Für Versicherungsbroker ist die Digitalisierung aus mehreren Gründen herausfordernd. Es gibt zwar einige Ansätze und branchenweit vorangetriebene Lösungen. «Im Gegensatz zu grösseren Unternehmen digitalisiert der kleine Broker aber nicht im Sinne von geplanten Projekten, sondern pragmatisch, also dort, wo er mit kleinem Aufwand einen direkten Effekt erreichen kann», beobachtet Christian Lory, Geschäftsleitungsmitglied beim IT-Unternehmen Five Informatik mit Sitz in Schönbühl BE. Die Digitalisierung ist laut Lory für viele Broker zu teuer und bringt ihnen viel zu wenig. 

Manuelle Verarbeitung wegen mangelnder Standards

Warum sollte ein Broker investieren, um die vom Versicherer im digitalen XML-Format gelieferten Prämienrechnungen automatisiert verarbeiten zu können? Zumal er erstens die gelieferten Daten je nach Versicherer unterschiedlich weiterverarbeiten muss und zweitens zahlreiche, oft kleinere Versicherer die Rechnungen nach wie vor per Post schicken. 

Aus diesem Grund müssten Broker den bestehenden manuellen Ablauf eh aufrechterhalten, so Lorys Fazit: «Der Broker hat zwar Teilbereiche aufwendig digitalisiert, kann die bestehenden Prozesse parallel dazu aber nicht vereinfachen oder eliminieren – dieses Vorgehen ist also ein No-Go.» Hinzu kommen weitere Hindernisse, die mit der Struktur der Broker zusammenhängen. Kleinbroker sind oft sehr personenbezogen organisiert, das widerspricht grundsätzlich der Idee der Digitalisierung. Man könne nicht hinkommen und sagen: «Ich weiss, wie es geht, und ab morgen läuft alles anders.» Vielmehr müsse der Satz lauten: «Ich kenne eure Arbeit, und die Digitalisierung kann euch helfen, diese einfacher, effizienter, besser und zuverlässiger zu erledigen.»

Digitalisierung darf nicht zum Kahlschlag führen

In der Praxis bedeutet das, dass die Digitalisierung nicht zu einem Kahlschlag von und bei bestehenden Prozessen und Strukturen führen darf. Neue Lösungen sollten sich in die bestehende Infrastruktur einfügen und in Ergänzung zu den Tätigkeiten der Mitarbeitenden funktionieren. 

«Ist Digitalisierung als ‹Mitarbeiter› einmal akzeptiert, haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich nebst der bekannten Effizienzsteigerung weitere erstaunliche Effekte einstellen», konstatiert Lory. Diese betreffen die Datenqualität und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Letztere sehen den Sinn ihrer Tätigkeit ein, wenn sie beispielsweise Policen-Informationen oder die Kontaktdaten eines Kunden sauber pflegen. Dadurch ist eine Digitalisierung möglich, die auch korrekte Arbeit erledigt. Die Motivation zur Datenqualität werde somit intrinsisch und die Arbeitszufriedenheit steige. «Einmal digitalisiert, entsteht die Sicherheit, die Arbeit ‹richtig› erledigt zu haben», sagt Lory. «Das gibt nicht nur ein gutes Gefühl, sondern Rückfragen und Stellvertretung bedeuten kaum mehr Stress, weil alles nachvollziehbar und klar geregelt ist.» Überquellende E-Mail-Postfächer und Desktop-Ablagen gehören plötzlich der Vergangenheit an. 

Positive Nebenwirkungen der Digitalisierung

Weitere Überraschungen erlebte Lory bei der Implementierung neuer Features. «Ich erinnere mich gut, wie wir einem Pilotkunden den ersten Prototyp vom Prozess ‹Deklarationsversand› zur Verfügung stellten. Wir diskutierten lange über den Inhalt der Begleit-Mail, weil jeder Versicherer das Formular irgendwie anders ausgefüllt haben will. Bald merkten wir, dass die Diskussion sinnlos ist, denn der Kunde weiss in der Regel auch ohne spezifische Anweisung, was er wie auszufüllen hat.» 

Daraufhin wurde die Begleit-Mail sehr neutral gehalten. Und es zeigte sich, dass sich der simple Prototyp nicht bloss zum Versenden von Deklarationsformularen eignet, sondern auch für 3a-Bescheinigungen und andere repetitiven Unterlagen. Lorys Fazit: «Die Digitalisierung hat geholfen, etwas zu vereinfachen, was bisher nicht hinterfragt worden ist. Allerdings geschah die Veränderung im Dialog und nicht unter den Vorzeichen, um jeden Preis digitalisieren zu müssen.» 

Eine weitere Überraschung erlebte Lory bei der Datenerkennung bei Policen. Eine Digitalisierung liegt hier noch in weiter Ferne, denn die Daten aus den heterogenen und umfangreichen Policen zu erkennen, ist sehr aufwendig und fehleranfällig. Zudem müssen die erkannten Daten fachlich verifiziert werden, damit die aktuellen Policen abgelegt werden können. Die Lösung lag hier in einer Kombination von Mensch und Maschine. «Unsere Software erkennt Policen, bereitet diese soweit möglich auf und stellt sie dem richtigen Sachbearbeiter zur Kontrolle bereit», so Lory. Daraufhin visiert der Sachbearbeiter und die Software übernimmt die Schritte wie Ablage, Datenpflege und Versand an den Kunden. Bei dieser Lösung setzen alle Beteiligten ihre Stärken ein. 

Für Lory funktioniert die von seinem Unternehmen entwickelte Lösung «fast wie ein zuverlässiger Lernender». Übergibt man ihm einfache, klar definierte Aufgaben, arbeitet er sehr zuverlässig. Bei komplexen Aufgaben braucht er aber Unterstützung durch einen erfahrenen Mitarbeitenden. «Schön ist es, wenn die Digitalisierung nicht als unantastbare Blackbox funktioniert, sondern in Interaktion mit den Mitarbeitenden und sich so geschmeidig in den Alltag integriert.» 

Über die FIVE Informatik AG

ONE wurde 2019 lanciert und ist eine Lösung der FIVE Informatik AG. Die FIVE bietet seit 1988 IT- und Businesslösungen für verschiedenste KMU und grössere Unternehmen an. ONE steht für die Vision Standards in branchenspezifischen Prozessen für die Finanz-, Immobilien-, und Versicherungswelt zu setzen. Mit digital geführten Prozessen soll dabei nicht nur die Effizienz oder Nachvollziehbarkeit im Tagesgeschäft geschaffen werden, sondern auch die Qualität im Daten- und Informationsaustausch auf das Maximum getrieben werden.