Darum geht's
  • Für viele Schweizerinnen und Schweizer ist eine Einheitskasse kein Tabu mehr.
  • Das Elektronische Patientendossier EPD kommt nicht vom Fleck. Bis es soweit ist, verstreichen noch Jahre.
  • Die vielschichtige Rolle der Kantone im Gesundheitswesen ist vielen ein Dorn im Auge.

Um das Schweizer Gesundheitswesen steht es schlecht. Es krankt an vielen Stellen, wird immer teurer und ineffizienter. Tatsächlich steigen die Gesundheitsausgaben in der Schweiz munter weiter, wie die ETH-Konjunkturforschungsstelle KOF in ihrer Prognose Anfang November 2023 berechnet hat. Zwar stabilisiere sich der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandprodukt (BIP) bei 11,5 Prozent, doch mit durchschnittlich 3,3 Prozent dürfte der Kostenanstieg bis 2025 immer noch deutlich über der prognostizierten Inflationsrate von 2,2 Prozent liegen.

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Viel geredet, wenig passiert

In einem offenen Brief an die neue Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider hat die Gesundheitsstiftung Careum Anfang der Woche den Zustand des Schweizer Gesundheitswesens scharf kritisiert. Jahrelang habe man darüber geredet, wie dieses reformiert werden könnte, die Kosten in den Griff zu bekommen wären. Passiert sei wenig. Dabei würden Ideen auf dem Tisch liegen, sagte Careum-Geschäftsführer Stefan Spycher in einem SRF-Bericht

Von links bis rechts mehren sich die Rufe nach Reformen und Massnahmen, um die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen nachhaltig in den Griff zu bekommen. 

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Dabei geht es im Wesentlichen darum, den technologischen und digitalen Wandel zu ermöglichen, die demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu meistern sowie den Erhalt einer qualitativ hohen und finanziell tragbaren Versorgung und die positive Beeinflussung der Bestimmungsfaktoren der Gesundheit sicherzustellen.

Die Politik wird sich im laufenden Jahr im Rahmen der gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrats 2020 bis 2030 mit folgenden heissen Eisen beschäftigen:

Einheitskasse: Mehrmals vom Tisch, jetzt wieder salonfähig

Die Nationalräte Baptiste Hurni und Pierre-Yves Maillard haben die Debatte um die öffentliche Krankenkasse neu lanciert. Der Vorschlag der SP-Nationalräte sieht vor, dass jeder Kanton eine eigene öffentliche Krankenkasse erhält. Diese wären Teil eines nationalen Konstrukts, die mit den Tarifpartnern verhandeln könnte. Tatsächlich erfährt der Gedanke einer Einheitskasse derzeit breite Zustimmung in der Bevölkerung. Dass die Kostenexplosion bei den Krankenkassenprämien nicht nur ein Problem für den Mittelstand darstellt, zeigt eine Umfrage des Basel Center for Health Economics. Auch für Gutverdienende ist die Einführung einer Einheitskasse denkbar. Das Institut kommt laut einem NZZ-Bericht zum Schluss, dass nahezu 70 Prozent der Schweizer nichts vom Wettbewerb bei den Krankenkassen halten. Laut der repräsentativen Umfrage würden 850 Personen die Idee einer Einheitskasse unterstützen. Auffällig sei, dass es kaum Unterschiede gebe zwischen den Einkommensklassen, lässt sich Studienautor Stefan Felder von der Universität Basel in der NZZ zitieren.

