Discounter drängen in die Top-Lagen der Städte

Die wichtigsten Schweizer Einkaufsstrassen haben schon bessere Zeiten erlebt. Aktuell setzt den hiesigen High Streets ein ganzes Pack an ungünstigen Pandemie-Trends zu. Boomender Online-Handel und ausbleibende ausländische Touristenströme wirken sich ungünstig auf Verkäufe und Frequenzen der Läden aus, die immer noch in der Post-Lockdown-Aufholphase stecken. Und dass Banker und andere Bürolisten ihre Mittagspause öfters im Homeoffice statt beim Shoppen verbringen, hilft ebenfalls nicht. Polarisierung an den Einkaufsstrassen Zwar erleben die hiesigen Parademeilen noch keine gravierenden Leerstände. Und doch tut sich etwas an den bekanntesten Strängen, sagt Michael Dressen, Senior Director und zuständig für Detailhandel beim Immobilienberatungsunternehmen CBRE: «Aktuell stellen wir eine Polarisierung an den grössten Schweizer Einkaufsstrassen fest; manche Lagen werden regelrecht abgehängt.» Was das genau bedeutet, verdeutlicht Dressen so: «Der Strassenname alleine ist kein Garant mehr für eine Eins-a-Lage.» Nur schon eine kleine Schrittdistanz könne einen grossen Unterschied machen bezüglich Umsatzpotenzial, Prestige und Mietzinsen: «Heute geht es um die Mikro-Standortqualität, es geht um jeden Meter.» Neue Mieter wollen auf jeden Fall vermeiden, am falschen Ende der richtigen Strasse zu siedeln. «Das Motto ist: Da wo Louis Vuitton sitzt, muss ich auch hin.» Natürlich gehört es seit jeher zum Wesen grosser Einkaufsstrassen, dass sie sich in verschiedene Abschnitte aufteilen. Hier die Fast-Fashion-Anbieter für die Massenmärkte, dort Uhren-, Schmuck- und Luxusmodewelt. «Starke Marken suchen einander» Doch die Triage wird nun noch dezidierter vorgenommen, was sich auf die zu erzielenden Mietpreise auswirke, sagt Dressen am Beispiel von Genf: «An der Rue du Rhône werden immer noch Spitzenmieten zwischen 6000 und 6500 Franken pro Jahr und Quadratmeter bezahlt. Das wünschen sich auch die Vermieter an den Enden dieser Strasse, doch das klappt so nicht mehr. Dort liegt das Niveau jetzt eher bei 2500 Franken.» In Zürich sei festzustellen, dass die Luxuslage Storchengasse deutlich weniger von Top-Luxusmarken nachgefragt werde: «Es darf heute nur noch die Bahnhofstrasse sein», so Dressen. Und auch dort gilt: «Starke Marken suchen einander, sie wollen nur dort ansässig werden, wo bereits andere starke Marken siedeln.» Wenn erstklassige Strassen ausfransen und an deren Enden Mietpreise ins Rutschen kommen, entstehen Chancen für neue Anbieter. Den Trend zur Polarisierung bemerkt auch Chalid El Ashker: «Diese Tendenz stellen wir auch fest», sagt der Gründer und Chef des Schweizer Online-Marktplatzes Pop Up Shops, «sie dürfte einen positiven Einfluss haben auf unser Geschäft.» El Ashker glaubt, dass so Platz frei werde für weniger uniforme und individuellere Mieter, «und auch für sogenannte permanente Pop-up-Flächen». Damit sind ausgebaute, bezugsbereite Retail-Flächen gemeint, auf denen alle drei bis sechs Monate der Mieter wechselt. Verstärkter Trend zu kleinen Flächen Pop-up-Spezialist El Ashker geht davon aus, dass wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen: «Heute spüren wir die Anfänge davon; der Trend zu kleineren Flächen und flexibleren Mieten dürfte sich in den nächsten sechs Monaten auch bei High-Street-Lagen verstärken und in einem Jahr