Uwe Schmidt konnte es kaum glauben. Am Wochenende war er zum ersten Mal beim Pferderennen. Nur so zum Spass setzte Schmidt 5 Euro auf einen totalen Aussenseiter. Entsprechend abenteuerlich war die Quote. 1:37 boten die Buchmacher auf Sieg, es winkten 185 Euro Gewinn.

Wochentags ist Uwe Schmidt engagierter Privatanleger und hantiert nach Feierabend mit Aktien und Optionsscheinen. Zurzeit wettet er beispielsweise mit einem Put auf einen Rückgang des Euro Bund Future. 3700% Rendite wie bei Pferderennen aber sind selbst mit den kühnsten Derivate-Konstruktionen kaum möglich. Sollte es sich nicht also doch lohnen, gelegentlich ins Casino zu gehen, zumal die Börse zurzeit ohnehin eher einem Glücksspiel gleicht?

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Massive Kursausschläge

Seit dem Beschluss über das erste Hilfspaket für Griechenland sind die Märkte derart verunsichert über Staatsschulden und Konjunkturentwicklung, dass bislang unbeachtete Nachrichten, ob gut oder schlecht, für massive Kursausschläge sorgen. Innerhalb eines Monats hat der SMI über 400 Punkte verloren, wieder gewonnen und erneut verloren. Der Volatilitäts-Index VSMI erreichte zuletzt neue Jahreshöchststände.

Das Vertrauen in die Aktie als Instrument für Vorsorge-Sparer wird so nicht eben gestärkt. Ein Vergleich mit den Klassikern des Glücksspiels zeigt, dass jeder Anleger, der feststehende Wahrscheinlichkeiten bevorzugt, dort fast besser aufgehoben wäre.

«Börsenkurs-Veränderungen sind relativ zufällig und so gut wie unvorhersehbar», sagt Walter Krämer, Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund. Die Wahrscheinlichkeit, dass der DAX morgen steigt, liege bei 50%. Ebenso wahrscheinlich sei es, dass er fällt.

Chance wie beim Roulette

Diese Quote erinnert an die Felder «schwarz» und «rot» beim Roulette. Da beim Roulettekessel noch die Null im Spiel ist, liegt die Gewinnwahrscheinlichkeit bei 48,6%. Leider entspricht auch das nicht einmal der Auszahlquote, da die Spielbank stets einen Teil des Gewinns einbehält. Am deutlichsten wird das, wenn man auf eine der 37 Zahlen setzt und gewinnt. In der Regel wird der Einsatz dann nur mit 35 multipliziert. Da der Einsatz mit zurückgezahlt wird, bleiben 2,7% bei der Bank. Das jedoch entspricht beim Depot-Sparer fast schon einer üblichen Summe aus Transaktions-, Depot- und Verwaltungskosten.

Unterschlägt man Faktoren wie Dividendenausschüttungen oder die Tatsache, dass Aktien länger als nur für die Dauer eines «Spiels», also eines Handelstags, gehalten werden können, macht man am Roulettetisch einen ähnlich guten Schnitt wie an der Börse. Mit einer wichtigen Einschränkung: Beim Roulette lauert permanent der «Risk of Ruin»: Da die Gewinnchance beim Roulette immer kleiner ist als 50%, führt endlos langes Spielen theoretisch zum Bankrott.

Doch selbst wenn der Anleger länger an seinem Investment festhält, steigt damit nicht zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn. Der Grund: Laut Krämer gibt es kaum einen professionellen Marktteilnehmer, der nicht alle notwendigen Informationen über Firmen und Konjunktur hat und so eine Outperformance erzielen könnte.

Die Profis an der Börse werden von moderner IT unterstützt. Am Pokertisch fällt dieses Hilfsmittel flach. Zwar hat hier jeder nur die Gewissheit über seine Karten. Aber wer gut trainiert ist, hat einen Informationsvorsprung und anders als an der Börse (Insiderhandel ausgenommen) macht sich dieser bezahlt. Poker ist damit kein reines Glücksspiel. Dennoch gibt es am Aktienmarkt laut Experte Krämer doch einige statistische Gewissheiten. Eine davon: Aktien, die eine hohe Kovarianz zum Markt aufweisen, also ähnlich auf und ab tickern wie die meisten anderen, bergen auch eine etwas höhere Chance auf Kurssteigerungen.

Die Weisheiten der Glücksspiel-Varianten lassen sich auch am Aktienmarkt anwenden: Langfristig investieren, möglichst viele Informationen sammeln und einige Statistiken berücksichtigen. So sind - und das bestätigt selbst Walter Krämer - jedes Jahr 2% mehr Rendite möglich als mit Bundesschatzbriefen.