Der Value-Stil hat über die letzten Jahre relativ schlecht abgeschnitten. Seit 2014 haben grosskapitalisierte Wachstumswerte – vor allem grosse US-Technologie-Aktien – und als solide geltende Dividendentitel das Rennen gemacht. Die zunehmende Beliebtheit des passiven Investierens verstärkt diesen Trend zusätzlich. Es scheint so, als lohne es sich nicht mehr, den Franken für 60 Rappen zu kaufen in der Erwartung, dass der Markt die Fehlbewertung von Aktien irgendwann korrigiert.

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Der Finanzanalyst Georg von Wyss ist Manager der Classic Funds sowie Teilhaber von BWM Value Investing.

Diese Situation wird nicht ewig andauern. Langfristige Vergleichszahlen – beispielsweise von Ken French und Nobelpreisträger Eugene Fama – zeigen, dass Value-Aktien – besonders kleinere – langfristig den Markt und auch grosse, relativ teure Titel deutlich schlagen. Nimmt man zum Beispiel die sechs Portfolios, die Fama/French auf Basis der Preis/Cash Flow-Ratio bilden, so wurden aus 100 Dollar, welche 1951 in kleine Value-Titel investiert wurden, nach fast 70 Jahren 3.3 Millionen Dollar.

Im Vergleich dazu wurden aus denselben 100 Dollar über Famas/Frenchs Marktindex (heute: über einen ETF) nur 127'000 Dollar. Die Fama/French-Zahlen zeigen auch, dass es früher schon Phasen gab, in denen der Value-Stil relativ schlecht performte, um am Ende doch immer wieder oben aus zu schwingen.

Fonds mussten Rücknahmen hinnehmen

Die Internet-Spekulationsblase ist sicher noch allen in Erinnerung. Dort lagen Value-Investoren so sehr im Hintertreffen, dass einige Fonds massive Rücknahmen hinnehmen mussten. Bis Mitte März 2000 betonte das Marketing der UBS die Value-Ausrichtung, zeigte dann aber ihrem Chief Investment Officer, dem berühmten Value Investor Gary Brinson, sanft die Tür, um das vermeintlich angekratzte Image zu retten. Ende März 2000 platzte die Internetblase und Value etablierte sich wieder als langfristig bester Performer.

So war es auch in den 1970er Jahren, als die «Nifty-Fifty» – stolz bewertete Wachstumsaktien – den amerikanischen Markt dominierten, bis die Party im Sommer 1973 endete. Zur Gruppe gehörten Firmen wie Disney, die zwar vorübergehend an Wert verloren, aber bis heute überlebten. Polaroid und Kodak gehörten jedoch auch dazu. Das erinnert daran, dass Technologien obsolet werden können – eine Erkenntnis, die heute, wo riesige Technologiefirmen die Börsenstars sind, besonders wichtig ist.

Nur Value-Aktien sind noch attraktiv

Es ist zwar schwer, in einer Phase grosser Underperformance an die langfristige Überlegenheit des Value Investing zu glauben. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Fans von teuren Wachstumstiteln tendenziell die Chancen über- und die Risiken unterschätzen. Bei unterbewerten Aktien ist es umgekehrt.

Irgendwann werden die Anleger – anstatt kurzfristige Kurseinbussen zu fürchten – die Gewinnchancen von den vielen, deutlich unterbewerteten Aktien nicht mehr ignorieren können. In Anbetracht der tiefen, zum Teil negativen Zinsen, der hohen Immobilienpreise und der teuren Wachstumsaktien sind Value-Aktien vielleicht sogar die einzige Anlage, bei der die Preise noch attraktiv sind.