so richtig Fahrt aufnehmen. Dies auch deshalb, weil bestehende Mieter bestrebt sind, ihre Flächen zu verkleinern.» In einer Zeit, in der viele Detailhändler ihre Netze ausdünnen, sticht ein Segment ins Auge, das sich weiterhin starke Expansion verschreibt: der Hard Discount. Ein Aldi oder ein Lidl an einer der Schweizer Top-Einkaufsstrassen? Für viele ist das fast nicht vorstellbar.Leerstand in den Städten Während prominente internationale Standorte – etwa die 5th Avenue in New York – stark unter der Pandemie leiden, zeigt sich das Bild in der Schweiz wenig alarmierend. CBRE analysiert jedes Jahr 1385 Ladenflächen an den dreissig bekanntesten Einkaufsstrassen in Zürich, Genf, Basel, Lausanne, Bern und Luzern. Aktueller Leerstand: 1,9 Prozent, zuvor waren es 1,5 Prozent. Für die wichtigsten Lagen in Zürich zeigt CBRE einen Leerstand von 1 Prozent. In Basel sind es 2,9 Prozent, in Luzern 0,8 Prozent und in Bern liegt der Wert bei 0 Prozent. Höher sind die Werte in der Westschweiz. CBRE meldet 2,8 Prozent in Genf und 4,8 Prozent in Lausanne. In Genf spielt die internationale Abhängigkeit eine Rolle, in Lausanne die kleine Innenstadt. Wenige Leerstände wirken sich schnell aufs ganze Bild aus. Nicht für Dressen: «Das kommt», sagt der CBRE-Mann, in Deutschland sei das bereits massiv zu sehen. Tatsächlich planen die zwei deutschen Discounter einen stärkeren Vorstoss in die Schweizer Städte. Urbane Zentren lägen im Fokus der Expansionsstrategie, heisst es bei Aldi Suisse, als Beispiel dafür wird die Eröffnung einer Filiale im Herzen Berns am Kornhausplatz Ende 2021 angeführt. Lidl im Stadtkern Auch Lidl Schweiz will vermehrt in die Stadtkerne vordringen. Was am Standort der ehemaligen Zürcher Fraumünsterpost, einen Steinwurf entfernt vom Paradeplatz, bereits gelang, ist auch für Bern geplant: Eine Filiale an bester City-Lage, integriert im Loeb-Warenhaus am Berner Hauptbahnhof. Natürlich bezahlen Food-Discounter keine Luxusmieten. Sie können es nur schon deshalb nicht, weil ihre Margen kleiner sind als diejenigen der High-End-Boutiquen, die ihr Geld mit Kaschmirschals, Duftwasser oder Edel-Tickern machen.Die Zürcher Bahnhofstrasse in der Pandemie Traditionsgeschäfte werden verdrängt: Weltmarken übernehmen Zürichs Prachtmeile. Mehr hier. Ladenmiete: An der Zürcher Bahnhofstrasse verhallt Berns Machtwort. Mehr hier. Gegen den Trend: So trotzt PKZ der Krise im Modehandel. Mehr hier. Dafür aber dürfte es einem Food-Retailer nicht ganz so wichtig sein, Tür an Tür mit Louis Vuitton zu geschäften. Dort wo erstklassige Schweizer Strassen ausfransen, könnte sich den Discountern neues städtisches Terrain bieten Gelänge den Discountern der Vormarsch an die Prachtmeilen, könnte das für die Besitzer von High-Street-Liegenschaften aber auch zu einem Problem führen, sagt Dressen: «Solche Mieter sind zwar ein sicherer Wert für die Zukunft. Weil sie aber tiefere Mieten bezahlen als bisherige High-Street-Geschäfte, ist eine Entscheidung der Eigentümer zugunsten dieser sicheren Varianten oft auch mit Wertverlusten der Gebäude verbunden.» Die Frage sei dann allerdings berechtigt, ob die einstigen hohen Mieten für bestimmte Flächen überhaupt zurückgekommen wären und man sich die Gebäudewerte nicht nur schönrechne.

Discounter drängen in die Top-Lagen der Städte

Pop-up-Stores und Discounter drängen in Top-Einkaufsstrassen