Die EZB muss die Zinsen aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel im Kampf gegen die Rekordinflation weiter kräftig anheben. «Wenn es zehn Prozent Inflation, aber nur 1,25 Prozent Zinsen gibt, dann ist für mich der Handlungsbedarf klar», sagte Nagel der «Süddeutschen Zeitung» in einem am Freitag veröffentlichten Interview. «Ja, die Zinsen müssen weiter steigen - und zwar deutlich», fügte er hinzu. Die Inflation im Euro-Raum war im September auf zehn Prozent geklettert - das höchste Niveau seit es den Euro gibt. Der Leitzins in der Euro-Zone liegt momentan bei 1,25 Prozent.

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Die Inflation sei zunächst zum guten Teil von aussen getrieben, sagte Nagel. Aber sie betreffe mittlerweile einen grossen Teil des Warenkorbs. «Wir müssen daher hartnäckiger sein als die Inflation und entschlossen handeln», führte er aus. «Wir werden verhindern, dass sich diese hohe Inflation verfestigt.» Dafür brauche es ausreichend starke und schnelle Reaktionen. «Von den nächsten Sitzungen des EZB-Rats müssen deutliche Signale ausgehen», forderte er.

Auf ihrer September-Sitzung hatte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre drei Schlüsselsätze in einem ungewöhnlichen XXL-Schritt um jeweils 0,75 Prozentpunkte angehoben. Zuletzt hatten sich immer mehr EZB-Währungshüter wegen des anhaltenden Inflationsschubs für einen erneuten Mega-Zinsschritt auf der kommenden Zinssitzung am 27. Oktober ausgesprochen. Die EZB strebt mittelfristig zwei Prozent Inflation an. Davon ist die Euro-Notenbank aktuell sehr weit entfernt.

EZB muss Anleihebestände zurückfahren

Es gebe einen Energiepreisschock, an dessen Wirkung die Notenbank kurzfristig nicht viel ändern könne. Die Geldpolitik könne aber verhindern, dass er überspringe und sich breit verfestige. «Damit knacken wir die Inflationsdynamik und bringen die Preisentwicklung auf unser mittelfristiges Ziel. Dafür haben wir die Instrumente, insbesondere Zinserhöhungen.» Nagel sprach sich zudem dafür aus, dass sich die EZB auch mit Thema einer Verringerung der durch die jahrelangen Anleihenkäufe aufgeblähten Notenbank-Bilanz beschäftigt. «Auf Sicht muss das Eurosystem auch seine Anleihebestände zurückfahren», sagte er. Einen Zeitpunkt dafür nannte Nagel allerdings nicht.

Die EZB hatte auf ihrem Treffen in Zypern das Thema angeschnitten, wie Nagels EZB-Ratskollege Peter Kazimir am Donnerstag via Twitter mitteilte. Der Bilanzabbau über eine Verringerung von Anleihenbeständen wird in der Fachwelt als «quantitative Straffung» (QT - Quantitative Tightening) bezeichnet. Bislang stellt die EZB allerdings in Aussicht, auslaufende Anleihen aus ihrem Ankaufprogramm APP auch nach der ersten Zinserhöhung für eine längere Zeit wieder durch neue Anleihen zu ersetzen. Beim Anleihenkaufprogramm PEPP sollen auslaufende Anleihen bis mindestens Ende 2024 wieder ersetzt werden.

Nagel erwartet, dass infolge des Ukraine-Kriegs die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nur noch zwischen 1,3 und 1,5 Prozent wächst. «2023 wird die Entwicklung flach sein», fügte er hinzu. «Ja, vielleicht eine Null oder ein leichter Rückgang» sagte er. Nagel bekräftigte zudem frühere Prognosen, nach denen in diesem Jahr die Inflation in Deutschland auf über acht Prozent steigen wird. Für das Jahr 2023 hält Nagel eine sechs vor dem Komma für realistisch.

(Reuters/Ink)