Warum die Aktien nach dem US-Zinsschritt abstürzten

Die Ausgangslage gestern schien dieselbe wie die letzten drei Mal zuvor auch schon: Jerome Powell, der Chef der US-Zentralbank Fed, verkündet eine grosse Zinserhöhung. Daraufhin setzen die Börsen zu einem Spurt an und beenden den Tag mit einem massiven Plus. Nur, diesmal kam es anders. Um 20 Uhr (14 Uhr Ortszeit) wurde die Pressemitteilung mit dem Zinsschritt von 0,75 Prozent veröffentlicht, worauf die Kurse erst einmal sanken. So war es die vergangenen drei Male auch. Eine halbe Stunde später trat Fed-Chef Jerome Powell vor die Kameras, erklärte der Öffentlichkeit den Zinsschritt, und die Kurse begannen zu steigen. Zwischenzeitlich lagen sie gestern über 1 Prozent im Plus. So weit wie gehabt. Aber dann wechselten die Kurse erneut die Richtung und begannen abzustürzen, anders als bei den vorangegangenen drei Zinsschritten. Gegen Ende des gestrigen Börsentages beschleunigte sich der Rückgang sogar. Es stellt sich die Frage, warum die Märkte dieses Mal nicht mit einem Spurt reagierten wie zuvor. Zunächst einmal ist ungewöhnlich, dass die Börsen auf eine Zinserhöhung mit steigenden Kursen reagieren. Normalerweise würde man das Gegenteil erwarten, denn höhere Zinsen sind ein Negativ-Faktor für Aktien. Pessimismus kann Kurse steigen lassen Die Stimmung an den Märkten war in den vergangenen Monaten pessimistisch. So pessimistisch, dass manche Marktakteure im Vorfeld der Zinsankündigungen grosse Wetten auf sinkende Kurse eingegangen sind (wie erwähnt sind steigende Zinsen grundsätzlich negativ für Aktien). Als die Kurse dann aber nicht sanken, sondern ansteigen, mussten sie kaufen, um ihre Positionen zu schliessen. Das war ein wichtiger Faktor für die grossen Tagesgewinne nach den Zinsankündigungen der Fed.Mehr zum Thema Die SNB verliert in einem halben Jahr 95 Milliarden Franken Notenbanken stehen vor historischer Aufgabe Neuste Zinserhöhung der Fed kommt an der Börse nicht gut an Dieses Mal haben die Marktakteure ihre Wetten auf sinkende Kurse jedoch offenbar schon früh geschlossen. Bereits am Freitag war das Handelsvolumen in den USA ungewöhnlich hoch, und am Montag stiegen die Kurse. Das deutet darauf hin, dass viele Shortseller ihre Positionen früher als bei den drei vorangehenden Zinsschritten geschlossen haben, um nicht von steigenden Kursen überrascht zu werden. Man könnte also argumentieren, dass der gestrige Kurssturz lediglich der Marktmechanik und damit kurzfristigen Faktoren geschuldet war. Dieses Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings vernachlässigt es wichtige übergeordnete Faktoren. Neupositionierung der Marktakteure So kam der Preisrückgang gestern zustande, obwohl die Kurse wieder in der Nähe der Tiefststände des Sommers liegen. Ausserdem beschleunigte er sich gegen Ende des Handelstages. Das ist ein Zeichen dafür, dass grosse Investoren den Kurssturz mitgetragen haben. Denn diese handeln vor allem in der ersten und letzten halben Stunde des Handelstages, weil die Liquidität dann am grössten ist. Grossinvestoren brauchen diese Liquidität aufgrund ihrer Handelsvolumina. Der gestrige Handelstag könnte also ein Vorbote dafür sein, dass die Märkte sich langsam auf ein allgemein tieferes Kursniveau einstellen. Das scheint umso wahrscheinlicher, als die US-Leitzinsen mittlerweile bei 3 Prozent liegen, was insbesondere auf die Bewertungen von Technologie-Unternehmen drückt. Diese haben etwa im S&P 500 ein hohes Gewicht. Daher scheint es opportun, wenn sich Anleger und Anlegerinnen mit einem US-Exposure vorsichtig positionieren. Die Schweizer Nationalbank hat die Zinsen ebenfalls um 0,75 Prozent angehoben. Allerdings liegt das Zinsniveau hierzulande noch um einiges tiefer als in den USA. Zudem wird der SMI von den drei defensiven Schwergewichten Novartis, Roche und Nestlé dominiert, denen Zinserhöhungen weniger anhaben sollten als den Technologie-Champions der USA. Dementsprechend liegt der SMI heute trotz dem Zinsschritt leicht im Plus.

Warum die Aktien nach dem US-Zinsschritt abstürzten

Kurssturz nach dem US-Zinsschritt