Wie 7 Vorzeige-KMU die Corona-Krise überwunden haben

Nun fallen alle Corona-Massnahmen bis auf die Maskenpflicht in Zügen und Bussen. Dies entschied der Bundesrat am Mittwoch. Der Schritt dürfte den Teil der Schweizer Wirtschaft beflügeln, der nach wie vor darunter zu leiden hat. «Die Abschaffung der Massnahmen wird ein Befreiungsschlag sein», glaubt Hansjörg Emch. Er leitet die Firma Emch Aufzüge in Bern. Der Entscheid werde das Geschäft beflügeln, denn bis heute beobachtet Emch eine Zurückhaltung von Investoren in der Baubranche. «Die Projektpipeline ist zwar voll, aber ‹abgedrückt› wird nur zögerlich.» Emch ist Chef eines der sieben KMU-Betriebe, die die «Handelszeitung» seit Beginn der Pandemie begleitet hat. Die sieben Protagonisten stellen so etwas wie den gefühlten Puls der mittelständigen Schweizer Wirtschaft dar: Emch, der Liftbauer, Diana Gutjahr, Metallbauerin im Thurgau, Peter Fischer, ein Baselbieter Metallverarbeiter, Sigi Gübeli, eine innovative Hotelière in Zürich, Karl Eiche, Metzger in Basel, Andreas Kümin, Detail- und Grosshändler in Schwyz, und Felix Meier, Bierbrauer in Baden. Die Bilanz heute: Fünf der sieben zeigen sich optimistisch bis sehr zuversichtlich, einer ist bedingt zuversichtlich und eine Protagonistin ist skeptisch. Am positiven Ende der Skala die Hotelière. Sie sagt: «Jetzt gehen wir in den Flow.» Sie macht dies an der Erfahrung der letzten zwei Jahre fest. Immer dann, wenn der Bundesrat die Corona-Bedingungen gelockert hat, habe sich dies umgehend in einer verbesserten Konsumentenstimmung niedergeschlagen, beobachtet Gübelin. Metzger Eiche sieht die Bewilligung zur Durchführung der Basler Fasnacht als einen Aufbruch. «Wenn sie kommt, dann pusht das die Lokalwirtschaft und die Leute gehen wieder raus.» Er geht im kommenden Jahr von einer Konjunktur aus, die die Werte von 2019 überholt: «Wir müssen investieren, das gibt Arbeitsplätze.» Bierbrauer Felix Meier von der Brauerei Müller frohlockt, er sei «extrem zuversichtlich, dass wir einen Corona-freien Frühsommer erleben». Nur Metallbauerin Gutjahr vermag sich von der Euphorie nicht anstecken lassen. Die Kosten für Rohprodukte steigen und Kunden seinen noch immer zurückhaltend. «Sie sind nicht mehr so risikofreudig wie noch vor zwei Jahren», sagt Gutjahr, die als SVP-Nationalrätin in Bern politisiert. Verhalten zeigt sich auch Detailhändler Kümin. Für ihn sind der Ukraine-Konflikt, die wachsenden Energiekosten und die internationalen Nachschubprobleme ein Dämpfer für die Konjunktur – und fürs Gemüt. Am Anfang, in der ersten Welle, dominierte noch starke Skepsis bei allen. «Es war schlimmer als gedacht. Wir wurden alle auf dem linken Fuss erwischt», sagt Metzger Eiche rückblickend. Das Parlament sprach sehr negativ über die KMU-Branche. Politiker entrüsteten sich über die schwach ausfinanzierten KMU. Gleichzeit erscholl der Ruf nach breiten Stützungsmassnahmen. In der Folge errichteten Bundesrat Ueli Maurer und das Parlament die Covid-19-Sofortkredite. Im Herbst ergänzten sie das Programm durch Covid-19-Direkthilfen an Unternehmen. Die Umfrage zeigt nun aber: Die sieben KMUler haben die Krise weitgehend ohne Staatshilfen bewältigt. Exemplarisch sei Bierbrauer Meier erwähnt: Müller Bräu habe einen Covid-19-Kredit aufgenommen, ihn aber sechs Wochen später wieder zurückgezahlt. «Wir wollten uns nicht abhängig von den Banken machen.» Ähnlich tickten die anderen Firmen. Nur die Kurzarbeitsregelung war für vier der sieben Firmen eine wichtige Hilfsmassnahme. Metallbauerin Gutjahr, Metallverarbeiter Fischer und Liftbauer Emch haben auf entschädigte Kurzarbeit verzichtet. Die Firmen opferten im Gegenzug viel Kapital. Eiche hat mit seinem kleinen Dreissig-Mann-Betrieb in zwei Jahren 1,2 bis 1,4 Millionen Franken