Letzten November kämpfte Christine Novakovic mit den Tränen. Im grossen Saal des Münchner BMW-Forschungszentrums wurde es mucksmäuschenstill, als Deutschlands einstige Managerin des Jahres von ihrer Sorge um ein schwerkrankes Familienmitglied erzählte.Anwesende erkannten in Novakovic eine Frau, die trotz steiler Karriere Mensch geblieben ist. «Aufrichtig, herzlich, mit ehrlichen Gefühlen» habe die Referentin auf ihn gewirkt, sagt Christian Müller, der den Anlass als Fotograf begleitete. «So war auch ihre Rede, die alle in den Bann gezogen hatte.»

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Emotionen im Scheinwerferlicht - das war schon immer ein Markenzeichen der 46-jährigen Managerin, die im Bankgeschäft hoch aufgestiegen und tief gefallen war. Nun fängt sie bei der UBS wieder von vorne an. Sie leitet seit letztem Januar das Schweizer Firmenkundengeschäft mit 1250 Mitarbeitenden, ein für die Zukunft der Bank zentrales Feld. Die UBS ist dort Marktführerin, verdient aber zu wenig.

Die Rückkehr auf eine Spitzenposition in der Bankbranche kam überraschend. Noch bei ihrem Münchner Auftritt trat die aus einer Südtiroler Hoteliersfamilie stammende Novakovic als Ex-Bankerin auf, die geläutert vom einstigen Drang nach Ruhm und Macht ein neues Dasein als freischaffende Kunsthändlerin aufbaut.

Widersprüche wie dieser ziehen sich wie ein roter Faden durch die Karriere von Novakovic, in Deutschland besser bekannt als Christine Licci, ihrem Namen aus erster Ehe. Wie Politikern scheinen ihr frühere Aussagen unerheblich, und sie versteht es meisterhaft, ihre Vergangenheit in der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu rücken. «Sie verbrachte 50 Prozent ihrer Zeit mit Journalisten», meint dazu ein deutscher Banker, der Novakovic, Karriere verfolgte und nur anonym Stellung nehmen will. Diese Bühne sei ihr immer wichtig gewesen.

Novakovic selber stand für ein Gespräch mit der «Handelszeitung» aber nicht zur Verfügung. Ein UBS-Sprecher begründete dies mit der Absicht, man wolle die neue Managerin erst in ein paar Monaten der Öffentlichkeit vorstellen.

Der Traum vom Schwanensee

Einst hatte sie von anderen Auftritten geträumt im Konzertsaal oder auf der Ballett-Bühne. Doch daraus wurde nichts. «Meine Mutter hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht», verriet sie dem «Querdenker»-Magazin. Aufgewachsen in Kastelruht, einem deutschsprachigen Dorf bei Bozen, studierte Novakovic später an der Bocconi-Wirtschaftsuniversität. Der Hinweis auf die renommierte Mailänder Bildungsstätte fehlt auf Novakovic, Wikipedia-Eintrag ebenso wenig wie die anderen Etappen, die auf eine stolze Karriere hinweisen. Auch der neue UBS-Job ist bereits aufgeführt.

Der Einstieg ins Banking gelang Novakovic 1990 im Alter von 26 Jahren als Trainee bei der deutschen Dresdner Bank. Zwei Jahre später wechselte sie zur UBS Frankfurt ins Investment Banking. Für ihren kometenhaften Aufstieg war aber der Sprung zur Deutschland-Filiale des amerikanischen Finanzmultis Citibank entscheidend. Ab 1996 besetzte Novakovic dort Managerjobs, anfänglich im Handel, ab 2001 als Chefin des Privatkundengeschäfts in der Vermögensverwaltung.

Liebling der Medien

In dieser Position, mit der sie zunehmend öffentliche Beachtung fand, arbeitete Novakovic geschickt an ihrer Selbst-vermarktung. Zwar hatten ihre Vorgänger den Grundstein zum Erfolg gelegt. Doch die Medien zeichneten nun das Bild einer Über-Bankerin, die Gewinne und Marktanteile durch innovative Ideen steigerte. Im Herbst 2003 kürte sie die deutsche «Wirtschaftswoche» gar zur «Managerin des Jahres».

Sieben Monate später stand Novakovic auf der Strasse. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, eine neue Aufgabe anzutreten», liess sie sich in einem Communiqué der Bank zitieren. Die Knall-auf-Fall-Ablösung durch eine Amerikanerin deutete jedoch eher auf eine Absetzung hin. Den Exit bei der Citibank steckte Novakovic aber unbeschadet weg.

