Begehrtes Edelmetall: Zentralbanken horten jetzt noch mehr Gold

Seit 2010 äufnen die Zentralbanken weltweit ihre Goldreserven. Diese Einkaufstour setzt sich auch im laufenden Jahr fort – und zwar mit Schwung. Zusammengenommen kauften die Notenbanken 228 Tonnen zu, so viel wie noch nie in einem ersten Quartal. Noch höher waren die Käufe allerdings in den beiden letzten Quartalen 2022, wie das World Gold Council, die Lobbyorganisation der Branche meldet. Im letzten Jahr hatten die Zentralbanken eine rekordhohe Menge von 1078 Tonnen Gold erworben und dadurch die Preise stark nach oben getrieben. Stand Donnerstagmorgen kostete die Feinunze 2035 Dollar und notierte damit nur leicht unter dem Rekordpreis von 2075 Dollar vom Sommer 2020. Grösste Käufer zu Jahresbeginn waren die Zentralbanken von Singapur, der Volksrepublik China, der Türkei und von Indien. Russland hingegen hat sich laut den offiziellen Zahlen vom Gold getrennt – wobei diese Information mit Vorsicht zu geniessen ist. Laut Expertinnen und Experten füllt Russland seit Jahren die Tresore, obwohl das nicht aus den Statistiken hervorgeht. Ohnehin dürften die Einkäufe von Zentralbanken grösser sein als gemeldet, weil nebst Russland wohl auch China und andere staatliche Akteure in teils intransparenter Weise das Edelmetall erwerben. Der Appetit der Notenbanker auf Gold liegt unter anderem an der geopolitischen Unsicherheit und der Inflation. Das Edelmetall gilt als sicherer Wert, bei dem sich der Preis relativ unabhängig von der Bewertung anderer Anlageklassen entwickelt, die Strategie heisst also Portfoliodiversifikation. «Gold weist keine oder nur sehr geringe Korrelation zu anderen Anlageklassen auf», sagt Carsten Fritsch, Edelmetallanalyst bei der Commerzbank. Die Zentralbanken versuchten, sich gegen das Risiko von Sanktionen zu wappnen, glaubt Fritsch. Dieses bestehe vor allem beim Dollar, wie die letzten Jahre gezeigt hätten. «Gewisse Zentralbanken wollen deshalb die Abhängigkeit vom Dollar reduzieren», sagt Fritsch. Allerdings beweist das Beispiel Russland, dass auch im Goldmarkt Sanktionen drohen. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine dürfen die Länder, die an den Sanktionen des Westens teilnehmen, von der russischen Zentralbank kein Gold mehr kaufen. Wladimir Putins Regime kann somit nur noch eingeschränkt mit dem Edelmetall handeln. Bei der Einkaufstour der Zentralbanken ist kein Ende in Sicht: So rechnen laut einer Umfrage von HSBC Reserve Management Trends bei 83 Zentralbanken über zwei Drittel damit, dass ihre Schwesterinstitutionen die Reserven aufstocken werden. Die UBS erwartet in einer aktuellen Analyse Zukäufe der Zentralbanken von etwa 750 Tonnen in diesem Jahr. «Damit würde sich das Tempo der Zukäufe zwar etwas verlangsamen, in der Summe wäre es immer noch das grösste Volumen seit dem Rekord vom letzten Jahr.»