Der Schweizer Wirtschaftsmotor läuft aktuell noch immer ziemlich auf Hochtouren. Doch die Risiken nehmen zu: Vor allem der Ukraine-Krieg, die anhaltenden Lieferkettenprobleme und die hohe Inflation könnten die Konjunktur ins Stottern bringen.

In dem am Donnerstag veröffentlichen «UBS Outlook Schweiz» geben sich die Ökonomen der Grossbank aber noch relativ zuversichtlich. Sie bestätigten jedenfalls ihre BIP-Prognose von 2,5 Prozent Wachstum für das laufende Jahr und 1,5 Prozent für das kommende Jahr. 2022 werde vor allem noch durch Nachholeffekte aus der Corona-Krise geprägt sein, wohingegen 2023 wieder ein normales Wachstumsniveau erreicht werden soll, lautet die Einschätzung.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die aktuell noch gute Gesamtsituation wird auch durch den Geschäftslageindikator der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) untermauert. Dieser ist im April auf den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren gestiegen. Vor allem durch die nachholende Entwicklung nach dem Einbruch in der Corona-Pandemie werde das Wachstum befeuert, teilte die KOF am Donnerstag mit.

Getrieben wird die Erholung demnach weiterhin massgeblich durch die Erholung im Gastgewerbe und bei Dienstleistungen. Auch die Geschäftslage bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen hat sich von einem Einbruch im März 2022 wieder deutlich erholt.

Gas-Lieferstopp könnte Rezession auslösen

Ungeachtet der guten Aussichten haben aber auch die Risiken zugenommen. «Wir sind in einer Zeit grosser Unsicherheiten», ordnete UBS-Chefökonom Daniel Kalt die UBS-Prognose bei der Präsentation ein. Auch «das Schreckgespenst Rezession ist noch nicht aus der Welt», sagte UBS-Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse zur aktuellen Situation.

Das grösste Risiko für Europa und indirekt auch die Schweiz stelle derzeit eine Unterbrechung der Energie- und insbesondere Gaslieferungen aus Russland dar. Vor allem wenn Russland die Energielieferungen plötzlich einstellen sollte, dürfte die Eurozone kurzfristig in eine Rezession abrutschen.

Die Schweiz werde von Energiekürzungen zwar weniger stark betroffen sein, aber eine starke Konjunkturabkühlung beim wichtigsten Handelspartner dürfte auch hierzulande zu einer starken Abschwächung führen, meinen die Ökonomen der Grossbank. Gebe es kein Energieembargo, sei hingegen ein "solides Wachstum" in Europa zu erwarten, wenn auch dieses nicht mehr so stark ausfallen dürfte wie zu Jahresbeginn erhofft.

Verschärfung der Lieferkettensituation

Gegenwind für die Schweizer Konjunktur gibt es derzeit auch durch Engpässe bei den globalen Lieferketten. Kurzfristig erwarten die UBS-Ökonomen diesbezüglich sogar eine weitere Verschärfung der Lage durch die Energiesanktionen gegen Russland und die Corona-Massnahmen in China.

Über Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten berichteten auch mehr als die Hälfte der Firmen in der KOF-Erhebung. Besonders ausgeprägt sei der Mangel im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie bei den Herstellern im Bereich Datenverarbeitungsgeräte Elektro, Optik.

Der starke Anstieg der Ölpreise hat auch die Inflation auf neue Höchststände getrieben. Die weitere Entwicklung hängt aber auch hier von den Bewegungen an den Rohstoffmärkten ab. Gemäss den UBS-Experten könnte die Inflation ihren Zenit im ersten Halbjahr überschreiten, wenn die europäischen Sanktionen nicht zu einem kompletten Stopp von russischer Energie nach Europa führen.

Wichtig für den weiteren Verlauf der Inflation wird auch die nachholende Entwicklung bei den Löhnen sein. Laut der Prognose ist das Risiko für eine weitere Befeuerung der Inflation durch sogenannte Zweitrundeneffekte in der Schweiz derzeit aber geringer als etwa in den USA.

Leitzinserhöhungen erwartet

Durch die hohe Inflation sind auch die Zentralbanken weltweit gefragt. Erst am Mittwoch erhöhte etwa die US-Notenbank Fed die Leitzinsen um 0,50 Prozentpunkte auf eine Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent. Bis Jahresende prognostizieren die UBS-Ökonomen sogar einen Anstieg auf über 2 Prozent.

Bei der Europäische Zentralbank gehen die Ökonomen derweil von zwei Zinsschritten bis Jahresende aus. Im Windschatten dieser Entscheidungen könnte auch die Schweizerische Nationalbank die Leitzinsen gegen Jahresende erhöhen. Bis März 2023 erwarten die UBS-Ökonomen einen Anstieg des Leitzinses von derzeit -0,75 Prozent auf -0,25 Prozent.

(awp/tdr)