Gross wurde es angekündigt und gross waren auch die Erwartungen an die Aufnahme des Futures-Geschäfts mit Bitcoin an der Börse CBOE in Chicago. Gleich zu Beginn des Handels brach der Server unter dem Ansturm der Order zusammen, im weiteren Verlauf musste der Handel zeitweise ausgesetzt werden, weil der Kurs Kapriolen schlug.

Und wie hat sich der Bitcoin-Preis entwickelt? Es ging weiter aufwärts. Das ist nicht besonders erstaunlich, denn immer mehr Anleger drängen in diesen Markt – vor allem aus Asien. Immerhin locken schnelle Gewinne. Wenig erstaunlich auch, dass sich Experten mit der Nennung exorbitanter Kursziele überschlagen.

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Die durch einen Rechtsstreit mit Facebook berühmt gewordenen Winklevoss-Zwillinge schwadronieren mit Blick auf Bitcoin schon von einem Gold-Disruptor und rechnen mittelfristig mit einer Verzehn- bis Verzwanzigfachung des Kurses – zumindest wenn die Kapitalisierung von Bitcoin mit der von Gold gleichzöge.

Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank in Deutschland, hat ebenfalls mit dem Taschenrechner gespielt. Er wird von der Nachrichtenagentur Reuters mit der Hochrechnung zitiert, dass ein Bitcoin theoretisch 220'000 Dollar wert sei, falls alle Geldbewegungen der G7-Nationen in der Kryptowährung abgerechnet würden. Als Zahlungsmittel taugt Bitcoin bisher allerdings nicht.

Wenig Möglichkeiten zu shorten

Und Steen Jakobsen, CIO der Saxo Bank, hat in den «Outrageous Predictions 2018» argumentiert, dass der Höhenflug von Bitcoin durch den nun entstehenden Futures-Markt beflügelt würde. Seine Prognose lautet: 60 000 Dollar pro Bitcoin sind im Laufe des kommenden Jahres möglich. Solche exorbitanten Preissteigerungen scheinen aus Sicht vieler Bitcoin-Optimisten auch deshalb realistisch zu sein, weil es nicht viele Möglichkeiten gibt, Bitcoin mit traditionellen Finanzprodukten zu shorten, respektive auf eine Abwertung zu spekulieren.

Das sogenannte Margin Trading ist die häufigste Form, mit der auf Kursverluste bei Bitcoin spekuliert wird. Wer keine Bitcoins sein eigen nennt und dennoch auf Kursverluste wetten wollte, hatte bislang nur die Wahl zwischen wenigen Short-CFD, also Contracts for Difference, und strukturierten Produkten wie Short-Mini-Futures mit der Kryptowährung als Basiswert.

Noch in der Prüfungsphase

Mit der Lancierung des Bitcoin-Futures in Chicago wird das Angebot für Anleger nun erweitert. Aber auch mit dem CBOE-Future ist es laut Manuel Dürr, Head Public Distribution Structured Products Leonteq, nur eingeschränkt möglich, auf sinkende Kurse zu spekulieren. Nur wenige Institute bieten zum aktuellen Zeitpunkt an, Bitcoin-Kontrakte an der CBOE zu shorten. Interactivebrokers ist so ein Anbieter. Ursprünglich wollte deren Chef, Thomas Peterffy, nur Long-Positionen akzeptieren.

Denn falls die Bitcoin-Kurse weiter so rasant steigen wie zuletzt, häufen Short-Spekulanten rasch riesige Verluste an. Deshalb verlangt Interactivebrokers hohe Sicherheiten von den Anlegern. Gerüchteweise soll auch Goldman Sachs ausgewählten Kunden ermöglichen, Bitcoin à la baisse zu spielen. Viele andere Banken, sowohl in der Schweiz als auch weltweit, stehen noch abseits und prüfen, ob sie ihren Kunden Zugang zu Bitcoin-Futures ermöglichen.

Welcher Future setzt sich durch?

Die Haltung vieler Finanzinstitute hat wohl auch damit zu tun, dass sie wohl erst abwarten wollen, welcher der Bitcoin-Futures sich mittelfristig durchsetzen wird. Denn das Angebot wird wachsen: Die Börse CME in Chicago hat bereits angekündigt, kommende Woche einen Future auf Bitcoin anzubieten. Und auch die US-Technologiebörse Nasdaq soll ein solches Angebot angeblich prüfen.

