Der Managementhaftpflicht-Versicherung (D&O-Versicherung) kommt in Zeiten von Covid-19 eine besondere Bedeutung zu und es ist ratsam, deren Funktionsfähigkeit und dabei insbesondere Ausschlüsse und Einschränkungen zu überprüfen. Es gilt verschiedene Formen des Ausschlusses von Körperschäden zu unterscheiden, und der Ausschluss Personenschaden kann mittels relevanter «Carve-backs» die ausschliessende Sprache aufweichen. Zu achten ist ferner auf neu angebotene Sublimiten zu Deckungen, die bislang nicht adressiert und damit potenziell mit der vollen Versicherungssumme gedeckt sind.

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Höhere Gewalt entbindet nicht von Verantwortung

Auch wenn eine Pandemie, konkret Covid-19, von «höherer Gewalt» ist: «Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen», wie der einschlägige Art. 754 des Obligationenrechts in seinem ersten Absatz umfassend festhält. Während bereits eine leichte Fahrlässigkeit eine Haftung begründet, so stellt der Haftungsbegriff auf die angewendete Sorgfalt der Verantwortlichen ab. Zur rechtlichen Beurteilung entsprechender Sachverhalte wird von den zuständigen Gerichten üblicherweise auf die «Business Judgment Rule» abgestellt und damit auf den Zeitpunkt der Entscheidfindung (ex ante) und die zu diesem Zeitpunkt vorliegende Informationsgrundlage und angewendete Sorgfalt. Der Manager erfährt damit Entlastung, sofern bei der Entscheidfindung eine ausreichende Informationsbasis sichergestellt, gutgläubig gehandelt und ausschliesslich Unternehmensziele verfolgt werden.

Covid-19 ist für die mit der Geschäftsführung betrauten Organe zweifelsohne ein Stresstest und bedeutet neuartige und zusätzliche Restriktionen und Auflagen, die zu befolgen sind. Handlungsoptionen müssen abgewogen, mögliche Konsequenzen antizipiert und die adäquate Kommunikation wohlweislich durchdacht und mit Experten abgestimmt werden – Entscheide müssen gefällt werden und bedeuten zugleich immer auch ein Risiko.

Sorgfaltspflicht auch für Organisation des Betriebs

Das Bundesgericht hat bereits 1994 in einem Entscheid die Trilogie der Sorgfaltspflicht des Leitungsorgans einer Unternehmung um eine vierte Dimension erweitert – die vorliegend wesentliche Sorgfalt in der Betriebsorganisation (cura in organisando). Darunter subsumiert werden die Unternehmensstrukturen mit Statuten, Reglementen und Weisungen. Wichtig zur Mitigation etwaiger Schäden sind dabei auch das Risiko- und Versicherungsmanagement.

Covid-19 hat die Reaktivierung eines funktionsfähigen – oder vielmehr die fieberhafte Ausarbeitung eines oft bis anhin fehlenden – Pandemieaktionsplans und entsprechender Krisenstäbe ausgelöst. Einerseits geht es um den Schutz der Mitarbeitenden, den richtigen Umgang mit Homeoffice, wo möglich, und Betriebsschliessungen, soweit angezeigt, andererseits um die Sicherstellung des unternehmerischen Fortbestehens. Dabei spielen verschiedenste Dimensionen eine Rolle: von Supply Chain Management und einem angepassten Umgang mit Lieferanten über die Überprüfung von Investitionsentscheiden und Kontrollmechanismen bis hin zur Bewältigung von Liquiditätsrisiken und Beantragung staatlicher Finanzhilfen. Eine Nichteinhaltung der in Krisenzeiten akuten Publizitätsvorschriften und eine Kommunikation zur Unzeit oder mit unpassendem Inhalt können empfindliche Ansprüche verschiedener Anspruchsgruppen, allen voran der Aktionäre, begründen. Die Komplexität der Zusammenhänge, die Vielfältigkeit der Anforderungen sowie die teilweise entgegengesetzte Natur der Interessen machen deutlich, was Covid-19 für die Leitungsorgane von Unternehmen risiko- und haftungstechnisch bedeutet. Eine Protokollierung und Nachvollziehbarkeit der Teilschritte und Entscheide ist von grosser Bedeutung.

Policen regelmässig überprüfen

Fehlentscheide können verheerende Vermögensschäden bedeuten und für Leitungsorgane, die grundsätzlich mit ihrem Privatvermögen für verursachte Schäden haften, ruinöse Folgen haben. Unternehmen kaufen deshalb zum Schutz von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat vor finanziellen Folgen rechtlicher Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen in Ausübung ihrer Mandate eine Managementhaftpflicht-Versicherung. Für Ansprüche und Untersuchungsverfahren gegen das Organ übernimmt der D&O-Versicherer für das Organ zunächst die Kosten des rechtlichen Beistands; im Haftungsfall wird auch der Ersatz für den Vermögensschaden bezahlt.

Da es sich bei der D&O-Versicherung um eine Versicherung handelt, die keine «Frequenz-», sondern «Katastrophenschäden» abdeckt, wird sie oftmals jahrelang inhaltlich nicht überprüft. Die Schäden nehmen aber analog zu den Anforderungen an die Organe seitens verschiedener Stakeholder seit Jahren zu und der Deckungsumfang ist an die jeweilige Risikosituation des Unternehmens anzupassen und die Bedingungen mit dem Versicherer je nach Konstitution des Unternehmens individuell zu verhandeln.

Zunahme der Schäden durch Covid-19

Das Versicherungsprodukt «D&O» ist komplex und erfordert Spezialkenntnisse. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass sich der Markt für D&O-Policen in den letzten 1,5 Jahren, nach einer jahrzehntelangen Phase der kontinuierlichen Deckungserweiterung bei gleichzeitig sinkenden Prämien aufgrund ungünstiger Schadenentwicklung vor allem in den USA, aber auch in Europa, punktuell verhärtet hat. Die Verhandlungen mit den Versicherern werden für Versicherungseinkäufer und ihre Berater im aktuellen Umfeld anspruchsvoller – gerade jetzt ist aber eine umfassende und funktionierende Deckung von entscheidender Wichtigkeit. Cyber-Vorfälle, Verstösse gegen das DSG bis hin zu «Me too» haben neuartige D&O-Schadenfälle gebracht. Von einer Zunahme von D&O-Schäden im Zusammenhang mit Covid-19 wegen angeblicher Nicht- oder Fehldarstellung der Auswirkungen des Virus auf ein Unternehmen oder wegen Missmanagement des «Ereignisses» ist auszugehen.

 

Markus Haefeli und Peter Schroeder sind Managing Partner bei der Haefeli & Schroeder Financial Lines AG, dem Spezialbroker für Vermögensschaden-Versicherungen (Financial Lines) in der Schweiz.