Anfang Oktober beschloss die Swatch Group den Wechsel in der Rechnungslegung vom internationalen Standard IFRS zurück auf Swiss Gaap Fer. Im Interview mit der «Handelszeitung» kritisierte Swatch-Chef Nick Hayek die IFRS-Regeln. Verstehen Sie den Entscheid von Swatch?

Conrad Meyer:
Grundsätzlich verstehe ich die Kritik. Auch ich habe registriert, dass IFRS den Firmen immer detailliertere Regelungen vorgibt und sich von Buchhaltungsprinzipien immer weiter entfernt.

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Alleine die Leitlinien vorzugeben reichte wohl einfach nicht mehr.
Es ist eine Philosophiefrage. Insbesondere in den USA ist es üblich, dass Fehler und Missstände neue Regelungen hervorrufen. In diesem Punkt nähert sich IFRS klar dem amerikanischen Standard US Gaap an. Unsere Buchhaltungsprinzipien orientieren sich nicht an Fehlern und regeln keine Einzelheiten. Dadurch ist Swiss Gaap Fer viel einfacher in der Handhabung. Welches System sich in der Realität besser bewährt, konnte bisher empirisch nicht eindeutig bewiesen werden.

Swatch hat nun aber mehr Einfluss auf die Ausgestaltung der Standards.
Generell finde ich es positiv, wenn Interesse an der Ausgestaltung der Rechnungslegungsvorschriften gezeigt wird. Der Einfluss von Swatch wird aber klein bleiben, denn die für die Gestaltung der Fer relevante Fachkommission ist breit abgestützt und besteht aus 30 Personen, darunter Anwender, Wirtschaftsprüfer, Analysten, Investoren und Professoren.

Was macht Swiss Gaap Fer einfacher als IFRS?
Swiss Gaap Fer regelt die Probleme als Ganzes und nicht die einzelnen Ausprägungen. Dies macht die Rechnungslegung übersichtlicher und verständlicher. Eigentlich gilt dieser Anspruch auch für die IFRS. Doch IFRS hat das Ziel, eine weltweite Vergleichbarkeit der Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen. Dies scheint nur über eine Annäherung an die US Gaap möglich, da dieser Standard für amerikanische Firmen nach wie vor zwingend ist, um an einer US-Börse kotiert zu sein. IFRS sucht nach Ansehen auch in den USA.

Mit welchen zusätzlichen Vorschriften wartet IFRS nun auf?
Eine zentrale Neuerung betrifft eine strengere Regelung der Pensionskassenverpflichtungen. Daneben werden auf nächstes Jahr neue Bestimmungen zu Fair Values, zur Konsolidierung und zur Erfassung von Joint Ventures sowie von Investitionen in assoziierte Gesellschaften in Kraft treten. Tatsächlich werden die IFRS-Regelungen laufend angepasst. Gegenüber einem solchen Vorgehen gibt es in der Schweiz eine gewisse Abwehrhaltung.

Kann sich Swatch den Wechsel zurück auf Swiss Gaap Fer überhaupt leisten?
Eine Konsequenz ist, dass Swatch an der Schweizer Börse SIX ins Domestic Segment wechseln muss. Ansonsten wird sich kaum etwas ändern. Bisher haben 23 zumeist kleinere Firmen denselben Schritt vollzogen. Von negativen Konsequenzen habe ich nichts mitbekommen.

Auch nicht von Anlegern, denen so die Vergleichbarkeit mit anderen Firmen fehlt?
Wahrscheinlich kennen internationale Investoren Swiss Gaap Fer tatsächlich weniger gut als IFRS. Dass die Aktien der Unternehmen deswegen weniger gekauft und anders bewertet würden, konnte man aber nicht feststellen.

Die Rückbesinnung auf nationale Rechnungslegungsvorschriften schadet aber der globalen Vergleichbarkeit der Abschlüsse.
Man darf die Entwicklung nicht dramatisieren, wenn einzelne Konzerne zurück zu Swiss Gaap Fer wechseln. Swatch hat angekündigt, dass sie dieselbe Informationspolitik verfolgen wird wie bisher. Alles andere wäre wohl eine schlechte Strategie. Dennoch könnte es für IFRS ein Signal sein, dass viele Unternehmen mit der aktuellen Entwicklung nicht einverstanden sind.

Ist eine globale Vergleichbarkeit der Abschlüsse überhaupt ein realistisches Ziel?
Die globale Vergleichbarkeit ist ein Ideal. Ein Vergleich eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum bringt mehr als eine Gegenüberstellung verschiedener Firmen zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Reicht denn Swiss Gaap Fer, um ein Unternehmen zu beurteilen?
In allen zentralen Fragen bieten Swiss Gaap Fer und IFRS eigentlich die gleichen Lösungen an. Unser Standard umfasst keine alten Rezepte, welche nicht mehr taugen, sie sind einfach nicht so filigran geregelt.

 

Standards

Swiss Gaap Fer
Die Swiss Gaap (Generally Accepted Accounting Principles) Fer bestehen aus einem Rahmenkonzept, den Kern-Fer, weiteren Standards sowie Swiss Gaap Fer 30 für Konzerngruppen.

IFRS
Die International Financial Reporting Standards (IFRS) werden vom International Accounting Standards Board herausgegeben.

Conrad Meyer
Der 1949 geborene Professor an der Universität Zürich ist Präsident der Fachkommission für Empfehlungen zur Rechnungslegung Swiss Gaap Fer (Fer).