Wie hat sich nach Ihrer Einschätzung die Risikolage in der Schweizer Industrie seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs verändert?

Wir leben in einer global vernetzten Welt. Auch die Schweizer Industrie war und ist mit Unternehmen in der Region Ukraine, Russland und Belarus tätig oder zumindest mit in dieser Region ansässigen Unternehmen in Produktions-, Liefer- oder Abnahmeverhältnissen. Die russische Invasion in die Ukraine hat für Versicherer und ihre Kunden gravierende Folgen, nicht nur durch Schäden im direkten Zusammenhang mit dem Krieg. Sanktionen auf beiden Seiten führten zu Versicherungsverboten und blockierten Zahlungsflüssen.

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Unabhängig vom direkten Kriegsereignis gibt es auch indirekte Underwritinggründe, warum sich Versicherer mit Risiken in diesen Regionen derzeit schwertun. Daher blieb den Kunden manchmal keine andere Möglichkeit, als rein lokale Deckungen abzuschliessen, auch im Wissen um Deckungseinschränkungen oder gar Deckungslücken. Dies war aus Kundensicht sicherlich unbefriedigend, man muss jedoch auch eingestehen, dass die Privatversicherungswirtschaft nicht sämtliche politischen, gesellschaftlichen oder insgesamt sozioökonomischen Probleme lösen kann.

Berkshire Hathaway Specialty in der Schweiz

Berkshire Hathaway Specialty Insurance (BHSI) will sein Geschäft in der Schweiz auf- und ausbauen. Dazu wird der Industrieversicherer seinen in der Zürcher Hegibachstrasse domizilierten Risikoträger Berkshire Hathaway International Insurance einsetzen. Das Zürcher Tochterunternehmen zeichnete im Jahr 2021 14,5 Millionen Franken Prämie, doppelt so viel wie im Jahr 2020. Der 2015 gegründete Industrieversicherungsarm des US-Mischkonzerns Berkshire Hathaway wuchs im Jahr 2021 um 34 Prozent. Weltweit beschäftigt das Unternehmen bereits 1200 Spezialisten. 

Leander Metzger arbeitet seit 2016 für Berkshire Hathaway Specialty in Köln. Seit Juli 2022 ist er für das Schweizer Geschäft zuständig. Metzger hat unter anderem an der Business School Zürich mit einem Bachelor in Business Administration abgeschlossen. Von 2006 bis 2016 arbeitete er für den Industrieversicherer FM Global in Frankfurt. In der angespannten Lage auf dem Industrieversicherungsmarkt fordert er von Industrieunternehmen höhere Selbstbehalte. In der Cyberversicherung will sich BHSI tendenziell eher zurückhalten.

Auf welchen Risiken liegt derzeit Ihr stärkster Fokus im Underwriting?

Als technischer Versicherer basieren unsere Konditionen stets auf der Risikoqualität und der zugrunde liegenden Datenqualität. Unser Hauptfokus im Underwriting ist daher stets das profitable Wachstum.

In der heutigen Zeit stehen Risikoträger natürlich vor weiteren Herausforderungen. So ist die Kumulkontrolle von grosser Bedeutung. Als Beispiel wird in der Regel die zunehmende Schadenhöhe und Schadenfrequenz im Bereich der Naturgefahren herangezogen. Die korrekte Berechnung von Kumulen und eine adäquate Kapazitäts- und Prämienhandhabung für Kumulrisiken ist aufgrund der Hebelung solcher Risiken existenziell. Insbesondere für einen Nettozeichner wie BHSI. Daher haben wir auch signifikant in den Auf- und Ausbau eines marktführenden globalen Katastrophen-Modellierungs-Teams unter der Führung von Dr. Akshay Gupta investiert.

Ein weiterer Fokus im Underwriting ist sicherlich ein Höchstmass an Rechtssicherheit. Die Herausforderungen durch die Gegenbewegung zur Globalisierung oder auch die Ukraine-Krise müssen bewältigt werden. Unseren Kunden möglichst gute und rechtssichere Lösungen zu bieten, ohne die eigene «Compliance» oder Reputation zu gefährden, steht hier im Mittelpunkt. 

Die Auswirkungen der Inflation auf die Prämienentwicklung sind sicherlich ein Stück weit spartenspezifisch. 

