Kaum genutzte Ferienwohnungen in Tourismusregionen sind ein Ärgernis und verursachen hohe Infrastrukturkosten. Diverse Ferienorte planen daher Lenkungsabgaben. Ob damit kalte Betten verhindert werden, ist fraglich. Wichtig dürfte ein Bundesgerichts-Entscheid werden.

Die Fronten sind klar: «Nach der Annahme der Zweitwohnungsinitative versuchen die Tourismusgemeinden mit einer Sondersteuer, die Zweitwohnungsbesitzer wie ein Zitrone auszupressen. Silvaplana will Geld, nicht Gäste», so sieht es Heinrich Summermatter, Präsident der Allianz der Zweitwohnungsbesitzer.

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«Durch den Boom bei den Zweitwohnungen gehen die Strukturen im Dorf kaputt», klagt dagegen die Gemeindepräsidentin von Silvaplana, Claudia Troncana. Das Missverhältnis ist augenfällig: Silvaplana hat rund 1000 Einwohner, die in rund 570 Wohnungen leben. Ihnen stehen rund 1600 Zweitwohnungen und 730 Hotelbetten gegenüber, die mehr oder weniger gut ausgelastet sind.

Warten auf Bundesgerichts-Entscheid

Im Februar 2010 genehmigte die Gemeindeversammlung eine Lenkungsabgabe auf Zweitwohnungen. Die Bündner Kantonsregierung hiess diese gut. Da der Entscheid angefochten wurde, muss nun das Bundesgericht darüber befinden.

Von der Lenkungsabgabe in Silvaplana betroffen sind alle Zweitwohnungen, die nur durch den Eigentümer oder mit einem dauernden Mietvertrag genutzt werden. Sofern die Wohnungen touristisch bewirtschaftet sind, unterliegen sie nicht der jährlichen Abgabe, die 2 Promille des Steuerwerts beträgt. Für eine durchschnittliche Wohnung sind das rund 1000 Franken.

Wie das Bundesgericht entscheiden wird, ist offen. Klar ist für Summermatter, dass die Mehrheit der Bevölkerung kein Mitleid mit Zweitwohnungsbesitzern hat. Wenn Hausbesitzer aber gezwungen seien, ihre Wohnungen zu vermieten, dann sei das eine «kalte Enteignung».

Der Trend hat seinen Ausgangspunkt im Wallis: Lenkungsabgaben eingeführt haben bereits das Val d'Illiez und Zermatt. Die Zermatter Zweitwohnungsbesitzer würden sich nicht wehren, da dies reiche Leute seien, glaubt Summermatter. Die von ihm präsidierte Allianz vertrete hingegen den Mittelstand, der in dieser Sondersteuer «so etwas wie Raubrittertum» sehe.

In Planung sind Lenkungsabgaben unter anderem in der Lenk BE und auf der Riederalp VS. In Saanen BE, wo der Zweitwohnungsbestand bei 48 Prozent liege, erübrige sich nach der Annahme der «Zweitwohnungsinitative» eine Lenkungsabgabe, heisst es auf Anfrage. Seit jeher habe die Gemeinde vor der Einzonung von Bauparzellen für den Bau von Zweitwohnungen einen Mehrwert abgeschöpft.

Bereits Mitte Dezember der Einführung einer Lenkungsabgabe zugestimmt hat die kleine Walliser Feriendestination Bürchen. Da noch gewisse Anpassungen und Abklärungen nötig seien, werde zu einem späteren Zeitpunkt die Gemeindeversammlung nochmals darüber abstimmen, steht auf der Gemeinde-Homepage. Zu gegebener Zeit würden die betroffenen Kreise informiert, heisst es auf Anfrage.

Besser gestellte Einheimische

Auffallend beim «Bürchner-Modell» ist, dass zwischen den abgabepflichtigen auswärtigen und den abgabebefreiten einheimischen Zweitwohnungsbesitzern unterschieden wird. Die Sondersteuer wird fällig, wenn nicht mindestens 90 Tage pro Jahr an Dritte gegen Entgelt vermietet wird. Die Nutzung durch den Eigentümer wird nicht verrechnet. Die Abgabe beträgt 1,5 Prozentpunkte des Katasterwertes der Liegenschaft. Die Kosten dürften sich damit auf 1000 bis 2000 Fr. pro Liegenschaft belaufen.

