Die US-Notenbank Federal Reserve hat ihren Leitzins erstmals seit fast zehn Jahren wieder erhöht. Er wird auf eine Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent angehoben, wie die Fed am Mittwoch verkündete. Seit Dezember 2008 lag der Schlüsselsatz für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld zwischen null und 0,25 Prozent. Experten sagten in ersten Reaktionen:

DAVID FOLKERTS-LANDAU, CHEFÖKONOM DEUTSCHE BANK:

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«Die Entscheidung der Fed, die Zinsen zum ersten Mal seit fast zehn Jahren zu erhöhen, ist ein historischer Moment. Die Zinsanhebung markiert das offizielle Ende der globalen Finanzkrise für die USA und bildet den Auftakt zu einer Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik.

Dieser Schritt wurde allgemein erwartet. Vor dem Hintergrund, dass auf dem US-Arbeitsmarkt nahezu Vollbeschäftigung herrscht und im kommenden Jahr ein Anstieg der Inflation erwartet wird, war eine Anhebung der Zinsen längst überfällig.

Diejenigen, die die Zinsanpassung kritisch sehen, lassen ausser Acht, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durchaus Zinssätze zwischen zwei und drei Prozent und eine Fed-Bilanz ohne Überschussreserven rechtfertigen - eine Zinspolitik, die weit entfernt vom Krisenmodus ist, der selbst heute noch dominiert.»

JÖRG KRÄMER, CHEFÖKONOM DER COMMERZBANK:

«Der Lohnanstieg sollte sich wegen der niedrigen Arbeitslosenquote allmählich beschleunigen, so dass die Fed ihren Leitzins im kommenden Jahr weiter anheben wird. Wir erwarten bis Ende 2016 drei Zinserhöhungen auf dann 1,25 Prozent. Spätestens nach der zweiten Erhöhung wird der Markt seine Erwartung von nur sporadischen Zinserhöhungen aufgeben. Dann dürfte der Dollar deutlich aufwerten, worauf die Fed mit einer kurzen Zinserhöhungspause reagieren dürfte.»

MARTIN WANSLEBEN, DIHK-HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER:

«Diese Entscheidung der Fed war fällig. Angesichts der guten wirtschaftlichen Situation können die USA einen langsamen Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes gut verkraften. Die Auswirkungen auf die Schwellenmärkte dürften begrenzt bleiben, solange die Notenbank nur moderat an der Zinsschraube dreht. Insgesamt wird die Erhöhung zwar nicht ganz ohne kurzfristige Folgen bleiben. Allerdings sind diese leichter verkraftbar als die Risiken neuer Finanzmarktblasen.

Die Entscheidung der Amerikaner dürfte es zudem der EZB erleichtern, ihren übertriebenen Aktionismus der letzten Monate zu überdenken. Denn Geld zum Nulltarif allein lässt die Unternehmen hierzulande nicht investieren, dazu brauchen sie vielmehr bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen.»

ISABEL SCHNABEL, WIRTSCHAFTSWEISE:

«Die Zinswende war überfällig, aber die Erhöhung ist nur ein erster Schritt. Entscheidend ist nun, wie schnell die Zinsen weiter angehoben werden. Die Fed hat angekündigt, vorsichtig vorzugehen, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Die Niedrigzinsphase ist also auch in den USA noch lange nicht zu Ende, und die Jagd nach Rendite geht weiter.»

HANS-WERNER SINN, PRÄSIDENT IFO-INSTITUT:

«Das wurde aber auch wirklich Zeit. Durch die jahrelange Nullzinspolitik hat der Zins seine Kontrollfunktion verloren, mit der unterschieden wird zwischen rentablen und unrentablen Objekten. Das ist ökonomenschaftlich schlecht, denn es verführt zu dem Irrtum, die Ressourcen seien unbegrenzt. Zu niedrige Zinsen führen auch zu Vermögensblasen, die später platzen und die Banken in Not bringen können.»

STEFAN KOOTHS, INSTITUT FÜR WELTWIRTSCHAFT:

«Klar ist, dass sich im Zuge der Normalisierung des Zinsniveaus die Preisblasen an Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkten zurückbilden werden. Bei diesem Prozess lauern erhebliche Gefahren eines sprunghaften Verlaufs, nicht zuletzt auch für die Devisenmärkte und die in US-Dollar verschuldeten Schwellenländer.

Es nützt aber nichts, aus Furcht davor den Ausstieg aus der ultra-expansiven Zentralbankgeldversorgung immer weiter hinauszuzögern. Je länger die künstlich niedrigen Zinsen bestehen bleiben, umso mehr Verzerrungen entstehen und desto schmerzhafter würde eine noch spätere Korrektur. Von einer Normalisierung ist die US-Geldpolitik immer noch meilenweit entfernt. Entscheidend wird jetzt sein, wann die Marktteilnehmer den nächsten Schritt erwarten.»