Ende 2004, wenige Monate später, wurde sie in den Vorstand der Hypovereinsbank berufen, der damaligen Nummer zwei der deutschen Bankbranche. Dort übernahm sie die Leitung der Privatkunden im wichtigen Heimmarkt. Ein dramatischer Aufstieg, sagt ein deutscher Investment-Banker. Bei der Citibank sei Novakovic mehrere Stufen unterhalb der Konzernleitung gestanden. Bei der Hypovereinsbank gehörte sie zum obersten operativen Management.

Beschleunigt hatte sich aber nicht nur der Aufstieg, sondern auch die Halbwertszeit. Die Hypovereinsbank fusionierte im Sommer 2005 mit dem italienischen Finanzriesen Unicredit. Vermutlich drohte Novakovic übergangen zu werden. Im November ging sie von Bord. Selbst schilderte die Managerin ihren zweiten Abschied innert kurzer Zeit als freien Entscheid. «Ich habe immer mit offenen Karten gespielt und wollte einer Berufung in den künftigen Vorstand mit meiner Entscheidung zuvorkommen», begründete sie damals in der «Welt am Sonntag».

Diesmal sollte der Abschied vom Banking länger dauern. Aus Licci wurde Novakovic, Ehefrau von Stan, einem Zürcher Headhunter, der sie später mit dem Kunsthändler Claudius Ochsner von Barr & Ochsner bekannt machte. Dort wurde sie neue Partnerin. Vom Spiel mit den Medien konnte Frau Novakovic aber auch als selbstständige Unternehmerin nicht lassen. «Wenn ich sehe, was da jetzt passiert, dann macht mir mein neuer Job noch mehr Spass», sagte sie der «Zeit» im Frühling 2008, als die Finanzkrise einen ersten Höhepunkt erreichte.

Paradiesvogel trifft stillen Schaffer

Dann war erstmals auch die Rede von einem Buch , das sie schreiben sollte. «Wir müssen keine Helden sein», sollte es heissen und im Herbst 2009 erscheinen. Doch obwohl ISBN-Nummer und Kurzbeschrieb vorliegen, wartet der Buchhandel immer noch auf die Auslieferung. Auch sonst bleiben die Spuren, die Novakovic in dieser Zeit hinterliess, überschaubar.

Im Kunsthandel agierte sie auf der Plattform ihres Partners und gründete nebenher mit Südtiroler Kaderkollegen eine Technologiefirma in Zug, die Social-Network-Applikationen anbietet. Auf der Internetseite fehlt jedoch nicht nur der Hinweis auf bisherige Projekte, sondern auch eine Telefonnummer.

Mit viel Elan macht sich Novakovic nun bei der UBS an die Arbeit. Ein Manager ihres Bereichs lobt ihren Drive. Novakovic übe harte Kritik, und wer nicht liefere, kriege kaum zwei Wochen Zeit zur Nachbesserung. «Es weht ein frischer Wind», so der Kadermann.

Das ist auch nötig. Die UBS ist im Geschäft mit kleinen und grossen Firmenkunden in der Schweiz mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent zwar mit Abstand führend. Die Credit Suisse folgt mit 17 Prozent. Trotzdem erziele die Bank mit den drei Schlüsseln im Logo lediglich etwa den gleichen Vorsteuergewinn wie die CS, nämlich rund 900 Millionen Franken, hört man in der Branche. Die UBS wies für 2010 offiziell nur Zahlen für den kombinierten Firmen- und Kleinkundenbereich aus: 1,8 Milliarden. Novakovic, Erfahrung mit Kleinkunden aus der Zeit bei der Citibank könnte da helfen.

Erste sichtbare Präsenz markierte Novakovic mit einem Beitrag in einem UBS-Kundenmagazin, diesen Monat folgt ein Auftritt an einem UBS-Anlass, an dem auch Chef Oswald (Ossi) Grübel dabei sein wird. Novakovic, Verpflichtung passt dabei zu früheren Personalentscheiden des Konzernlenkers. Grübel setzt auf bekannte Namen wie Schweiz-Kommunikations-Chef Peter Hartmeier (Ex-Chefredaktor), Europa-Chef Sergio Ermotti (zuvor Kronprinz für den Unicredit-Spitzenjob) und USA-Leiter Robert McCann (bekannter Ex-Merrill-Lynch-Banker).

Diese Mannschaft klingender Namen komplettiert Grübel mit Leuten wie Schweiz-Chef Lukas Gähwiler, einem seriösen Schaffer, der wenig Aufhebens um sich selber macht. Ob er mit Paradiesvögeln wie Novakovic die Bank im wichtigen Heimmarkt Schweiz weiterbringt oder ob es zum Hahnenkampf kommt, muss sich erst noch weisen. Die UBS jedenfalls wäre nach ihren durchzogenen Resultaten auf ein wirkungsvolles Führungstandem in der Heimat dringend angewiesen.