Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
William Hobbs*: Die Entscheidung der britischen Wähler, die EU zu verlassen, löst beträchtliche Sorgen über die Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft aus. Es hängt jetzt viel davon ab, wie die politischen Entscheidungsträger auf beiden Seiten des Ärmelkanals auf diese Situation reagieren. Nach meiner Einschätzung werden aber mit Blick auf die nächsten sechs bis zwölf Monate eher die - gemeinhin immer noch unterschätzten – Aussichten für Wachstum und Inflation den wahrscheinlich grösseren Einfluss auf die Anlageerträge haben als die allgemeine politische Lage.

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Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Das ist immer schwierig vorauszusagen. Für die Aktienmarktrenditen gilt allgemein: Je kürzer die Haltezeit, desto ausgeglichener sind die Chancen einen Verlust oder einen Gewinn zu realisieren. Wenn wir beispielsweise die Erträge des MSCI World seit 1969 betrachten, dann liegt bei einer Haltedauer von einem Monat die Wahrscheinlichkeit bei 39 Prozent, dass ein Verlust erzielt wird. Liegt die Haltedauer allerdings bei fünf Jahren, fällt die Verlust-Wahrscheinlichkeit auf nur noch 11 Prozent. Dessen ungeachtet beobachte ich bei den Anlegern eher eine wachsende Bereitschaft, künftig mehr Risiken einzugehen. Dies legt die Vermutung nahe, dass sich Aktien kurzfristig ordentlich entwickeln sollten.

Wo steht der SMI in 12 Monaten?
Wir haben keine fixen Kursziele für die Aktienmärkte, aber ich erwarte für das Jahr 2016, dass die Renditen auf Anlagen in Aktien aus Industrieländern im hohen einstelligen Prozentbereich liegen sollten. Das dürfte auch für den Schweizer Aktienmarkt gelten.

Wo sehen Sie derzeit Anlagechancen?
Weltweit werden Wachstums- und Inflationskräfte stark unterschätzt. Hier lässt sich beobachten, dass diejenigen Anleger belohnt werden, die bereit sind, in gewissem Umfang Aktien- und Kreditrisiken in Kauf zu nehmen. Vor dem Hintergrund des neuerlichen Anleihekaufprogramms der EZB erscheinen uns Teile des Junk-Bond-Marktes in Europa sehr interessant. Gleichwohl richten ich auch künftig mein taktisches Augenmerk überwiegend auf die Aktien aus Industrieländern.

Von welchem Investment müssen Anleger die Finger lassen?
Der weitere Verfall der Renditen bei Staatsanleihen weltweit und die Tatsache, dass immer mehr dieser Anlagen in den Negativzinsbereich abrutschen, hat meine Überzeugung gefestigt, dass sich für Anleger in dieser Anlageklasse in den kommenden Jahren nur schwer Realerträge erzielen lassen - auch angesichts einer nur vereinzelt aufflackernden Inflation.

Lohnt es sich aktuell in Gold zu investieren?
Wir raten unseren Kunden auch weiterhin, den Goldanteil in ihrem Anlageportfolio auf einen tiefen einstelligen Prozentbereich zu begrenzen. Der kürzlich starke Anstieg des Goldpreises fällt zusammen mit einem weiteren Rückgang der realen Anleihenrenditen. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend in den kommenden Quartalen und Jahren umkehren wird. In dem Masse, wie die realen Renditen sicherer Anlageklassen künftig steigen werden, wird Gold, das keinerlei Cashflow oder Zinsen abwirft, an Attraktivität verlieren.

Wovon wurden Sie jüngst positiv oder negativ überrascht?
Vom Referendum in Grossbritannien!

*William Hobbs ist Head of Investment Strategy UK and Europe bei der Barclays Bank. Er hat mehr als zehn Jahre Erfahrung im Finanzsektor und arbeitet seit Oktober 2005 für Barclays, wo er zu Beginn im Equity Research Team den globalen Konsum-Sektor abdeckte.