zentralbank zu erlauben, die Zinsen zu erhöhen. Mit dem Ziel die Inflation zu kontrollieren und ausländisches Kapital anzulocken. Ohne einen solchen Schritt dürfte das Vertrauen der verbliebenen Investoren weiter schwinden und eine weitere Verschärfung der Krise bedeuten.

Beim Zentralbanksymposium vom 23.-25. August im US-amerikanischen Jackson Hole dürften die Zentralbanker über die Ansteckungsgefahr der Türkeikrise auf andere Schwellenländer diskutieren. Eine Änderung der Zentralbankpolitik der FED aufgrund dieser Sorgen lässt sich derzeit jedoch noch nicht erkennen.

Wegen des muslimischen Opferfestes Eid al-Adha, das gerade in der Türkei gefeiert wird, gibt es aktuell kaum Bewegung in der Lira, die in dieser Woche in einer relativen engen Handelspanne knapp über 6 USD/TRY handelt. Sollte die Forderung der USA einer Freilassung des Pastors nicht erfüllt werden, dürfte sich die politische Krise der Türkei mit den USA weiter zuspitzen. Bereits in der kommenden Woche könnten die USA weitere Sanktionen Ankündigen und somit Investoren abschrecken. Dies dürfte erneuten Druck auf die Lira ausüben und die türkische Währung auf ein neues Allzeittief zum US-Dollar schicken.
 

*Christos Maloussis ist Market Analyst und Premium Client Manager bei der IG Bank.