Geldpolitik-Treffen der Währungshüter in Jackson Hole: Das Dilemma von Jerome Powell

Das World Economic Forum der Währungshüter steht an: In der Einöde von Wyoming trifft der US-amerikanische Fed-Chef Jerome Powell auf die Währungshüter anderer Länder. Das alles beherrschende Thema: die Inflation. Das preistreibende Ungeheuer hat seine Fesseln abgestreift und treibt weltweit sein Unwesen. Am stärksten wütet das Biest in Argentinien, der Türkei und in Venezuela. Das hat in erster Linie innenpolitische Gründe. Von diesen drei Ländern abgesehen, kämpfen einige europäische Nationen mit den im globalen Vergleich höchsten Inflationsraten, darunter das Vereinigte Königreich, wo die US-Grossbank Citi bereits Inflations-Spitzenwerte von fast 19 Prozent prophezeit. Die höheren Preise sind ein Problem. Sie fressen Erspartes auf, schlagen ein Loch ins Budget der sozial Schwachen und kreieren politische Grabenkämpfe. Sie sorgen für einen Preisschock an der Tankstelle, beim Einkaufen und im Lieblingsrestaurant. Vor allem aber sorgen sie für ein Klima der Unsicherheit. Das Wirtschaftswachstum ist in Gefahr. Denn die Notenbanker stehen vor der Entscheidung, die Zinsen weiter anzuheben. Das wirkt der Inflation entgegen. Das kann aber auch den Wirtschaftsmotor abwürgen und die Rezession heraufbeschwören. Livestream via Youtube Die zentrale Figur beim Treffen am Fusse des 4200 Meter hohen Grand Teton ist denn Jerome Powell, der Präsident der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed). Seine Rede vom Freitag wird via Youtube live in die ganze Welt übertragen. Sein Manuskript geht im PDF-Format innert Sekunden um den Globus. Powell hat die Kraft, die Märkte abstürzen oder klettern zu lassen. Die Rede wird den Höhepunkt der zweitägigen Konferenz markieren. Der Inhalt ist noch unbekannt, aber die Wall Street setzte zuletzt darauf, dass Powell etwas Tempo rausnimmt. Und das hat grosses Konfliktpotenzial: Wenn Powell Stärke markiert und eine harte Straffung befürwortet, erwischt er einige Wall-Street-Vertreter auf dem falschen Fuss. Diese Angst hat den US-Börsen am Montag den schwärzesten Tag seit Juni beschert. Aber beugt Powell sich dem Druck und verlangsamt das Tempo der geldpolitischen Straffung, läuft er Gefahr, allzu wankelmütig zu sein. Das Gefecht begann Ende Juli. Die Federal Reserve kündigte eine Erhöhung des Zinses um 0,75 Prozentpunkte an, gleichzeitig signalisierte die Notenbank, dass sie den schnellsten Zinserhöhungszyklus seit den 1980er Jahren bald verlassen könnte. Es «wird wahrscheinlich angemessen sein», das Anhebungstempo der Fed zu verlangsamen, wenn die Zinssätze beginnen, die Wirtschaft einzuschränken, und sich das Wachstum verlangsamt, sagte der Vorsitzende Jerome Powell auf einer Pressekonferenz damals. Börse im Zwischenhoch Diese Änderung war Musik in den Ohren der Anlegerinnen und Anleger. Die aggressiven Zinserhöhungen haben die Aktienmärkte im Jahr 2022 unter Druck gesetzt, da höhere Zinssätze die Kreditaufnahme verteuern und damit die Schuldenlast der Unternehmen erhöhen. Die Anlegenden werteten die Äusserungen Powells als einen Hinweis, dass eine Kursänderung bevorstehen könnte, entsprechend zogen die Kurse rasch an. Die Rally steht aber im Widerspruch zu den Zielen der Fed. Die Zinserhöhungen der Zentralbank zielen darauf ab, die Inflation durch eine allgemeine Verschärfung der finanziellen Bedingungen abzukühlen. Doch die Reaktion des Marktes auf die Pressekonferenz im Juli hat diese Bedingungen ausdrücklich gelockert. Die Aktienkurse stiegen, die Wall Street hat den besten Quartalsstart seit 1932 hingelegt, die Renditen der Staatsanleihen sanken und die Kreditkosten gingen zurück. Ein Kater droht Steigende Aktienwerte und billigere Kredite ermutigen die Amerikanerinnen und Amerikaner, mehr auszugeben. Dadurch droht sich die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage zu vergrössern und die Inflation auf einem 40-Jahres-Hoch zu halten. Beamte der Fed haben sich deshalb beeilt, die Dinge richtigzustellen. «Prognosen, wonach die Fed ihre Zinserhöhungen drastisch verlangsamen und 2023 mit Zinssenkungen beginnen wird, sind mir ein Rätsel», sagte etwa Mary Daly, Präsidentin der Fed von San Francisco, in einem Interview mit CNBC. Sie fügte hinzu, dass der Zinserhöhungszyklus der Zentralbank «noch lange nicht abgeschlossen» sei. Das Tauziehen geht also weiter. Die Diskrepanz zwischen den Märkten und der Fed besteht. Und sie könnte im Extremfall in einer Lohn-Preis-Spirale enden, die den Rückgang der Inflation praktisch unmöglich machen wird. In diesem Fall wäre die Glaubwürdigkeit von Powell dahin, das Ziel der Preisstabilität bliebe unerreicht.