Die Euphorie währte nur ein Wochenende. Am Freitag vor einer Woche gab der US-amerikanische Lebensmittelkonzern Kraft Heinz bekannt, den britisch-niederländischen Konsumgüterhersteller Unilever übernehmen zu wollen. Kraft Heinz bot gigantische 143 Milliarden US-Dollar. Marktbeobachter witterten bereits eine Mega-Fusion innerhalb der Konsumgüterbranche.

Dann, am Montag, zog Kraft Heinz sein Angebot wieder zurück, nachdem Unilever die Übernahme dankend abgelehnt hatte: Der britisch-niederländische Hersteller von Langnese-Eis, Dove-Körperpflegeprodukten und Lipton-Tee fand sich mit dem Angebot «fundamental unterbewertet». Die Fusion mit Kraft Heinz sei weder finanziell noch strategisch sinnvoll, teilte das Unternehmen mit. Bei Anlegern sorgte die Mitteilung über die geplatzte Elefantenhochzeit für Unmut: Nach Bekanntwerden war der Kurs des Unilever-Valors noch um 13 Prozent nach oben geschossen. Als Kraft Heinz sein Kaufangebot zurückzog, verlor der Titel in kürzester Zeit 8 Prozent.

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Skepsis von Anlegerseite

Inzwischen hat der Unilever-Kurs sich wieder etwas erholt, der ganz grosse Absturz ist ausgeblieben. Anleger sollten sich allerdings gut überlegen, ob sie den Rückgang zum Einstieg nutzen wollen: Analysten sind skeptisch, ob der britisch-niederländische Konzern sich im schwieriger werdenden Marktumfeld der Konsumgüterbranche langfristig behaupten kann.

Das Unternehmen konnte im Jahr 2016 zwar aus eigener Kraft um 3,7 Prozent wachsen, hatte jedoch in den vergangenen Monaten mit einem schwierigen Geschäftsumfeld in den wichtigen Absatzmärkten Indien und Brasilien zu kämpfen. Daran dürfte sich mittelfristig nichts ändern. Konzernchef Paul Polman kündigte schon im Januar an, dass das Wachstum des Konzerns im Jahresverlauf nur langsam Fahrt aufnehmen werde.

Weckruf für Unilever

So oder so dürfte der Übernahmeversuch durch Kraft Heinz für den Unilever-Chef ein Weckruf sein. Denn in den vergangenen zwei Jahren konnte das Unternehmen seinen Wert kaum steigern, wenn man die Entwicklung des Aktienkurses als Gradmesser nimmt.

Unilever gerate nach der gescheiterten Übernahme unter zunehmenden Druck, so die Analysten der Credit Suisse. Sie schliessen allerdings nicht aus, dass das Unternehmen zukünftig selbst grössere Firmenübernahmen tätigt. Die Credit Suisse stuft den Unilever-Titel derzeit mit «Neutral» ein und hat das Kursziel leicht von 40 auf 42 Euro erhöht. Echter Optimismus sieht anders aus.

«Wert für Aktionäre schaffen»

Anleger sollten die Unilever-Aktie auf dem aktuellen Niveau verkaufen, findet Patrik Schwendimann, Analyst der Zürcher Kantonalbank (ZKB): «Zwar steht Unilever jetzt unter Druck, selbst noch mehr zu unternehmen, um einen Wert für seine Aktionäre zu schaffen. Jedoch sind jüngste Übernahmen in der Nahrungsmittelindustrie auch ein Zeichen, dass wegen des schwierigen Branchenumfelds das Heil in Kostensenkungen gesucht wird.»

Laut Michael Winkler, ebenfalls Analyst der ZKB, hätte sich die Übernahme für den US-Ketchup-Hersteller Kraft Heinz gelohnt. Der Konzern hätte vor allem mit Blick auf die Schwellenländer-Präsenz von Unilever den geringen Umsatzanteil von 10 Prozent dort ausweiten können.

Bereitschaft für Milliardeninvestitionen

Nach dem Übernahme-Angebot an Unilever ist eines klar: Trotz der eher «lauwarmen Zahlen des vierten Quartals 2016» ist das Unternehmen gewillt, Milliarden US-Dollar in Übernahmen zu investieren. Das Angebot an Unilever ist zwar vorerst zurückgezogen, Spekulationen zufolge scheint eine Übernahme des europäischen Konzerns jedoch noch nicht ganz vom Tisch zu sein. Laut eines Kraft-Heinz-Sprechers ist «die Schaffung eines Konsumgüterkonzerns, der langfristig wachsen kann» das Ziel. Die ZKB hat den Titel der Kraft Heinz Company zwar zuletzt heruntergestuft, Analysten zufolge lädt der geringere Kurs der Aktie Anleger jedoch dazu ein, Investments zu wagen.

Kraft Heinz, als «gnadenloser Kostensenker» bekannt, steht gut da. In naher Zukunft werden sicherlich neue Angebote und konkrete Ziele publik gemacht. Der Konzern zeigt mehr Mut, wird wahrscheinlich vor Unilever Pläne in die Tat umsetzen. Wer also ein Investment wagen möchte, sollte sich eher an Kraft Heinz halten als an Unilever.


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