Leander Metzger

Seit 2018 steigen die Raten in der Industrieversicherung stark an. Zuletzt hat sich diese Dynamik aber verlangsamt. Wie wird sich die Inflation auf den Preiszyklus auswirken?

Die Auswirkungen der Inflation auf die Prämienentwicklung sind sicherlich ein Stück weit spartenspezifisch. Generell müssen jedoch gestiegene Schadenkosten durch höhere Selbstbehalte oder höhere Prämien kompensiert werden. Insbesondere bei den Selbstbehalten besteht des Öfteren Handlungsbedarf, da diese im Vergleich zu den Prämien weniger angepasst wurden.

In einigen Sparten und Betriebsarten machen die derzeitigen Entwicklungen eine schnelle und deutliche Anpassung der Eigentragung bei grossen Industriekunden unabdingbar. So sind in der Sachversicherung für manche Betriebe die Versicherungssummen in der Betriebsunterbrechungsversicherung so stark angestiegen, dass Versicherungsschutz ohne erhebliche zeitliche Selbstbehalte nicht mehr darstellbar ist.

Kapazitäten und Prämien in der Cyberversicherung sind hohen Fluktuationen unterworfen.

Leander Metzger

Sie wollen sich zunächst auf Sach- und Unfallversicherungen sowie Berufshaftpflicht und D&O fokussieren. Wie sehen Sie die Cyberversicherung?

Als BHSI fokussieren wir uns tatsächlich zunächst auf die Bereiche Sachversicherung, Haftpflichtversicherung sowie Financial Lines. Weitere Sparten werden im Laufe der Zeit sicherlich folgen. Wie bereits erwähnt, beginnen wir mit diesen Lines im Segment der industriellen und grossgewerblichen Risiken. Kapazitäten und Prämien in der Cyberversicherung sind hohen Fluktuationen unterworfen. Dies liegt unter anderem auch daran, dass Schadenerwartungen und Kumule schwer einzuschätzen sind.

BHSI bietet als Risikoträger ausschliesslich Nettokapazitäten an. Dies bedeutet, dass wir keinerlei Treaty- oder fakultative Rückversicherung einkaufen. Daher sind wir bei unseren Underwriting-Entscheidungen auf eine möglichst gute und verlässliche Risikoanalyse und einen ausgewogenen Risiko-Dialog mit unseren Kunden angewiesen. Da dies im Bereich der Cyberversicherung nicht immer gegeben ist, verhalten wir uns eher zurückhaltend. Dennoch bietet BHSI auch Lösungen im Bereich der Cyberversicherung an. Dabei beschränken wir derzeit jedoch unser Angebot in diesem Bereich auf Bestandskunden. 

In welchen Branchen sehen Sie in der Schweiz das grösste Potenzial?

Da BHSI nicht auf Rückversicherung angewiesen ist, ist man bei der Zeichnung von Risiken unabhängig. Die Risikoqualität sowie die Bedingungen und Prämien sind folglich Entscheidungskriterien für eine Zeichnung und insoweit für den Risikoappetit. Generell sind es jedoch die etwas komplexeren Risiken, welche in unserem Fokus stehen. Kunden mit einer etwas herausfordernderen Risikostruktur schätzen die Expertise und den Erfahrungsschatz unserer Teams besonders. Des Weiteren sind wir in diesem Kundensegment eher in der Lage, mehr über Lösungen als über Produkte zu sprechen. Ich denke, dass komplexe, individuelle Kunden auch Ansprechpartner mit Fachkompetenz und Entscheidungsbefugnis wertschätzen.

Industrieunternehmen fordern von den Versicherern eine möglichst reibungslose digitale Verwaltung. Wie weit sind Sie bei Berkshire Hathaway International Insurance?

BHSI wurde 2013 als Teil der Berkshire-Hathaway-Versicherungsgruppe neu gegründet. Die Neugründung als Alternative zum Kauf eines existierenden Risikoträgers brachte signifikante Vorteile. So konnte man frei von Altlasten auch im Bereich der IT neue, schnelle und effiziente Systeme und Prozesse aufsetzen. Dies ermöglicht uns auch heute noch den zügigen Auf- und Ausbau der notwendigen und von Kundenseite geforderten Infrastruktur. Basierend darauf machen wir derzeit zum Beispiel grosse Fortschritte in der Implementierung unserer multinationalen Fähigkeiten.