Ein Leben für den Kampf – und den Luxus: Mit Jewgeni Prigoschin wandte sich ein enger Vertrauter gegen Putin, der ausgerechnet wegen seiner engen Beziehung zum russischen Präsidenten einen luxuriösen Lebensstil führen kann. Eine Recherche des Kreml-Gegners Alexei Nawalny und seiner Antikorruptionsstiftung veröffentlichte bereits vor Jahren, dass der Chef der Gruppe Wagner nicht nur die paramilitärische Organisation aus eigener Tasche bezahlt, sondern auch eine Jacht, einen Privatjet und edle Villen auf der ganzen Welt besitzt.

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Sein Reichtum stammt offenbar vor allem aus zwei Quellen:

1. Catering-Monopol für den Staat

Der Werdegang von Prigoschin begann nicht gerade glänzend. Nachdem er als Kind eine Sportakademie besucht hatte und als professioneller Sportler gescheitert war, wurde er als 18-Jähriger kriminell und musste nach seiner Festnahme zehn Jahre ins Gefängnis. Nach der Freilassung im Jahr 1990 arbeitete er in seiner Heimatstadt St. Petersburg als Hotdogverkäufer. Das erweckte seinen unternehmerischen Geist: Er beteiligte sich an einer Supermarktkette, gründete die Holdinggesellschaft Concord und öffnete 1996 schliesslich das erste elitäre Restaurant in St. Petersburg, das «Old Customs House». 

Es folgten weitere Restaurants in St. Petersburg, etwa das «New Island», gebaut aus einem gebrauchten Motorschiff. 2001 assen der russische Präsident Wladimir Putin und der französische Präsident Jacques Chirac im «New Island», was dem Restaurant Bekanntheit verlieh. Prigoschin bediente Putin damals eigenhändig. Von da an baute der Geschäftsmann Beziehungen zu Putins Fahrer und dann zu Putins Sicherheitschef Wiktor Solotow auf und kam so dem russischen Präsidenten immer näher. 

«Putins Koch»

Heute würde man das, was Prigoschin in den 1990ern tat, als Netzwerken bezeichnen. Er befreundete sich mit wichtigen Leuten, etwa dem berühmten Cellisten Mstislaw Rostropowitsch, und begann, ihre Anlässe mit Speisen und Getränken zu beliefern. Der Kontakt zu Putin nahm zu – er organisierte für den Präsidenten Staatsbankette und Geburtstagsfeiern. In den Medien wird Prigoschin deshalb oft der Spitzname «Putins Koch» zugeschrieben. Und sein wirtschaftlicher Erfolg wird verbunden mit der Patronage durch Wladimir Putin. 

Der Putschversuch der Wagner-Gruppe

Der Chef der paramilitärischen Organisation, Jewgeni Prigoschin, hatte vergangenen Freitagabend via Telegram die russischen Streitkräfte eines Angriffs gegen seine Truppe beschuldigt und anschliessend eine Gruppe Kämpfer in Richtung Moskau geschickt mit dem Ziel, den Verteidigungsminister und den Generalstabschef zu ersetzen. Der Geheimdienst FSB leitete am Samstag ein Strafverfahren gegen Prigoschin ein, was jedoch sofort eingestellt wurde, als dieser am Samstagabend bekannt gab, dass der Angriff auf Moskau abgebrochen sei. 

2012 etwa erhielt die Concord-Gruppe unter Jewgeni Prigoschin einen Auftrag für mehr als 100 Millionen Franken zur Versorgung der Moskauer Schulen. Zusätzlich belieferte er mit Unternehmen, die der Concord-Unternehmensgruppe angeschlossen sind, die russische Armee mit Nahrungsmitteln. Laut einer Untersuchung von Forbes Russia belief sich der Gesamtwert dieser Verträge 2013 und 2014 auf 92 Milliarden Rubel, was rund 970 Millionen Franken entspricht. Eine Summe, die eigentlich viel zu hoch für den eigentlichen Wert der Aufträge ist. Durch diese Verträge, ermöglicht durch Jewgeni Prigoschins Nähe zur russischen Regierung, wurde die Concord-Gruppe zum grössten Catering-Unternehmen Osteuropas.

Doch Putin hat am Samstagmorgen seinen ehemaligen Vertrauten als Verräter bezeichnet. Prigoschin muss Russland verlassen und in Belarus Fuss fassen. Durch den Putsch könnte seine Wettbewerbshoheit im Catering für die russische Armee möglicherweise vorbei sein.

2. Einsätze und Rohstoffabbau in Afrika und Asien

Die Wagner-Gruppe kämpft im Auftrag von Russland seit 2014 verdeckt in der Ukraine. Die paramilitärische Organisation wird zudem für Operationen in Afrika und in Asien für die Vertretung russischer Interessen eingesetzt, die hauptsächlich wirtschaftlicher Natur sind. 

Im Zentrum steht dabei der Abbau von Rohstoffen wie Gas, Diamanten, Öl und Gold in den von ihnen besetzten Gebieten. Zwischen 2018 und 2021 soll die Söldnergruppe dadurch rund 250 Millionen US-Dollar (223 Millionen Franken) erwirtschaftet haben, wie eine Recherche der «Financial Times» kürzlich zeigte. 

Seit 2016 verhängten die USA gegen Prigoschin und seine Unternehmen vielfach Sanktionen. Doch dies hinderte ihn keineswegs daran, seine Rohstoffgeschäfte zu betreiben. M Invest, eines seiner im Goldbau tätigen Unternehmen mit Sitz im Sudan, wurde im Juli 2020 von der US-Regierung sanktioniert. Im Jahr darauf erzielte es aber immer noch einen Umsatz von 2,3 Millionen Franken. 

Neben den Rohstoffgeschäften in Ländern wie Sudan, Mali und Syrien und dem Bergbau in der Zentralafrikanischen Republik könnten jetzt auch noch Salzminen zu den Geschäften der Wagner-Gruppe dazukommen. Im Januar dieses Jahres verkündete Prigoschin die Einnahme der ukrainischen Stadt Soledar, wo mehr als 90 Prozent des Salzes in der Ukraine herkam. Weil die Stadt bei den Kämpfen allerdings weitflächig zerstört wurde, könnte es noch eine Weile dauern, bis das Salzbergwerk gegebenenfalls durch die Wagner-Gruppe wieder in Betrieb genommen werden kann.