US-Zentralbankchef stürzt Börsen ins Tal der Tränen

Die Märkte bekamen gestern von der US-Zentralbank Fed im Prinzip genau das, was sie wollten. Die Zinsen wurden um 0,75 Prozentpunkte erhöht, und nicht, wie von einigen befürchtet, um einen Prozentpunkt. Ausserdem enthielt die Medienmitteilung Passagen, die andeuten, dass die künftigen Zinserhöhungen niedriger sein würden. Die erhoffte Verlangsamung bei den Zinserhöhungen liess die Börsen zunächst um über 1 Prozent steigen, und alles schien auf einen weiteren Kursschub hinzudeuten. So weit, so gut, aber dann kam die Pressekonferenz von Jerome Powell. Sie bracht fallende Kurse: Der US-Leitaktienindex S&P 500 verlor bis zum Börsenschluss um 2,5 Prozent, und der Leitindex für Technologiewerte, der Nasdaq 100, fiel sogar 3,4 Prozent. Was genau war es, das die Börsen derart verschreckte? Es war vor allem die Fragerunde, in der Jerome Powell ausführte, dass die Verlangsamung der Zinsschritte etwa von 0,75 Prozentpunkten auf 0,5 Prozentpunkte oder auch 0,25 Prozentpunkte nicht so wichtig sei. Viel wichtiger sei das schlussendliche Niveau, auf das der Leitzins gehoben werden müsse, und wie lange dieses Niveau notwendig bleibe. Wo genau der Leitzins schliesslich stehen werde, könne er noch nicht sagen, erklärte Powell, aber er werde höher sein, als noch im September erwartet. Das allein hätte schon genügt, um die Kurse nach dem Optimismus der letzten Wochen purzeln zu lassen. Aber Powell legte noch mit zwei weiteren Tiefschlägen nach. Er schien sich beinahe direkt an einige Marktakteure zu richten, als er explizit herausstellte, dass es viel zu früh sei, um über einen Stopp der Zinserhöhungen nachzudenken. Damit entzog er Hoffnungen die Grundlage, die eine Verlangsamung der Zinsschritte praktisch mit dem absehbaren Ende der Zinserhöhungen gleichsetzen. Die Fed als Risk Manager Und ein weiteres Argument zerpflückte er, das an den Börsen zu Überschwang geführt hatte. Das Argument, dass die Fed keine Rezession riskieren könne und auf eine sich verschlechternde Konjunktur rasch einmal mit Zinssenkungen reagieren müsse. Powell betonte dazu, dass die Fed die Haltung eines Risk Managers einnehmen müsse. Und die Risiken einer Inflation sowie diejenigen einer Rezession seien asymmetrisch. Eine Rezession sei weniger nachteilig für die Gesamtwirtschaft als eine sich verfestigende Inflation. Denn Letztere könne man nur schwer beheben, während eine Zentralbank zahlreiche Mittel habe, um die Konjunktur anzukurbeln. Auf diese geballte Ladung an Hoffnung zerstörenden Ausführungen reagierten die Börsen gestern mit Verlusten. Und da ein grosser Teil des Anstiegs in den letzten drei Wochen den Hoffnungen auf einen sanften Kurs der Fed entsprang, müssten die Kurse eigentlich noch weiter sinken. Aber Hoffnungen sind zäh. Ob sie sich durch eine einzelne Pressekonferenz kleinkriegen lassen, werden die nächsten Tage zeigen.

US-Zentralbankchef stürzt Börsen ins Tal der Tränen

US-Zentralbankchef zerstört die Hoffnungen der Anleger