JÖRG ZEUNER, KFW-CHEFÖKONOM:

«Wir sind auf dem Weg in die Normalität. Die US-Konjunktur läuft solide, der Arbeitsmarkt hat Vollbeschäftigung erreicht und die Kerninflation ist jetzt schon hoch genug, um mit dem Zinserhöhungszyklus zu starten.

Mit dem Zinsschritt beginnt die Fed, Handlungsspielraum für neue Herausforderungen zurückzugewinnen. Denn ein langfristig starker Dollar und ein dauerhaft niedriger Ölpreis bringen durchaus Schwierigkeiten für die US-Wirtschaft.»

ULRICH KATER, CHEFÖKONOM DER DEKABANK:

«Ein kleiner Schritt für die Fed, aber ein grosser für das Finanzsystem. Zwei Botschaften verbinden sich mit der Zinswende. Zum ersten begräbt damit die Fed symbolisch die Finanz- und Bankenkrise von 2008. Und zum zweiten schürt diese Zinswende die Hoffnung, dass auch in Euro-Land eine Umkehr bei den Zinsen irgendwann möglich ist, selbst wenn dies noch zwei oder drei Jahre hin sein sollte.»

MICHAEL MENHART, CHEFÖKONOM MÜNCHENER RÜCK:

«Mit der Zinsentscheidung der Fed ist der lange erwartete Einstieg in eine restriktivere Geldpolitik da. Für nächstes Jahr ist mit weiteren Zinsschritten zu rechnen.

Gleichwohl wird die US-Zentralbank unter den Notenbanken der grossen Ökonomenschaften wohl erst mal alleine bleiben - die EZB hat ja jüngst sogar ihre expansive Politik noch zeitlich ausgeweitet. Angesichts der Risiken für die Finanzstabilität wäre eine Abkehr von der Politik des billigen Geldes wünschenswert.»

KLAUS WIENER, CHEFÖKONOM DES GESAMTVERBANDES DER DEUTSCHEN VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT:

«Für die EZB hat der Zinsentscheid der Fed keine Signalwirkung - dazu sind auch die konjunkturellen Rahmenbedingungen zu unterschiedlich. Die Kapitalmarktzinsen im Euroraum werden wohl noch für sehr lange Zeit auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren.»

HOLGER SANDTE, EUROPA-CHEFÖKONOMEN NORDEA BANK:

«Ich finde die Zinserhöhung angemessen, im Grunde überfällig. Der Pfad der Zinserhöhungen im kommenden Jahr dürfte relativ flach bleiben. Gegenwind von den Finanzmärkten, etwa auch ein stärkerer Dollar, dürften das Tempo der Zinserhöhungen drosseln. Für die EZB heisst der Schritt der Fed erst einmal nicht viel.»

FRANCK DIXMIER, ANLEIHENCHEF ALLIANZ GLOBAL INVESTORS:

«Die Zinserhöhung spiegelt ein begründetes Vertrauen der Mehrheit der US-Notenbanker in die Beschäftigungslage und die Aussichten auf eine mittelfristige Rückkehr der Inflation zur Zielmarke von zwei Prozent wider. Die Fed dürfte jedoch mit einem zweiten Zinsschritt warten, bis sich die Inflation erhöht hat.»

THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM DER VP BANK GROUP:

«Letztlich möchten die US-Währungshüter die Nullmarke bei den Zinsen hinter sich lassen, um beim nächsten Abschwung über die nötige Zinsmunition zu verfügen.

Janet Yellen wird im kommenden Jahr sehr behutsam mit weiteren Zinserhöhungen vorgehen. In Anbetracht der fragilen Lage im verarbeitenden US-Gewerbe bleiben weitere Zinsschritte aber eine Gratwanderung.»

OTMAR LANG, CHEFÖKONOM DER TARGOBANK:

«Man könnte sich jetzt darüber streiten, ob die sehr kleine Zinsveränderung tatsächlich die grosse Wende ist - oder nur ein kleines geldpolitisches Trostpflaster für die angespannte Weltwirtschaft. Wie geht es jetzt weiter? Drei Faktoren stehen im Fokus: die US-Inflation, die US-Konjunktur und die Weltwirtschaft.»

FRANK HÜBNER, STELLVERTRETENDER LEITER ÖKONOMENSCHAFT VON SAL. OPPENHEIM:

«Unstrittig ist (...), dass der Startschuss für die Leitzinserhöhungen das Ende eines historisch einmaligen geldpolitischen Experiments darstellt. Da es keine Blaupausen für die Rückabwicklung einer solch ultraexpansiven Kurssetzung gibt, ist diese per se mit Unsicherheit verbunden und dürfte für Schwankungen an Kapital- und Devisenmärkten sorgen. Anfällig sind dabei traditionell die Ökonomenschaften und Währungen der Schwellenländer.»

(reuters/mbü)