An der Art Basel werden mehr als 4000 Künstler ausgestellt. Das damit verbundene Gefühl der Überwältigung entspreche «der marktaggressiven Konsumkultur» der Gegenwart, sagt Kunsthistoriker Josef Helfenstein, der ab September das Basler Kunstmuseum leitet. Der baldige Museumsdirektor gehört zum erlesenen Kreis von Profis, millionenschweren Sammlern, Sponsoren und Auktionatoren und mondänen Berühmtheiten, welche die Ausstellung vor der Eröffnung vom Donnerstag besuchen dürfen.

Ein übliches Verfahren, Vorbesichtigungen sind bei Ausstellungen gang und gäbe, aber selten zeigt sich das hierarchische System der Kunstwelt so deutlich wie in Basel. Verantwortungsträger, Bedeutungserzeuger und Geldgeber haben das Recht auf den ersten Blick.

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Die Art ist eine «Lektion»

Ja, er werde an der Art anzutreffen sein, «mehrmals sogar», sagt Helfenstein im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Viele Termine stehen an, das globale Kunstpersonal trifft sich vor seiner Bürotür.

Doch selbst für den Routinier ist die Messe ein «verwirrendes» Erlebnis, so vielfältig seien die Reize, so gross das Mass an Information. Insofern sei die Art eine «Lektion», sagt Helfenstein. Seine Lernmethode besteht aus einer Hälfte Planung und einer Hälfte Sich-Treibenlassen.

Überwältigung ist Sinn der Sache

Die Überwältigung, die das Publikum bei der Konfrontation mit den mehr als 4000 ausgestellten Künstler empfindet, ist Sinn der Sache. Das entspreche der «marktaggressiven Konsumkultur» der Gegenwart, sagt Helfenstein. Die Kunst werde auf der Messe zwar nicht in toto eine Ware, sie werde aber als solche präsentiert. «Auch wenn es jedes Jahr Galerien gibt, die eine Antiästhetik anstreben und nur sehr wenige Werke zeigen - und damit auf Umsatz verzichten.»

Geht ein Museumsdirektor folglich als Kunde an die Messe? «Etwas kaufen?», fragt Helfenstein zurück, «das überlege ich mir gar nicht.» Die Preise an der Art sind in den meisten Fällen zu hoch für ein Museum. Das Anschaffungsbudget des Kunstmuseums Basel zum Beispiel ist sechsstellig, für grössere Akquisitionen ist man auf die Hilfe von Spendern und Stiftungen angewiesen.

Aber selbst privaten Institutionen wie der Menil Collection in Housten, die Helfenstein seit 2004 leitete, gehen Ankäufe nicht leicht von der Hand. Am wichtigsten sei ohnehin ein gutes Verhältnis zu den Künstlern, sagt Helfenstein: «Sie sind die einzigen, die grosszügig sein können.»

Neureiche Investoren verdrängen traditionelle Sammler

Ansonsten regiert das Recht des Reichsten: «Der Kunstmarkt ist auf die Spitze ausgerichtet, der Rest wird übersehen.» Neureiche Investoren verdrängen traditionelle Sammler, Auktionshäuser die klassischen Galerien. Dahinter lichten sich die Reihen.

Das Handelsvolumen auf dem Schweizer Kunstmarkt ist nach Angaben des Dachverbands der Kunsthändler 2015 um eine Drittel eingebrochen. «Die Galerienszene ist unter Druck», bestätigt Helfenstein, «dabei wäre im Kunstmarkt eine Balance mit starken Programmgalerien wichtig. Aber ich sehe positive Zeichen. In Basel sind jüngst mehrere neue Galerien entstanden.»

Neutralisierter Hype

Zudem findet parallel zur Art in der ehemaligen Warteck-Brauerei die alternative Schau «Liste» mit junger Kunst statt, in wesentlich entspannterer Atmosphäre als in der Messehalle. Nicht zuletzt deshalb sei die Art in der «Kleinstadt Basel» unter den grossen Kunstmessen noch immer die «angenehmste», so Helfenstein: «Die Unaufgeregtheit der Stadt neutralisiert den Hype. Es herrscht eine sehr menschliche Mischung aus Ruhe und Stolz.»

Und die Basler Museen böten mit ihrer Gravität einen von vielen Messebesuchern geschätzten Kontrast, eine Gegendosis zum Hype: «Wenn man den 'toten Christus' von Holbein sieht, relativiert sich alles. Wir leben in einer extrem beschleunigten Welt, sind süchtig nach Inputs und Ablenkung. Die Kunst aber fordert Verlangsamung.» Deshalb steht Helfenstein einem Museum vor und nicht der Art, denn: «Würde man die Kunst ganz dem Markt überlassen, wäre das ihr Ende.»

(sda/ccr)

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