Vermögen verwalten: Vier Punkte zur Wahl des richtigen Finanzberaters

Wie sehr wundert es Sie, wenn Ihnen die Verkäuferin in der Boutique versichert, der teuerste Anzug, das teuerste Kleid stehe Ihnen am besten? Sind Sie überrascht, dass der Autoverkäufer Ihnen zuerst den teuren sportlichen Audi-Kombi präsentiert und nicht den günstigen Skoda mit etwas weniger PS? Warum sollte dann ausgerechnet die Bankerin Ihnen zuerst die günstigsten Produkte verkaufen wollen? So wundert es nicht, dass Vermögensberater oft teure aktiv verwaltete Fonds anbieten. Nicht unbedingt, weil Sie als Anleger oder Anlegerin damit höhere Renditen erhalten, sondern weil die Berater daran mehr verdienen. Schaut man auf die vergangenen Jahre zurück, haben passive Fonds fast immer mehr Gewinne eingebracht. Trotzdem sind in der Schweiz deutlich mehr teure aktive Fonds zum Vertrieb zugelassen als günstige passive. Deshalb gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dafür brauchen Sie einen Grundstock an Wissen im Bereich der Vermögensverwaltung, damit Sie in Diskussionen mit Finanzverkäuferinnen, Bankern und Vermögensverwalterinnen ein gewisses Mass an Kontrolle ausüben und die Entscheidungen und Ratschläge Ihrer Berater besser beurteilen können. 1. Berater und die Kontrollillusion Kundenberaterinnen sind oft sehr von sich überzeugt. Ansonsten könnten sie ihre Ideen und Produkte nicht so gut verkaufen. Wenn ein Berater Ihnen weismachen will, dass er künftige Kursentwicklungen voraussehen kann, ist er wahrscheinlich ein Scharlatan. Vielleicht glaubt er selber, dass er Kursentwicklungen voraussagen kann, weil er mit seinen Prognosen mal zufällig richtig lag. Vielleicht täuscht er diese Zuversicht auch nur vor. Über eins müssen Sie sich im Klaren sein: Selbst eine Vermögensberaterin, die einfach mal eine Münze wirft, würfelt oder sonst völlig zufällig auf steigende oder fallende Kurse in einem Jahr setzt, hat eine 50-prozentige Erfolgschance. Nach zwei Jahren sind ihre Chancen, in beiden Jahren richtig gelegen zu haben, immerhin noch bei 25 Prozent, nach drei Jahren bei 12,5 Prozent. Solche Glückspilze bilden sich dann gern ein, Kursentwicklungen tatsächlich vorhersagen zu können. Sie erliegen der Illusion, die Börsenkursentwicklungen kontrollieren zu können, was in der Fachsprache Kontrollillusion genannt wird. TIPP: Trauen Sie keinem Berater, der sehr hohe Renditen ohne Risiko verspricht. Meist droht Ihnen bei solchen Anlagen ein Totalverlust 2. Der Mehrwert von Beratern Das CFA Institute, die weltweit bedeutendste Vereinigung von Anlageprofis, hat seine Mitglieder befragt, wo und wie sie am meisten Mehrwert für ihre Kundinnen und Kunden generieren können. Und das waren die Topantworten: Bei der Zuteilung von Vermögenswerten zu einzelnen Anlageklassen und bei der Konstruktion eines Portfolios für die Anlegenden. Vereinfacht gesagt: bei der Zusammenführung Ihres Risikoprofils mit den Renditeprognosen von Chefökonomen, Chefinvestorinnen und Chefanalysten. 43 Prozent der Befragten sahen dies als den grössten Mehrwert, den sie Ihnen bieten können. 36 Prozent der Befragten sahen ihre wichtigste Unterstützung darin, der Kundschaft zu helfen, die psychologischen Impulse unter Kontrolle zu halten (siehe auch Seite 68 im Buch des Autors). Unter diesem Gesichtspunkt ist es verständlich, dass etwa die UBS für ihre Analyseabteilungen neben Finanzspezialistinnen auch Psychologen engagiert. 