Vor gut fünf Jahren, während des Rückversicherungs-Rendez-vous von Monte Carlo, war die Welt noch in Ordnung: Das Startup B3i (Blockchain Insurance Industry Initiative), von 15 finanziell überaus potenten Erst- und Rückversicherungen wie Swiss Re und Zurich getragen, hatte einen ersten Produktprototyp angekündigt. Vor drei Jahren kam das Update: Das standardisierte System für Katastrophen-Excess- of-Loss-(Cat-XoL-)Rückversicherungsverträge war «fertig für den Start», wie das Startup mit Sitz in Zürich meldete. Solche Verträge braucht man im Katastrophengeschäft, um für Erstversicherungen Limiten bei sehr teuren Schäden einzuführen.

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Alles, was über eine bestimmte finanzielle Belastung hinausgeht, wird dann von den Rückversicherungen oder via Cat Bonds von den Kapitalmärkten bezahlt. Erst im April dieses Jahres meldete B3i die erste «erfolgreiche Platzierung eines legal gebundenen Cat-XoL-Rückversicherungskontraktes» von Allianz und Swiss Re auf einer Blockchain-Umgebung.

Ende Juli kam dann eine kurze weitere Meldung. Das Startup, das laut eigenen Angaben an einer «Lösung für kommerzielle und Rückversicherungen» arbeitet, stellt seinen Betrieb ein und meldet Konkurs an. Begründet wurde das knapp mit erfolglosen Versuchen, weitere Finanzierungsrunden abzuschliessen: «Die Leitung ist, nach Konsultationen mit den Aktionären, gemeinsam zum Schluss gekommen, dass es nicht ausreichend Unterstützung für das Venture bei diesem Entwicklungsstand gibt.»

Viele Lösungen für wenige Probleme

Sprecherinnen von Zurich und Swiss Re verwiesen auf die Erklärung von B3i. Beim Startup reagierte niemand (mehr) auf eine Anfrage. Unter führenden Digitalisierungsexperten, Versicherungsberatern und Analysten hält B3i einige Lektionen für weitere Innovationsprojekte bereit. Zunächst gibt es eine einfache Erklärung, warum viele Startups scheitern. Laut Bastian Halecker, Gründungspartner des German Deep Tech Institute, gibt es inzwischen «zu viele Lösungen für zu wenige Probleme», wie er kürzlich an einer Veranstaltung des Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) in Rüschlikon sagte. «Alle Startups sprechen von Lösungen – aber wenn es so viele Lösungen gibt, warum scheitern die dann alle?» Es sind Lösungen, die einfach an den Bedürfnissen vorbeikonzipiert würden. Gerade im B2B-Bereich haben es Startups besonders schwer. Die «echten Probleme», die sind laut Halecker «echte Assets» – sie müssten lediglich sehr gut verstanden werden. Viele Startups würden aber mit Validierungen loslegen, sie hätten jedoch nicht die geeigneten Gesprächspartner, um die Lösung besser zu verstehen.

Hier setzt die Diagnose eines der führenden Berater in der Schweiz ein – viele grossen Adressen gehören zu seinen Kunden. Anstelle eines ersten einfachen Produkts, mit dem man dann hätte loslegen können, sei man bei B3i bereits mit einer fertigen Lösung gestartet. Zudem hatte es sich als einigermassen aussichtslos erwiesen, einen gemeinsamen Standard für die Cat-XoL-Verträge zu entwickeln. Jede grosse Versicherung hat hier ein eigenes Template und führt viele gute Gründe ins Feld, warum ihr eigenes Template «das beste ist». Schliesslich gibt es wesentlich attraktivere Bereiche, die man hätte digitalisieren können. Beispielsweise die Underwriting-Prozesse, bei denen heute noch viel alltägliche Handarbeit erforderlich ist. Cat-XoL-Verträge sind dagegen bei mittelgrossen Versicherungen keine alltägliche Sache – deshalb lohnen sich hier digitale Lösungen, mit denen Kosten eingespart werden können, kaum.

Zu viel Brei verdirbt die Köche

«B3i hatte keiner genutzt», sagt ein Versicherungsanalyst. Eine französische Versicherung hatte einmal eine Erneuerungsrunde über eine Blockchain-Umgebung machen wollen. «Hat man davon später jemals etwas gehört?» Entweder ist die Technologie noch nicht ausgereift oder die Marktteilnehmer sind noch nicht so weit. Es fehlt – auch hier – die Passung zwischen Problem und Lösung.

Und es gibt immer wieder Fälle, bei denen eine Startup-Idee von nicht ganz fachkundigen Personen initiiert wird, die sich davon einen Karriereschub in ihrem Kerngebiet – in der Regel sind das die Ambitionen auf Group-CEO- oder Finanzchef-Sitze – versprechen. Auch bei B3i gab es eine solche Konstellation. Mit der Beförderung hatte es dann doch nicht so richtig geklappt, und die Person ist dann zu einem anderen Finanzdienstleister gewechselt. Kleiner Trost für die B3i-Entwickler: Das Desaster bei diesem anderen Finanzdienstleister ist weitaus grösser.

Dieser Artikel ist unter dem Titel «Lösung ohne Problem» erstmals erschienen in der «Handelszeitung» Nr. 40 vom 6. Oktober 2022.