Zu den rund 700 Einwohnern von Bürchen gesellen sich in der Wintersaison rund 3500 Feriengäste und Chaletbesitzer. In der Sommersaison stehen die meisten Ferienwohnungen trotz Werbeanstrengungen des örtlichen Verkehrsvereins seit Jahren leer. Die Gemeinde muss aber nach eigenen Angaben ihre Infrastruktur auf die Spitzenbelegung ausrichten. Daraus entstehe jährlich ein Finanzierungsloch von rund einer Million Franken.

Für Summermatter, der ein Ferienhaus in der Lenk im Berner Oberland besitzt, ist klar, «wir bringen den Dörfern Geld, kaufen Immobilien, machen unsere Einkäufe im Dorf, zahlen Kurtaxen und benutzen die touristischen Einrichtungen». Eine Untersuchung in Graubünden habe gezeigt, dass durch Lenkungsabgaben Gemeinden zwar einfach zu Geld kämen, die Auslastung der Wohnungen aber nicht steige.

Unvereinbarkeit mit Eigentumsrechten

Der Hauseigentümerverband sieht bei den kalten Betten einen Handlungsbedarf, wie HEV-Direktor Ansgar Gmür auf Anfrage feststellt. Die meisten Eigentümer hätten aber ihre Zweitwohnung unter der Prämisse gekauft, sie exklusiv und ausschliesslich selbst nutzen zu dürfen. Sie hätten dafür einen Aufpreis bezahlt. Deshalb sei es fragwürdig, sie im Nachhinein mit neuen Steuern zu belasten.

Unvereinbar mit den in der Verfassung gesicherten Eigentumsrechten sind nach Ansicht des HEV nachträgliche Vermietungsauflagen. Anders sei dies bei neu erstellten Wohnungen.

In Zukunft würden Beispiele wie das Rock Ressort in Laax GR Auftrieb erhalten. Dort erwerbe man Anteile an Ferienwohnungen und Rechte für deren Nutzung. Dies verspreche «wärmere Betten». Ausserdem seien bestehende klassische Zweitwohnungen nicht selten als Alterssitz attraktiv, so der HEV.

Zweifel an Wirksamkeit

Skeptisch gegenüber der Wirksamkeit von Lenkungsabgaben im Kampf gegen kalte Betten ist auch Peter Furger, Geschäftsführer ad interim von Valais/Wallis Promotion. Diese Abgaben würden bei qualitativ hochstehenden Zweitwohnungen wenig bringen. Es gebe zwar Geld, das für Tourismuswerbung eingesetzt werden könne, aber wer eine Zweitwohnung für 500'000 Fr. gekauft habe, den störe in der Regel eine Abgabe von 2000 bis 3000 Fr. nicht. Der Eigentümer sei höchstens verärgert, werde die Wohnung aber nicht vermieten.

Furger propagiert im Kampf gegen kalte Betten daher eine Verbesserung der Rentabilität der Hotelbetten und die Schaffung von Vermietungsagenturen für Eigentümer, die den Vermietungsaufwand scheuten. Ausserdem sollte durch Klassifizierungen die Qualität der Wohnungen verbessert werden, denn "unsere Ferienwohnungen in ihrer heutigen Struktur sind zum grossen Teil nicht marktkonform".

«Lauwarmen Betten»

In Saas-Fee spricht man denn auch vom Problem der «lauwarmen Betten», also Wohnungen, bei denen trotz aktiver Bewirtschaftung nur eine knapp rentable Auslastung erreicht werden kann. Bei einer ständigen Wohnbevölkerung von rund 1700 Personen bevölkern in der Hochsaison rund 7000 Touristen das Gletscherdorf. Der Gemeinderat erwägt die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Zweitwohnungen zur Deckung von Infrastrukturkosten.

Dennoch geht in Saas-Fee und anderswo das Bauen weiter. «Der Bau von Zweitwohnungen hat in den letzten zehn Jahren je nach Sicht der Dinge zwischen stark und massvoll zugenommen», sagt Gemeindepräsident Roger Kalbermatten. 2006 sei ein befristeter Baustopp verfügt worden.

Zwar seien 2012 mehr Baugesuche als in den Vorjahren eingegangen, von einer Schwemme könne aber nicht die Rede sein, sagt Kalbermatten. Zum Teil seien Gesuche auf Vorrat eingereicht worden, meist im Hinblick auf die Abstimmung vom März zum Raumplanungsgesetz und einer damit verlangten allfälligen Rückzonung von Bauflächen. Auch in anderen Tourismusorten sind die Baugesuche nach der Annahme der Zweitwohnungsinitiative 2012 stark angestiegen.

(chb/aho/sda)