16 Prozent der Anlageprofis gaben als wichtigstes Plus ihrer Arbeit die Unterstützung der Kundschaft bei der Entwicklung angemessener Anlageziele an. Nur 5 Prozent der Befragten sahen ihren grössten Mehrwert für die Kundinnen und Kunden darin, die besten Einzeltitel selektieren zu können. TIPP: Egal, von wem Sie sich beraten lassen, Sie sollten sich immer folgende Fragen stellen: In wessen Auftrag handelt der Berater? Wer bezahlt ihn und wovon hängt die Höhe seiner Bezahlung ab? Von den Antworten auf diese Fragen hängt viel ab. So können Sie einer Beraterin, die Sie mit einem separaten Honorar für ihre Dienstleistung bezahlen, eher vertrauen als einer, die von Verkaufsprovisionen lebt. 3. Kundenberater von Banken Bei Angeboten von Bankberatern sollten Sie bedenken, dass deren Arbeitgeber oft die bankeigenen Produkte verkauft haben wollen. Zwar sollten die Bankberater langfristig das Wohl ihrer Kundschaft im Fokus haben. Allerdings werden sie für ihre Beratungsleistung selten separat von der Kundschaft bezahlt. Ihre Erträge müssen sie über Produkt- und Dienstleistungsverkäufe generieren. Seien Sie sich bewusst, dass eine kostenlose Beratung kaum eine echte Beratung, sondern eher ein Verkaufsgespräch ist. Die Erträge, die ein Kundenberater für seinen Arbeitgeber generieren soll, werden oft von einer bankinternen Abteilung festgelegt, der Vertriebssteuerung. Diese kann Vorgaben dazu machen, welche Produkte verkauft werden sollen und wie viele davon. So kann es sein, dass die Kundenberaterin anschliessend mehr darauf aus ist, die Ziele der Vertriebssteuerung zu erreichen, als dass sie wirklich den Mehrwert für die Kundschaft und deren Bedürfnisse im Fokus hätte. Die Fachleute der Vertriebssteuerung können etwa aktuelle Themen aufgreifen, die in den Medien breite Beachtung finden – beispielsweise selbstfahrende Autos, 3D-Druck oder Elektrizität. Auf diesen Themen aufbauend wird ein Fonds oder ein strukturiertes Produkt lanciert, mit dem Anlegende in Firmen investieren können, die von den Trends profitieren sollen. Die Vertriebssteuerung schätzt ab, wie viele Kunden diese Produkte kaufen könnten, und leitet daraus Zielvorgaben für die Kundenberater ab. TIPP: Seien Sie eher zurückhaltend beim Kauf von Anlageprodukten, die von Zukunftstrends profitieren sollen. Oft ist das mehr Marketing und Verkauf als echter Mehrwert für Sie, der sich dann auch in Anlagegewinnen spiegeln würde. 4. Die Bank verdient an jeder Transaktion Eine Bank verdient nicht nur mit dem Verkauf solcher Themenprodukte, sondern auch schon, wenn Sie als Kunde oder Kundin Wertpapiere kaufen und verkaufen. Es entstehen Transaktionsgebühren. Auch hier können Bankberaterinnen Zielvorgaben erhalten, wie viele solche Wertpapiergeschäfte ihre Kunden und Kundinnen tätigen sollten. TIPP: Seien Sie sehr zurückhaltend mit Käufen und Verkäufen von Wertpapieren, denn das kostet. Meist ist für Sie als Privatanlegerin oder Privatanleger die Kaufen-und-Halten-Strategie die beste.Hinweis Das ist ein Auszug aus dem aktuellen Buch von Harry Büsser: «Plötzlich Geld – so legen Sie richtig an. Möglichkeiten zur souveränen Vermögensverwaltung.», 3. überarbeitete Auflage, März 2022. Beobachter-Edition, 256 Seiten, ISBN 978-3-03875-419-0, 45 Franken; erhältlich unter www.beobachter.ch auch als E-Book oder im Buchhandel.