verloren. Sein Umsatz brach um bis zu 40 Prozent ein. Brauer Müller verlor gar bis zu 70 Prozent des Umsatzes im ersten Jahr. Und Hotelière Gübeli berichtet, sie habe einen ganzen Jahresumsatz in zwei Jahren Betrieb verloren. Kümin verlor viel Geld durch die Totalschliessung der Läden im Frühjahr 2020. Fast alle mussten wegen fehlender Mittel Investitionen zurückstellen. Um die Phase der grössten sanitarischen Restriktionen zu überleben, wurden vor allem Firmen im Gastro- und Hotelbereich sehr erfinderisch. «Wir haben einiges ausprobiert, beispielsweise haben wir die Balkone des Hotels zu Restaurant-Flächen gemacht», sagt Sigi Gübeli. Metzger Eiche, der viel von Events lebt, musste manchmal innert 24 Stunden sehr grosse Mengen Fleisch beschaffen. Bereit sein für den Moment, wenn man schnell reagieren muss, ist seine Devise. Den Mitarbeitern sagt er: Geht jetzt in die Ferien statt im Sommer. Im Sommer werdet ihr dann alle gebraucht werden. Fast alle Protagonisten berichten über Ärger mit staatlichen Massnahmen. «Die Quarantäne und Isolation brachten grosse Unruhe in den Betrieb», sagt Metallverarbeiter Fischer. Die Pool- und Spucktests seien sehr aufwendig und ineffizient gewesen. Auch beklagt er die Dauerkrisen-PR des Bundes. Sorgen bereiten den Unternehmern gewisse Umwälzungen. Der Städtetourismus werde sich stark verändern, sagt Hotelière Gübeli. Weniger Geschäftsreisen heisst in Zukunft auch starke Einbussen und viel investieren. Metzger Eiche befürchtet fehlendes Personal: «Durch die Pandemie ist bei uns ein Vakuum entstanden, da etliche Leute in andere Branchen abgewandert sind.» Die Grossverteiler Migros und Coop hätten mit der Pandemie massiv gewonnen, die Kleinen wie er an Marktanteilen verloren. «Die haben nicht die Preise gedrückt, sondern das eigene Personal. Das können die Grossverteiler jetzt investieren», sagt der Metzger voraus. Was bei vielen bleibt, sind häufigere Online-Meetings statt physischer Treffen wie früher. Dies begrüssen fast alle KMU-Protagonisten. «Homeoffice ist sehr positiv. Das steigerte die Produktivität und Autonomie», sagt Metallbauerin Gutjahr. Die Work-Life-Balance werde dank häufiger Heimarbeit positiver ausfallen als bisher, glaubt auch Metallverbarbeiter Fischer. «Wir können dank digitalisierten Prozessen dreimal schneller agieren als früher», freut sich auch Detailhändler Kümin über die Entwicklung. In der Logistik werde sich vieles weiterentwickeln, die Corona-Krise wirke als Digitalisierungsbooster: «Wir haben viel automatisiert im Verkehr mit Geschäftspartnern.» Das helfe beim Neustart, sagt auch Bierbrauer Müller. Dem Neustart heute. Die Serie: HZ begleitet KMU durch die Krise In Abständen erzählen die Chefs und Chefinnen von mittelständischen Unternehmen, wie sie die Corona-Krise bewältigen: Emch Aufzüge AG (Bern), Ernst Fischer AG (Romanshorn TG), Eiche Metzgerei (Basel), Brauerei Müller AG (Baden AG), Hotel und Bar Platzhirsch (Zürich), Fischer Reinach AG (Reinach AG),CEO Abionic SA (Epalinges VD), Mc Paperland (Tuggen SZ). Lesen Sie hier den ersten Teil der Serie: «Brennt an allen Ecken»: Acht Firmen schildern ihren Weg durch die Krise» Lesen Sie hier den zweiten Teil der Serie: «Bis Ende Mai kommen wir durch»: So ergeht es KMU in der Krise» Lesen Sie hier den dritten Teil der Serie: «KMU in der Krise: «Wie lange noch?» Lesen Sie hier den vierten Teil der Serie: «KMU nach Lockdown: Vorfreude und Zweifel halten sich die Waage» Lesen Sie hier den fünften Teil der Serie: «KMU zu zweitem Lockdown: «Das darf nicht kommen» Lesen Sie hier den sechsten Teil der Serie: KMU im Lockdown: Hoffen auf den Bundesrat

Wie 7 Vorzeige-KMU die Corona-Krise überwunden haben

«Und jetzt, der grosse Flow»: Wie sieben KMU die Corona-Krise überwunden haben