Vor etwas mehr als einem halben Jahr haben Sie bei Epona als Versicherungsnovizin die Rolle als CEO übernommen. Wie lautet Ihr Fazit?
Ich hätte nie gedacht, dass die Versicherungswelt so spannend ist. Die Branche ist aufgrund der Digitalisierung voller Herausforderungen und es wird sich in den kommenden Jahren viel verändern. Für mich war es der ideale Zeitpunkt für den Einstieg. 

Aber ich habe auch realisiert, dass Versicherungen keine exakte Wissenschaft sind. Klar basiert alles auf Statistiken und Berechnungen, doch es schwingen auch immer viele Vermutungen mit. Daran muss ich mich noch gewöhnen.

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Warum sind Sie ausgerechnet bei Epona eingestiegen und nicht bei einer anderen Versicherungsgesellschaft?
Als langjährige Unternehmerin gefällt mir die Grösse und die Struktur von Epona. Wir sind flexibel und nah bei den Mitarbeitenden und unseren Kunden. Meine Wahl fiel aber nicht in erster Linie auf Epona, weil es sich um eine Versicherung handelt. 

Sondern?
Weil es eine Firma mit Tradition ist, die sich vor einigen Jahren total neu ausgerichtet hat. In dieser Hinsicht geht es bei uns ein wenig zu und her wie bei einem Startup. Zudem kann ich meine in den vergangenen Jahren gesammelte Prozess- und Digitalisierungserfahrung einbringen. 

Warum hat sich Epona neu ausgerichtet?
Das Unternehmen wurde vor 120 Jahren mit dem Ziel gegründet, Versicherungen für Pferde anzubieten. Über all die Jahre war es damit sehr erfolgreich und ist nach wie vor Marktführerin in diesem Bereich. Da der Markt für Pferde- und Nutztierversicherungen in der Schweiz kaum mehr wächst, hat man vor einigen Jahren die Gelegenheit am Schopf gepackt und ist in den stark wachsenden Haustiermarkt eingestiegen. 

Das dünkt mich naheliegend …
Ja, aber Epona ist bereits in den neunziger Jahren mit Haustierversicherungen auf den Markt gekommen. Damals gab es noch keine anderen Produkte und Epona leistete also erneut Aufbauarbeit, indem es Tierärzte und Tierbesitzer von den Versicherungen überzeugte. Zu diesem Zeitpunkt waren Haustiere einfach noch Tiere, mittlerweile sind sie ja schon fast Familienmitglieder und dementsprechend boomen die unterschiedlichsten Produkte rund um das Thema Haustier.  

Während der Pandemie hat sich dieser Trend noch verstärkt, denn viele Leute haben sich neu ein Haustier angeschafft. Schlägt sich dies auch in der Anzahl Policen nieder?
Ja, das vergangene Jahr war wirtschaftlich ein sehr gutes Jahr. Weil wir zu Beginn der Pandemie per Zufall auch ein neues Online-Vertriebssystem lanciert haben, wissen wir zurzeit noch nicht, ob der grosse Kundenzuwachs primär der Pandemie oder eben auch dem neuen System zu verdanken ist.

Interessant war auch, dass wir in den vergangenen Monaten nicht nur viel mehr Policen abschliessen konnten, sondern auch mit markant mehr Schadenfällen konfrontiert waren. 

«Über all die Jahre ist Epona klein, aber fein und bescheiden geblieben.»

Warum?
Meine Hypothese ist, dass die Tierbesitzer wegen Covid-19 mehr Zeit und eventuell auch Angst hatten und darum mit ihrem Vierbeiner mehr zum Tierarzt gegangen sind. Aber wir werden das noch evaluieren müssen.

Dieses Jahr feiert Epona den 120. Geburtstag. Was sind die Schlüsselfaktoren für dieses lange Firmenleben?
Über all die Jahre ist Epona klein, aber fein und bescheiden geblieben. Zudem sind wir der einzige reine Tierversicherer auf dem Schweizer Markt. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist, dass unsere Mitarbeitenden im Vertrieb und der Schadenabwicklung keine Versicherungs-, sondern Tierspezialisten sind. Sie alle haben sich das Versicherungswissen on the job und in Weiterbildungen angeeignet. Genau das macht für die Kunden das gewisse Extra aus und gibt ihnen Vertrauen. 

Seit einigen Jahren bieten verschiedene grosse Versicherungsgesellschaften ebenfalls Versicherungen für Haustiere an. Spüren sie diese Konkurrenz?
Nicht allzu stark. Wenn ja, dann eher im positiven Sinne. Für einen Teil der grossen Versicherer machen wir White Labeling; diese verkaufen also unsere Produkte unter ihrem Namen. Zudem sind wir die einzigen mit einer derart langen Erfahrung und verfügen über ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. 

Mehr Kummer als die Konkurrenz bereiten uns die zunehmenden Regulierungen und der steigende administrative Aufwand. Weil wir ein kleines Unternehmen mit nur gerade 25 Mitarbeitenden sind und in den vergangenen vier Jahren die Anzahl unserer Kunden verdoppelt haben, müssen wir nun die Strukturen nachfahren und viel in die Absicherung unserer Produkte investieren.

