Helvetica-Chef Hans Holdener im Interview: «Unser Immobilienbestand wird durch die träge Raumplanung immer wertvoller»

Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Hans Holdener. Er ist Gründer und Leiter der Zürcher Immobiliengesellschaft Helvetica. Die Verkaufspreise von Mehrfamilienhäusern – Renditeimmobilien – sinken. Wie tief werden sie fallen? Das ist ein temporäres Phänomen und wird nicht lange Bestand haben, weil der Schweizer Wohnimmobilienmarkt seit zwanzig Jahren ein Ungleichgewicht aufweist. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Konkret haben sich die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung stets als zu konservativ erwiesen mit dem Effekt, dass weiterhin zu wenige neue Liegenschaften in der Pipeline sind. Das wird deshalb langfristig zu steigenden Preisen führen. Durch die Zinswende und die damit verbundene temporären Unsicherheit kann es aber sein, dass wir kurzfristig eine Verschnaufpause oder gar eine Korrektur sehen werden. Das wäre eine ideale Gelegenheit, Portfolios weiter auszubauen. Ich bin überzeugt, dass Mehrfamilienhäuser in zwei Jahrzehnten deutlich mehr wert sein werden als heute. Das ist für mich als langfristig orientierter Investor «matchentscheidend». Zu Beginn Ihrer Karriere vermieteten Sie möblierte Wohnungen. Wie attraktiv ist der Markt für Furnished Apartments aktuell in der Schweiz – wo orten Sie die Chancen und Risiken in dieser Marktnische? Der Markt für möblierte Appartements ist grundsätzlich attraktiv, weil er Chancen auf mehreren Ebenen bietet. So ist die Wettbewerbsintensität noch vergleichsweise gering, es besteht eine positive Renditedifferenz zu klassischen Mietwohnungen und Mietzinse können flexibler angepasst werden, weil sich dieses Segment ausserhalb des ordentlichen Mietgesetzes befindet. Künftig erachte ich insbesondere eine verstärkte Automatisierung sowie das Branding als zentral an, denn damit könnte das Geschäft beispielsweise für eine sich organisierende Hotelbranche interessant werden. Aus Risikoperspektive ist vor allem die hohe Mieterfluktuation eine Herausforderung, weil diese mit höheren Kosten und damit einem negativen Einfluss auf die Rendite verbunden ist. Verschiedene an der Schweizer Börse gehandelte Immobilienfonds – darunter auch Ihr Helvetica Swiss Commercial-Fonds – weisen ein Disagio vor, der Buchwert der Immobilien (NAV) liegt also über dem Aktienkurs. Ist das aus Ihrer Sicht ein Problem? Es ist eine Chance, denn die aktuelle Bewertung ist irrational. Der SWIIT-Index der kotierten Immobilienfonds (sämtliche börsengehandelten Immobilienfonds) hat rund 20 Prozent an Wert verloren, obwohl die Wirtschaftsaussichten in der Schweiz nach wie vor gut sind und ein strukturelles Angebotsproblem besteht, das die Bewertungen stützt. Das gilt auch für unseren Helvetica Swiss Commercial Fund, der bestens positioniert ist. Neue Mietverträge können wir zu substanziell höheren Mietzinsen abschliessen und Anlegende profitieren vom Umstand, dass nahezu alle Mietverträge indexiert sind. Deshalb ist jetzt ein guter Zeitpunkt, einzusteigen und von diesem Abschlag zum NAV zu profitieren. Wo sehen Sie interessante Nischen im Immobilienmarkt für Investorinnen und Investoren? Alle Immobiliensektoren in der Schweiz haben Potenzial. Die aktuellen Bewertungen an der Börse bieten langfristig orientierten Anlegerinnen und Anlegern gute Chancen, sei es bei Wohnen oder bei kommerziellen Nutzungen. Zudem gehe ich davon aus, dass sich die Globalisierung abschwächt, Abhängigkeiten reduziert werden und wieder vermehrt lokal agiert wird. Ein solches Revival des Lokalen hätte enorme Auswirkungen auf den Immobilienmarkt, denn mit der Wiederansiedlung von Forschung, Entwicklung und vor allem auch Produktion im eigenen Land ginge ein enormer Flächenbedarf einher, der heute noch nicht angeboten wird. Das sagen Profis zur Situation im Immobilienmarkt Den Zinsanstieg merken die Makler beim Verkauf: Der Kaufprozess ist länger geworden. Aber die Preise bleiben hoch. Das Bauen in der Schweiz wird durch die immer strengere Raumplanung und andere gesetzgeberische Hürden schwieriger. Wird der Markt aus Ihrer Sicht zu stark reguliert? Absolut. Seit Jahren frage ich mich, ob Politik und Behörden wirklich am gleichen Strick ziehen. Gerade in Sachen Bevölkerungswachstum oder Zuwanderung scheint dies nicht der Fall zu sein. Für uns als Immobilieninvestoren ist dies lukrativ, weil unser Bestand durch die träge Raumplanung immer wertvoller wird. Für die Schweiz als Land ist die fehlende Weitsicht aber problematisch. Wie gross – beziehungsweise wie klein – ist die Gefahr eines Immobiliencrashs aktuell? Ich sehe kein Risiko für eine solche Entwicklung. Ich kann mich nur wiederholen: Die Fundamentaldaten der Schweiz sind so robust und gesund wie nie zuvor. Der Online-Handel setzt dem klassischen Detailhandel zu. Ist es schwierig geworden, für freie Ladenflächen Mieterinnen und Mieter zu finden? Man muss differenzieren. Die Reise- oder die Bekleidungsbranche haben über den Online-Handel einen Boom erlebt. Deswegen ist der klassische Detailhandel aber keineswegs tot, im Gegenteil. So hat mittlerweile Amazon eigene Läden eröffnet und Ikea entwickelt City-Pläne. Innovative Konzepte sind gefragt und werden von den Konsumentinnen und Konsumenten geschätzt und wahrgenommen. Schauen Sie zum Beispiel nach Tokio, ein hochinnovativer Standort mit blühender Detailhandelsinfrastruktur. Wie in jedem Markt trennt sich auch im Detailhandel der Spreu vom Weizen. Wie zuversichtlich sind Sie für die Zukunft von Einkaufszentren? Durch die strenge Raumplanung und die politischen Verhältnisse werden neue Einkaufszentren nahezu verunmöglicht. Das finde ich in diesem Falle aber gut, denn mir ist eine belebte Stadt oder ein belebtes Dorf persönlich wichtiger als ein anonymes Einkaufszentrum auf der grünen Wiese. Für die Besitzer von Einkaufszentren sind diese Rahmenbedingungen aber eine gute Nachricht, es wird kaum neue Konkurrenz geben im gleichen Segment. Hans Holdener beantwortete die Fragen schriftlich.