Umweltverschmutzung, Stress, überlastete Infrastrukturen. Gerne führen Wachstumsgegner diese Punkte als direkte Folgen von einem «Zu viel» an Wirtschaft an. Der Schweiz geht es gut – entsprechend fordern immer mehr Kritiker, den Fokus der Politik auf andere Bereiche zu legen. Die Frage, ob unsere Wirtschaft auch in Zukunft weiter wachsen soll, beschäftigt die Schweizer Öffentlichkeit so stark wie lange nicht mehr. 

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Nun hat sich der Dachverband Economiesuisse dieser Debatte angenommen – mit einer Broschüre und einer eigens aufgeschalteten Internetplattform. Dort wollen die Ökonomen sieben «Mythen» über das Nullwachstum entgegentreten. Etwa, dass Wirtschaftswachstum zwingend mit einem Mehr an Konsum einhergeht. Dies sei nicht der Fall. Eher änderten sich die Konsumbedürfnisse der Menschen laufend. So verschwinden einige Produkte, andere kommen hinzu – die Schreibmaschine etwa oder das Smartphone. 

Geht Wachstum auf Kosten der Umwelt?

Auch gehe wirtschaftliches Wachstum nicht zwingend auf Kosten der Umwelt. Für aufstrebende Volkswirtschaften wie China stimme das. Doch der Schlüssel, um das zu ändern, liegt nach Ansicht von Economiesuisse gerade im Fortschritt.

«Dank technischen Neuerungen und einem strukturellen Wandel ist heute bereits eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch festzustellen, argumentieren die Economiesuisse-Experten um Chefökonom Rudolf Minsch. Und hier spiele die Schweiz eine Vorreiterrolle. Nullwachstum hingegen würde diesen Prozess bremsen oder gar umkehren.

«Ohne Wachstum müssten die Renten sinken»

So ehrenhaft die Ambitionen sind, das Wachstum zu beschränken, um Menschen und Umwelt zu schonen – so schwierig scheint das Unterfangen. Selbst wenn das Gros der Schweizer Bevölkerung ein Umdenken politisch erzwingen wollte.

Denn grosse Teile unserer Wirtschaft sind schlicht auf Wachstum ausgelegt, etwa das Rentensystem. «Ohne Wachstum müssten die Renten sinken, denn das Verhältnis zwischen der erwerbstätigen Bevölkerung und der Bevölkerung über 65 verschlechtert sich kontinuierlich», sagt Economiesuisse-Chefökonom gegenüber «handelszeitung.ch». 

In Zukunft müssten immer weniger Arbeitskräfte immer mehr Pensionierte finanzieren. «Wirtschaftswachstum lindert diese Problematik und sorgt dafür, dass die AHV weniger rasch in die roten Zahlen kommt als es bei einem Nullwachstum der Fall wäre», so Minsch. 

«Es entsteht Arbeitslosigkeit»

Ohnehin steht die Frage im Raum, wie Nullwachstum in der Praxis funktionieren soll. Das ist nämlich nur möglich, wenn schrumpfende Branchen durch wachsende kompensiert werden könnten. Dies jedoch scheint politisch unmöglich steuerbar. Eine Verordnung von Stagnation hätte zur Folge dass sich Branchen nicht mehr entwickeln würden. Minsch warnt: «Entsprechend wird die Volkswirtschaft schrumpfen, und es entsteht Arbeitslosigkeit.»

Selbst bei einem verordneten Nullwachstum würden einzelne Branchen Produktivitätsfortschritte erzielen. Gäbe es eine Wachstumsgrenze, müssten produktivere Unternehmen den Arbeitseinsatz ihrer Mitarbeiter senken – «Arbeitslosigkeit wäre die Folge», sagt Chefökonom Minsch.

Warum aber kann in diesem Fall nicht einfach jeder Beschäftigte weniger arbeiten? Laut Economiesuisse geht das weniger einfach, als es sich viele Wachstumskritiker wohl vorstellen. Denn ein reiner Abbau von Arbeitsstunden pro Mitarbeiter lasse die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sinken – «was indirekt auch wieder Arbeitsplätze gefährdet».