Im Futures-Geschäft vereint meist ein Kontrakt einen Grossteil des Handelsvolumens auf sich – gemäss der Losung «the winner takes it all». Bis es allerdings bei Bitcoin soweit ist, wird es sicherlich noch einige Monate oder länger dauern. Erst dann wird auch der Einfluss des Futures-Markts auf die Preisentwicklung von Bitcoin besser absehbar sein. Gut möglich ist, dass der BitcoinKurs mit einem reifer und liquider werdenden Terminhandel doch unter Druck kommt, weil traditionelle Finanzmarktteilnehmer gross in der Anlageklasse aktiv werden. Eric Blattmann, Head Public Distribution Financial Products der Bank Vontobel, rechnet damit, dass Marktbewegungen von Bitcoin durch Termingeschäfte akzentuiert werden könnten.

Bisher haben sich Anleger meist die Finger verbrannt, wenn sie gegen Bitcoin wetteten. So haben bereits einige Mini-Futures von Vontobel und Leonteq ihre jeweiligen Stop-Loss-Level erreicht. Das heisst: Diese Produkte wurden an die Anleger frühzeitig mit Verlust zurückbezahlt. Vontobel hat derzeit drei Short-Produkte auf Bitcoin ausstehend, wobei eines sehr nahe am Stop-Loss-Level handelt. Die anderen beiden Zertifikate handeln rund 20 und rund 50 Prozent über den jeweiligen Stop-Loss-Levels. Falls auch diese Zertifikate ausgeknockt würden, wird Vontobel weiter neue Short-Produkte auflegen – zur Komplettierung des Angebots.

«Die Volatilität ist aussergewöhnlich hoch»

Zur eigenen Absicherung verrechnen die Emittenten von Short-Mini-Futures die Short- mit den Long-Positionen der ausstehenden Produkte. Im Derivate-Jargon nennt sich das Netting. Und um die Verpflichtungen, die sich aus den Long-Produkten ergeben, zu erfüllen, kauft Vontobel direkt Bitcoins an den Krypto-Börsen. Leonteq verfährt ebenso.

Angesprochen auf die Emission von Hebelprodukten auf Kryptowährungen sagt Leonteq-Mann Manuel Dürr: «Die Volatilität von Bitcoin ist aussergewöhnlich hoch, sodass die Emission von Hebelprodukten mit erhöhten Risiken für Investoren und Emittenten verbunden ist. Wir haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geplant, Hebelprodukte auf Bitcoin zu lancieren.» Und auch Produkte auf die zweitgrösste Krypto-Blockchain Ethereum sind derzeit kein Thema.

Das Aufkommen von Futures auf Bitcoin wird in den kommenden Monaten sicherlich dazu führen, dass das Angebot an Finanzprodukten in der Bitcoin-Welt zunimmt. Wie lange der Bitcoin-Aufwärtstrend noch anhält, ist wohl die am schwierigsten zu beantwortende Frage. Bestimmt hält der Trend so lange an, wie sich ein noch grösserer Trottel finden lässt, der in virtuelle Coins ohne intrinsischen Wert investieren will.

Dem Anstieg folgt der jähe Absturz

Saxo-Experte Steen Jakobsen rechnet derweil für 2018 nicht nur mit einem rasanten Anstieg des Bitcoin-Werts, sondern ebenfalls mit einem jähen Absturz im weiteren Jahresverlauf – bis auf rund 1000 Dollar. Das entspräche in etwa den Produktions-, sprich Stromkosten, die zur Erzeugung eines Bitcoins derzeit benötigt werden. Teils wird der faire Preis von Bitcoin mit den «Mining»-Kosten zu ermitteln versucht. Doch das ergibt letztlich keinen Sinn. Denn der Preis von Bitcoin wird einzig durch die Nachfrage und das Angebot bestimmt. Würde der Preis unter die Gestehungskosten sinken, würden sicherlich keine Coins mehr geschürft.

Tim Höfinghoff
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