Wenn Grossbritannien am 29. März 2019 den Brexit vollzieht, können die in London ansässigen Banken ihr EU-Geschäft nicht mehr aus der britischen Hauptstadt abwickeln. Das Ringen der europäischen Finanzplätze um Marktanteile und damit verbunden Arbeitsplätze ist in vollem Gange. Lange galt Frankfurt als Favorit. 

Doch der deutsche Finanzplatz konkurriert mit anderen europäischen Standorten wie Mailand, Amsterdam, Luxemburg und Dublin, aber vor allem Paris. Der vergleichsweise strenge Kündigungsschutz in Deutschland ist eines der Hindernisse. Zudem gilt Frankfurt bei vielen Bankern als nicht attraktiv genug im Vergleich zur internationalen Finanzmetropole London

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

In Deutschland selbst argumentieren Viele, dass Frankfurt bereits ein etablierter Finanzplatz und Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) sei – ein Vorteil gegenüber der französischen Hauptstadt. Rund 20 Finanzinstitute haben entschieden, nach Frankfurt umzuziehen oder ihr Geschäft an der Mainmetropole auszubauen. Allerdings bekam Paris etwas Aufwind als die EU entschied, die Europäische Bankenaufsicht (EBA) mit ihren rund 200 Mitarbeitenden aus London an die Seine zu verlagern

Auch die Schweizer Banken, die in London präsent sind, müssen ihr EU-Geschäft nach dem Brexit verlagern. Ausser den Grossbanken Credit Suisse und UBS sind nach Meinung von Bankexperten die hiesigen Finanzinstitute allerdings noch nicht gut darauf vorbereitet. CS und UBS verlagern relativ kleine Mitarbeiterzahlen von London nach Frankfurt.

Regierungen werden aktiv

Gerade machte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sich erneut für den Finanzstandort Frankfurt stark. So will die Berliner Regierung den Kündigungsschutz von gutverdienenden Bankern lockern, um Deutschland attraktiver für internationale Grossbanken zu machen. 

In Frankreich wird ebenso aktiv um die Finanz- und Versicherungsbranche in Grossbritannien geworben. Anfang des Jahres hatte der französische Präsident Emmanuel Macron Vertreter der internationalen Finanzwelt nach Paris geladen, um für den Standort zu werben. Die grösste Zusage für Paris kommt bisher von der britischen Bank HSBC: bis zu 1000 Stellen sollen von London nach Paris verlegt werden.

Paris Brexit Kampagne

«Tired of the fog? Try the frogs!»: Werbekampagne des Pariser Business-Viertels La Défense um Londoner Banker.

Quelle: Paris La Defense

Auch die US-Grossbanken Citigroup, Morgan Stanley, Goldman Sachs und die Bank of America sowie der Vermögensverwalter Blackrock wollen den Pariser Standort aufwerten. Viele setzen aber nicht ausschliesslich auf Paris, sondern wollen gleichzeitig ihre Präsenz in Frankfurt stärken, etwa Goldman Sachs und Morgan Stanley

Eine Umfrage der Nachrichtenagentur «Reuters» unter 119 Finanzfirmen ergab, dass 5000 Jobs wegen des Brexit aus London abgezogen und innerhalb der EU neu geschaffen werden sollen – vor einem Jahr war die Branche noch von doppelt so vielen ausgegangen. Danach sollen die meisten Arbeitsplätze in Paris entstehen, nämlich 2280 gegenüber 1420 in Frankfurt, 612 in Dublin und 407 in Luxemburg.

Frankfurt buhlt um Euro-Clearing

Einer der Knackpunkte beim bevorstehenden Brexit ist die Frage, in welche Stadt das sogenannte Euro-Clearing verlagert wird. Über das Euro-Clearing werden Wertpapierhandelsgeschäfte in Euro abgewickelt. Und zwar an der Londoner Börse, wo derzeit täglich bis zu einer Billion Euro gehandelt werden.

Wenn das Euro-Clearing aus Grossbritannien nach dem Brexit in die EU verlagert würde, könnte das wesentlich mehr Arbeitsplätze in London kosten als die teilweise recht überschaubaren Stellenverlagerungen einzelner Banken. Bundeskanzlerin Merkel will daher die Abwicklung von Euro-Clearing-Geschäften nach Frankfurt holen.

Allerdings hat Frankfurt einer neuen Studie zufolge kräftig aufzuholen: Der Londoner Thinktank «New Financial» hat die Finanzsektoren von 48 Ländern verglichen. Dabei wurden insbesondere Kriterien wie die Bilanzsumme der Banken, Börsengänge und Unternehmenskredite berücksichtigt, aber auch die Grösse des Finanzmarkts sowie dessen internationale Orientierung.

Frankfurt und Paris reichen London nicht das Wasser

Führend sind demnach die USA – mit einigem Abstand folgen Grossbritannien, China, Japan und Hongkong. Bestes kontinentaleuropäisches Land ist Luxemburg auf Platz 6, gefolgt von Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Was das internationale Banking angeht, kann keine der europäischen Finanzplätze mit London Schritt halten. Die internationalen Finanzaktivitäten der City sind dreimal höher als in Frankfurt und viermal höher als in Paris.

Frankfurt Skyline

Frankfurt: Die deutsche Finanzmetropole beherbergt die Europäische Zentralbank.

Quelle: Keystone .

Die Studienautoren stellen fest, dass andere Finanzzentren nach dem Brexit zwar profitieren können, kommen aber zu dem Schluss, dass weder Paris noch Frankfurt London als internationales Finanzzentrum ablösen werden. Denn auch nach dem Brexit wäre der britische Finanzsektor immer noch doppelt so gross wie die europäischen Wettbewerber.

Keine Ausnahme für Finanzdienstleistungen

Solange es noch keine Einigung zwischen Grossbritannien und der EU gibt, bleibt letztendlich offen, wie genau der Brexit sich auf den Finanzsektor auswirken wird. Jüngst hatte die britische Regierung in den Verhandlungen mit der EU den Marktzugang für Finanzinstitute von ausserhalb der EU gefordert.

Die Verhandlungsführer der EU sind jedoch weiterhin gegen eine Sonderbehandlung für Finanzdienstleistungen in den Brexit-Verhandlungen. Äquivalenz-Entscheidungen will die EU erst nach Ablauf der Übergangsfrist bis Ende 2020 treffen. Eine Frage, die übrigens auch für die Schweiz von grösster Bedeutung ist.