Die deutsche Industrie hat im Januar trotz der Sorgen wegen der Ausbreitung des Coronavirus das grösste Auftragsplus seit fünfeinhalb Jahren geschafft. Die Bestellungen legten vor allem wegen Grossaufträgen aus dem Ausland um 5,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat zu.

«Das ist der stärkste Anstieg seit Juli 2014», wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten hingegen nur mit einem Wachstum von 1,4 Prozent gerechnet, nachdem es im Vormonat noch einen Rückgang von 2,1 Prozent gegeben hatte.

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«Der Anstieg ist insbesondere im Luft- und Raumfahrzeugbau und im Maschinenbau auf Grossaufträge zurückzuführen», erklärte das Statistische Bundesamt dazu. Aber auch ohne Berücksichtung von Grossaufträgen hätte es ein Plus von 2,3 Prozent gegeben, «was auf eine gute allgemeine Auftragslage in vielen Wirtschaftszweigen zurückgeht».

Einfluss des Coronavirus

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat das Jahr wegen der Coronavirus-Epidemie bereits abgeschrieben. «Die Industriekonjunktur dürfte auch im laufenden Jahr in der Rezession verharren und sich zu der längsten seit der Wiedervereinigung ausweiten», heisst es im aktuellen Quartalsbericht.

«Nicht Brexit, nicht Trump, sondern das Coronavirus und seine weltweite Verbreitung haben derzeit den grössten negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland». Die Industrie schrumpfte schon vor dem Virus-Ausbruch sechs Quartale in Folge - vor allem wegen der schwächeren Weltkonjunktur, aber auch wegen der Probleme in der Autoindustrie.

Die Aufträge aus dem Inland fielen im Januar um 1,3 Prozent zum Vormonat. Die Bestellungen aus dem Ausland zogen hingegen um 10,5 Prozent an. Dabei nahmen die Aufträge aus der Euro-Zone um 15,1 Prozent, die aus dem restlichen Ausland um 7,8 Prozent zu.

Das sagen Ökonomen

Ralph Solveen, Commerzbank:

«Auch wenn dies zu einem beträchtlichen Teil auf Großaufträge zurückzuführen ist und zudem eine Gegenbewegung zum sehr schwachen Dezember darstellt, unterstreichen die Zahlen doch, dass sich die deutsche Industrie zu Jahresbeginn stabilisiert hatte.

Keine Schlüsse lassen sich aus den heutigen Zahlen auf den Effekt des Coronavirus ziehen. Wir gehen davon aus, dass dieser die Industrie ab dem Februar merklich belastet hat und gehen deshalb davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal trotz des guten Starts leicht geschrumpft ist. Die Auftragseingänge dürften im Februar deutlich gefallen sein, einmal als Gegenbewegung zu dem starken Januar-Anstieg und wegen der ersten Auswirkungen des Coronavirus.»

Andreas Scheuerle, Dekabank:

«Die Auftragseingänge waren gut. Es steckt aber wohl ein nicht unwesentlicher Sonderfaktor darin: Letzten Monat berichtete das Statistische Bundesamt, dass Maschinenbauaufträge zu spät gemeldet wurden. Es erfolgte aber keine Revision. Ich bin überzeugt, dass diese im Januar verbucht wurden. Damit ist der Dezember unter- und der Januar überzeichnet.»

Jens-Oliver Niklasch, LBBW: 

«Der kräftige Anstieg ist natürlich eine gute Nachricht für die deutsche Konjunktur. Vermutlich gab es hier einen Nachholeffekt aufgrund der Lage der Feiertage Ende vergangenen Jahres, der durch die übliche Saisonbereinigung nicht erfasst wurde. Unser damaliger Pessimismus war folglich nicht ganz berechtigt. Im Moment dürften Zahlen aus der Vor-Corona-Ära die Finanzmärkte aber vergleichsweise kalt lassen.»

Bastian Hepperle, Bankhaus Lampe:

«Ein Silberstreif am Auftragshorizont, aber leider kein Zeichen für eine nun spürbare Konjunkturbelebung. Erfreulich ist zwar, dass sich auch ohne Grossaufträge die Lage zu Jahresbeginn verbessert hat. Doch wegen des Coronavirus sind weitere Störungen im Produktionsablauf und beim Auftragseingang vorgezeichnet. Die Industrierezession hält an, und ein Aufwärtstrend wird weiter auf sich warten lassen.» 

(awp/reuters/mlo)