Die Rezepte der staatstragenden Parteien als Sammelbecken von links bis rechts funktionierten nicht mehr, diagnostiziert die «Berner Zeitung» die allgemeine Lage nach diesem Wahlsonntag. Wer für die Wählerschaft attraktiv sein wolle, müsse in den politischen Grundsatzfragen fassbare Positionen vertreten.

Die Gewinne der Grünliberalen und BDP zeigten ein Bedürfnis nach einer selbstbewussten Mitte, meint der «Bund». Der Erfolg der neuen Kräfte könne auch gemässigte Politiker in anderen Parteien dazu bewegen, entschlossener für pragmatische Überzeugungen einzustehen.

Die Mitte sei durch die Gewinne von GLP und BDP nicht nur gestärkt worden, sie erfahre auch eine Dynamisierung, lobpreist das «St. Galler Tagblatt» den Wahlausgang. Denn die GLP sei nicht mehr auf die CVP als starken Partner angewiesen, sie werde in Bern eine eigene Fraktion stellen.

Laut der «Neuen Zürcher Zeitung« wünschen sich die Wähler Frischluft im Bundeshaus. Das könne nach einer verknorzten Legislatur nicht schaden. Die neue Mitte habe zwar gewonnen. Dies bedeute aber nicht, dass die Kräfteverhältnisse komplett umgekrempelt worden seien. Das Machtkartell der etablierten Parteien wanke. Aber es sei nicht gefallen.

Der gestrige Wahltag mache das Politisieren in Bern nicht einfacher, glaubt die «Südostschweiz». In der Mitte sei das Gedränge noch grösser geworden.

Der Wahlausgang komme für Schweizer Verhältnisse einem mittleren Erdbeben gleich, meint die «Aargauer Zeitung». Auffallend seien die Verdrossenheit über die traditionellen Parteien, das Erstarken der Mitte und das Ende des SVP-Höhenfluges. Diese drei Erkenntnisse zeugten davon, wie differenziert die Wählerinnen und Wähler entscheiden.

«Partei ohne Wahlprogramm»

Eher kritisch beurteilt die «Neue Luzerner Zeitung» die Wahlerfolge der kleinen Parteien. Der Durst nach neuen pragmatischen Ansätzen sei in der Wählerschaft so gross, dass sie den Newcomern in der Mitte sogar Vorschusslorbeeren gewähre. Dabei spreche der Wahlerfolg der GLP als Partei ohne Wahlprogramm für sich.

Noch härter geht die «Basler Zeitung» mit den Neuen ins Gericht: Oft würden solche Parteien so rasch wieder untergehen, wie sie aufgetaucht seien. Das dürfte vor allem für die BDP zutreffen, deren einziges Parteistatut darin zu bestehen scheine, die eigene Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf auf ewig zu preisen und den anderen Parteien anzudienen.

«Entzauberung wird guttun»

Die Verluste der SVP sind ebenfalls ein Thema in mehreren Zeitungen. Häme giesst vor allem der «Tages-Anzeiger» über die nach wie vor stärkste politische Kraft im Lande aus. Die SVP sei wieder zur jener ganz normalen Kraft im bürgerlichen Lager geworden, die sie bis in die neunziger Jahre gewesen sei. Die Entzauberung der SVP werde Freund und Feind guttun.

Der «Blick» hängt das Wahlresultat der SVP an Christoph Blocher auf: Sein Abschneiden sei symbolisch für den Abstieg der SVP. Blocher sei nicht nur bei den Ständeratswahlen gescheitert, sondern habe auch bei den Nationalratswahlen nur Platz zwei hinter seiner Parteikollegin Natalie Rickli belegt. Jetzt sei der alte Mann nicht mehr die Nummer eins im Kanton.

Auch in der Westschweizer Presse sind die Verluste der SVP ein breit kommentiertes Thema. Die SVP bezahle mit ihren Einbussen ihren Mangel an Glaubwürdigkeit in den Exekutiven und ihre Rolle als permanente Rebellin, heisst es in «24 heures».

«Le Temps» spricht von einem «harten Schlag» für die SVP und meint, dass die Schweiz erkannt habe, dass die Lösungen für die Probleme in der Mitte gesucht werden müssten. Für «Le Matin» sind die SVP-Verluste ein Zeichen eines gewissen Überdrusses an eingleisigen Themen.

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(rcv/vst/sda)