Unterschiedliche Rollen der Kantone

In der Schweiz verfügen die Kantone von Gesetzes wegen über weitgehende Kompetenzen im Gesundheitswesen. Etwa in der Spitalversorgung, der Spitzenmedizin, der Zulassung zur Berufsausübung und der Prävention. Das passt nicht allen. Kritiker monieren, dass die Kantone dadurch in Interessenskonflikte geraten können. Tatsächlich nehmen die Kantone eine Mehrfachrolle ein. Sie sind Leistungsbesteller und -erbringer, Finanzierer, Eigentümer, Planer, Aufsichtsbehörde und Tarifgenehmiger. Kritiker wie die Gesundheitsstiftung Careum forderten jüngst in einem offenen Brief an Gesundheitsminsterin Elisabeth Baume-Schneider, dass sich die Kantone regional zusammenschliessen und die Angebote an Spitälern gemeinsam planen sollten. Das würde sich günstig auf die Effizienz und die Kosten auswirken.

Elektronisches Patientendossier

Im Ausland längst Realität, harzt es in der Schweiz nach wie vor mit einer flächendeckenden Einführung des Elektronischen Patientendossiers (EPD). Auch hier wird der Übeltäter im föderalistischen System vermutet. So habe sich beim EPD der dezentrale Weg alles andere als bewährt, finden etwa die kantonalen Gesundheitsdirektoren. Ein Zusammenschluss der Betreibergesellschaften wäre zielgerichteter. Obschon grundsätzlich für alle Schweizerinnen und Schweizer verfügbar und auch für Spitäler, Geburtshäuser und Pflegeheime verpflichtend, das EPD einzusetzen und alle behandlungsrelevanten Informationen darin einzutragen, machen noch nicht einmal die Hälfte dieser Institutionen mit. In anderen Worten: Das EPD kommt nicht vom Fleck. Und: Die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das EPD befindet sich zurzeit in der Vernehmlassung. Bis zum Abschluss dürften wohl noch Jahre vergehen.

Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen

Es hat insgesamt 14 Jahre gebraucht, bis diese Reform gelang. Aber nun ist sie vollbracht. Am 22. Dezember 2023 wurde Efas von den eidgenössischen Räten verabschiedet. Efas steht für eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen im Bereich der Akutversorgung. Die Reform tritt per 1. Januar 2028 in Kraft – die Pflegeleistungen werden vier Jahre später in die einheitliche Finanzierung integriert. Künftig werden ambulante und stationäre Leistungen aus einer Hand finanziert. 

Bis zum Einbezug der Pflege werden 24,5 Prozent von den Kantonen und 75,5 Prozent von den Versicherern über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) finanziert. Ab 2028 liegt der Verteilschlüssel bei 26,9 Prozent für die Kantone und bei 73,1 Prozent für die Versicherer. Bis dahin werden ambulante und stationäre Leistungen aber wie gewohnt unterschiedlich finanziert: Stationäre Leistungen werden von den Krankenversicherern und Kantonen gemeinsam getragen. Die Kantone übernehmen 55 Prozent der Kosten, die Krankenversicherer 45 Prozent der Kosten. Efas soll dereinst den Prämienanstieg, der durch die Verlagerung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich entsteht, dämpfen, so die vielgeäusserte Hoffnung.

Generika: Günstig, aber nicht genug

Generika spielen eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung. Sie enthalten den gleichen Wirkstoff wie die entsprechenden Originale, sind aber günstiger. Künftig haben diese den Vorrang vor den Originalmedikamenten. Das hat der Bundesrat vergangenen Dezember beschlossen. Damit will er jährlich rund 250 Millionen Franken einsparen.

Im Juli 2024 tritt die Änderung in Kraft und wird einen Einfluss auf die Kosten bei den Medikamenten entfalten. Allerdings ist es damit noch nicht getan. Die Schweiz hat im Vergleich mit europäischen Ländern die mit Abstand teuersten Generikapreise. Schweden, Dänemark und Grossbritannien beispielsweise zahlen durchschnittlich nur rund einen Fünftel des Schweizer Preises. 

Das Gesundheitsdepartement hat viel zu tun und deren Vorsteherin Bunderätin Elisabeth Baume-Schneider dürfte es alles andere als langweilig werden. Der Weg zu den angestrebten 20 Prozent weniger Gesundheitskosten ist noch weit.