«Eine Genossenschaft bietet sowohl den Genossenschaftern als auch den Kunden Stabilität und übernimmt eine soziale Verantwortung.»

Apropos Strukturen, Epona ist eine Genossenschaft. Ist dies noch zeitgemäss?
Und ob! Eine Genossenschaft bietet sowohl den Genossenschaftern als auch den Kunden Stabilität und übernimmt eine soziale Verantwortung. So waren bei der Gründung alle Kunden auch Genossenschafter und somit Mitunternehmer. Heute ist das natürlich nicht mehr so, dennoch hat sich das Miteinander in der DNA von Epona verankert und das wird auch in Zukunft so bleiben.

Zurück zu den Regulierungen und dem schnellen Wachstum in jüngster Zeit. Wie gedenken Sie die Strukturen an diese Herausforderungen anzupassen?

Es ist paradox: Wir nehmen zwar sehr viel ein, haben aber fast zu wenig Geld, um uns strukturell und technisch an dieses Wachstum anzupassen. Zudem ist zurzeit auch noch unklar, wie sich das Verhalten der Haustierbesitzer entwickeln wird: werden sie künftig häufiger zum Tierarzt gehen und werden die Tierarztkosten in den nächsten Jahren steigen? In diesem Fall müssten wir unsere Produkte anpassen, um deren Rentabilität sicherstellen zu können. Dies sind wichtige Elemente, die wir berücksichtigen müssen, um die Rentabilität unserer Produkte zu gewährleisten.

Klar ist: Wir können nur einen kleinen Teil unserer Einnahmen dazu verwenden, unser Wachstum mit Prozessen und Strukturen zu konsolidieren und Leute zu rekrutieren. Aus diesem Grund mussten unsere Kunden teilweise lange auf die Rückerstattung ihrer Rechnungen warten. In diesem Jahr liegt das Augenmerk deshalb darauf, unsere IT-Systeme anzupassen und einen grossen Schritt in Richtung Digitalisierung zu machen. Unsere Kunden sollen nicht mehr nur eine Versicherung online abschliessen können, auch die Schadenabwicklung muss automatisierter werden. Da gilt es aber noch viele Hürden zu überwinden…

Was meinen Sie damit?
Anders als in der Humanmedizin existieren in der Tiermedizin noch kaum standardisierte Abrechnungsprozesse, diese müssen wir nun Schritt für Schritt mit den Tierärzten zusammen entwickeln. Zudem sind auch viele unserer Kunden noch nicht in der digitalen Welt angekommen, hier besteht noch viel Schulungsbedarf.

In anderen Versicherungsbereichen sind in den vergangenen Monaten viele innovative Geschäftsmodelle entstanden. Werden wir das bei den Tierversicherungen auch sehen?
Aber ja! Ich bin überzeugt, dass es neben den technischen Innovationen künftig auch andere geben wird. Zum Beispiel Netzwerke im Bereich Haustiergesundheit oder telemedizinische Lösungen, ähnlich wie in der Humanmedizin. So gibt es bereits ein Schweizer Unternehmen, das ein Gerät vertreibt, mit dem das Herz des Haustiers abgehört werden kann. Dieses ist verbunden mit einer Online-Plattform von Tierärzten. 

«Wir werden eine strategische Partnerschaft eingehen müssen.»

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wo steht Epona in zehn Jahren?
Wenn ich das wüsste! Sicher nicht mehr am selben Punkt wie heute. Um unser Wachstum möglichst gut verdauen zu können und aufgrund der Konsolidierung, in der sich die Versicherungsbranche befindet, werden wir in den kommenden Jahren wohl nicht alleine bleiben können. 

Was heisst das?
Wir werden eine strategische Partnerschaft eingehen müssen. Nur in einer solchen werden wir die Komplexität der Regulative bewältigen können, denn diese werden in den kommenden Jahren bestimmt nicht weniger. 

Wie müsste ein solcher Partner aussehen?
Das könnte ein Versicherer sein oder auch eine Unternehmensgruppe, die im Bereich Tiergesundheit operiert. Der strategische Partner müsste uns unterstützen, ohne uns zu unterdrücken. Zentral ist, dass er die Marke Epona bestehen lässt, dass wir ein reiner Tierversicherer bleiben können und unsere genossenschaftliche Struktur erhalten bleibt. Einfach ein kleiner Teil eines riesigen Unternehmens zu sein, kommt für uns zurzeit nicht infrage.

Könnten Sie sich auch eine Expansion ins Ausland vorstellen?
Im Moment haben wir aber auf dem Schweizer Markt noch genügend Herausforderungen zu lösen, denn der Versicherungsmarkt für Haustiere steht erst am Anfang. Unser Problem ist ja wie bereits erwähnt nicht das Wachstum, sondern dessen Finanzierung. Falls wir aber einen strategischen Partner finden, könnte das Ausland durchaus eine Option sein.