Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Kollege oder eine Freundin ein Gespräch mit «Hast du mitbekommen ...?» oder «Wusstest du schon, dass...?» beginnt. Muss ich verneinen, freut sich mein jeweiliger Gesprächspartner zwar, eine Neuigkeit verbreiten zu können. Aber ich selbst frage mich, ob ich denn eigentlich immer noch nicht genügend Leuten auf Twitter folge und wofür ich die vielen Newsletter abonniert habe.

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Es gibt einfach zu viele Schlagzeilen. Und wer den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, kann sich im heutigen Nachrichten-Dschungel nur schwer einen Überblick verschaffen, geschweige denn ihn behalten. Ich brauche Hilfe! Zum Beispiel von einem persönlichen Assistenten, der mir schon vor der Arbeit die wichtigsten Nachrichten zusammenfasst und übersichtlich präsentiert.

Die zehn wichtigsten Artikel auf einen Blick

Genau das verspricht BriefMe, eine seit Anfang März verfügbare App fürs iPhone. Nach Angaben der Erfinder ist sie die erste Anwendung zum «News Ranking»: Sie ermittelt, welche Artikel gerade am meisten gelesen und in sozialen Netzwerken geteilt werden. So wird der viel beschäftigte Leser nicht einfach mit Nachrichten überschüttet. Nein, der BriefMe-Nutzer erhält nur die wichtigste Auslese, ohne sich selbst durch unzählige Feeds und Webseiten klicken zu müssen. Das klingt praktisch für ungeduldige Leser wie mich.

Was BriefMe dabei von anderen News-Aggregatoren unterscheidet, ist die Art und Weise, wie die Nachrichten ausgewählt und gelistet werden. Anders als etwa bei Reddit oder Hacker News entscheiden bei BriefMe nicht die Nutzer der App, wie populär ein Artikel ist. Hier ist es ein Algorithmus, der aus rund 100 Nachrichenquellen die zehn Artikel identifiziert, die im Internet gerade am meisten gelesen und verbreitet werden. Ganz objektiv ist diese Auswahl allerdings nicht, schliesslich wurden die Quellen im Vorfeld festgelegt und der Algorithmus programmiert.

Nachrichtenauswahl – einfach versus einseitig

Dieses Auswahlverfahren kritisieren einige US-Nutzer. So schreibt zum Beispiel CGMJRM in seiner Bewertung im iTunes-Store, dass die Artikel ausschliesslich nach links-liberalen Massstäben ausgewählt werden. «Ich fand die Idee cool, aber zu linksgerichtet. Es ist kein Nachrichtenüberblick, wenn man nur eine Seite des politischen Spektrums serviert bekommt.» Andere dagegen, wie etwa DWDWDan, befürworten den Prozess: «Dieses Konzept wurde schon oft ausprobiert, aber BriefMe macht es zum ersten Mal richtig! Macht weiter so und haltet die App einfach und übersichtlich.»

Mir fällt auf, dass sich unter den identifizierten «Top Stories» keine deutschsprachigen Artikel finden. Maxwell P. Campion, Gründer und Geschäftsführer von BriefMe, erklärt: «BriefMe ist in erster Linie für amerikanische Nutzer ausgelegt. Aus diesem Grund werden nur die Top Headlines von rund 100 sorgfältig ausgewählten US-Nachrichtenseiten sortiert und gelistet.» Er betont «sorgfältig ausgewählt»: Populäre Nachrichtenseiten wie etwa BuzzFeed, die eher für faszinierende Überschriften als für knallharten Journalismus bekannt sind, werden daher nicht von BriefMe berücksichtigt. «Schliesslich sind weltbewegende Nachrichten das Hauptgericht. Das Obskure sollte nur die Beilage sein», sagt Campion weiter.

Der Harvard-Absolvent hat sich vergangenes Jahr mit anderen Jungunternehmern – Hari Gansan und Rachel Moranis – im Rahmen des Harvard Innovation Labs zusammengetan und seine Start-Up-Idee in die Realität umgesetzt. Unterstützt wurden sie dabei mit 400.000 Dollar Startkapital von einer Gruppe Business Angels.

Hot or not? – So funktioniert der BriefMe Score

Für mich ist der Fokus auf bestimmte US-Nachrichtenseiten kein Grund, meinen persönlichen Nachrichten-Assistenten gleich wieder zu entlassen. Dennoch würde ich mir wünschen, dass die Entwickler den BriefMe-Algorithmus bald noch um europäische Medien erweitern. Dann wissen die Nutzer zwar immer noch nicht, was «die Welt» im Augenblick liest, aber ein weiterer Kontinent wäre immerhin schon mal ein Anfang.

Die von BriefMe ermittelten Artikel, beziehungsweise deren Überschriften, sind übersichtlich in einer kurzen Top-Ten-Liste aufgeführt. Das erhöht meine Motivation, mir die Überschriften tatsächlich durchzulesen und nicht nur über die Seite zu scannen. Neben den übergeordneten Top-Ten-Stories hat BriefMe noch sechs weitere Themenbereiche, für die ebenfalls die zehn am meist gelesenen Artikel gelistet werden, etwa Politik, Technologie, Sport und Entertainment. Und wem das nicht reicht, der kann in einem News-Stream sehen, was sonst gerade noch in der Welt passiert.

Jeder Artikel hat neben dem Rang auch einen sogenannten «BriefMe Score». Dieser zeigt an, wie verbreitet ein Artikel ist und seit wie vielen Stunden er bereits online ist. Der BriefMe-Score sagt dabei allerdings nichts über die exakte Anzahl an Lesern, Facebook-Kommentaren oder Tweets aus. Es wird lediglich ein Wert 0 und 100 angezeigt.

Übersichtliches Design

Das Design ist schlicht, die Handhabung einfach. Interessiert mich ein Artikel, kann ich mir mit einem langen Klick auf die jeweilige Überschrift eine Vorschau anzeigen lassen. Will ich den ganzen Artikel lesen, genügt ein kurzer Klick und die jeweilige Webseite wird vollständig aufgerufen – zumindest theoretisch. In der Praxis kommt es dagegen immer wieder vor, dass einige Artikel sich gar nicht oder nur sehr langsam laden – trotz WLAN oder LTE. Maxwell P. Campion zufolge, arbeitet sein Team daran, solche Schwierigkeiten zu beheben.

Also muss ich trotz BriefMe doch wieder zuerst von einer Kollegin erfahren, dass Putin doch nicht in der Versenkung verschwunden ist und die halbe Promi-Welt einen Boykott gegen Dolce & Gabbana gestartet hat.

Die iOS App ist kostenlos im iTunes-Store erhältlich. Eine Version für Android soll es laut der BriefMe-Webseite auch bald geben.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf Bold Economy – das umfassende Nachrichtenportal zur digitalen Revolution.