Stagflation: Nouriel Roubini warnt vor einem fatalen 1970er-Szenario

Was wäre, wenn die jüngst angestiegenen Inflationszahlen gar nicht vorübergehend sind? Und was, wenn sich das Wachstum – kaum hat sich die Weltwirtschaft nach dem Lockdown-Schock etwas erholt – wieder absackt? Es wäre gefährlich. Und es wäre die Entwicklung, vor der Nouriel Roubini nun warnt. Der Ökonom, 63 Jahre alt, hat sich in jahrelanger Arbeit einen soliden Ruf als «Dr. Doom» erarbeitet. Als ehemaliger Berater des US-Finanzministeriums warnte Roubini ab 2004 davor, dass eine Immobilienblase die US-Wirtschaft bedrohe. 2007 sah er eine Finanzkrise anrollen, welche die gesamte Weltwirtschaft gefährden werde. Er bekam recht. Und so gibt sich der Professor der New York University seither weiterhin sorgenvoll. Manche bespötteln ihn daher auch als «Permabären». Die aktuelle Hauptsorge von Roubini heisst: Stagflation. Also viel Inflation bei wenig Wachstum. Seit Monaten warnt er davor, dass die offenen Geldschleusen der Notenbanken und die Geldpakete der Regierungen am Ende die Teuerung anfeuern werden. Auf der anderen Seite wachse das Potenzial der Wirtschaft kaum – und als Folge der Covid-19-Massnahmen seien die Produktionskosten gestiegen und würden weiter steigen. Bereits jetzt seien erste Andeutungen der grossen Stagflation spürbar, so Roubini in einem Aufsatz, den er am Montag veröffentlichte. Der Titel: «The Stagflation Threat Is Real». Die Inflation steigt in den Industriestaaten dieser Tage klar; und das Wachstum verliert schon wieder an Drive. Die meisten Experten und Expertinnen erachten dies als vorübergehend (beziehungsweise «transitorisch»): Die Teuerung steige bloss wegen Basiseffekten. Und am wirtschaftlichen Dämpfer in vielen Ländern sei die Delta-Welle schuld. Aber was wäre, wenn die Sache grundlegender ist? Nouriel Roubini sieht viele Faktoren, welche einerseits die Wirtschaft bremsen und andererseits die Preise nach oben drücken: Rückschläge bei der Globalisierung und mehr Protektionismus, Cyberkriege und Hackerattacken. Auch verleite die stärkere Ungleichheit nach Covid-19 die Regierungen dazu, die Anliegen der Arbeitnehmer ernster zu nehmen – was zu höheren Löhnen führen dürfte: Es besteht also durchaus eine Basis für eine Lohn-Preis-Spirale. Szenario des Serbelns Auf der anderen Seite können die Notenbanken kaum mit Zinserhöhungen auf steigende Preise reagieren, sie sitzen selber in einer Art Schuldenfalle. Sie würden dann ein «Hard Landing» der Wirtschaft provozieren. Was also drohe, so Roubini, sei ein Szenario des Serbelns, wie wir es in den 1970ern erlebt haben. Damals setzte es im Zuge der Erdölkrise massive Inflationsraten – auch in der Schweiz stieg die Jahresrate der Teuerung bis auf 10 Prozent. Auf der anderen Seite wurde die Geldentwertung begleitet von hoher Arbeitslosigkeit, schlechten und teils rückläufigen Wachstumsraten – und allgemein einer sehr trüben Wirtschaftsstimmung in Europa und Amerika.Gurus, die warnen John Paulson vertraut wieder stärker auf Gold: «Ich denke, dass die Inflation weit über die derzeitigen Erwartungen hinausgehen wird». Mark Mobius setzt ebenfalls auf Gold: «Die Währungsabwertung wird nächstes Jahr weltweit ziemlich signifikant sein». Jim Rogers warnt: «Der Crash wird bald kommen». (Abo) Jeremy Grantham sieht Parallelen zur den Börsenblasen von 1929 und 2000: «Dies ist eine der grossen Blasen der Finanzgeschichte».