«Ich erhalte in letzter Zeit viel Lob vom Verwaltungsrat»: Es klingt wie Pfeifen im Walde, was Sulzer-CEO Klaus Stahlmann zur internen Gemengelage beim Winterthurer Industriekonzern sagt. Klar ist: Der 54-jährige Deutsche ist angeschossen. Nach den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit blieben die Zahlen enttäuschend, kam der Aktienkurs nicht von der Stelle, haben wichtige Leistungsträger die Firma verlassen, bleibt die zukünftige Ausrichtung unklar. Die Fusion mit dem US-Konkurrenten Dresser-Rand hätte einen gesichtswahrenden Ausstieg ermöglicht, denn im neuen Organigramm war für Stahlmann nur eine subalterne Stelle vorgesehen.

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Dass der Zusammenschluss nicht geklappt hat, ist nicht Stahlmanns Schuld. Doch jetzt steht er unter verstärkter Beobachtung durch den neuen Verwaltungsrat mit Ex-Siemens-Chef Peter Löscher an der Spitze.

Stahlmann gilt als nüchtern und sachlich, aber auch als jemand, der seine Meinung und seine Entscheide schnell ändert: «Er denkt viele Dinge an, aber nicht durch», heisst es aus seinem Umfeld. Die hohe Fluktuation im Topkader führen Sulze- raner auch auf seinen Führungsstil zurück. Damit das Loblied des Verwaltungsrats nicht verstummt, braucht Stahlmann jetzt dringend ein paar Erfolgsmeldungen.

Die Karriere

Stahlmann begann seine Karriere 1986 beim Darmstädter Maschinenbauer Carl Schenck. Bei der nächsten Station, Krupp Fördertechnik, machte ihn CEO Heribert Wiedenhues mit 35 Jahren als jüngsten Hauptabteilungsleiter zum Länderchef im wichtigen südafrikanischen Markt. 2001 wurde Stahlmann CEO beim Pumpenhersteller Allweiler und präsentierte seine Strategien jeweils den Eigentümern Mitchell und Steven Rales, die mit ihrem Danaher-Konzern gerade Nobel Biocare übernehmen.

Nach einem kurzen Gastspiel beim japanischen Wälzlagerhersteller NSK wechselte Stahlmann 2007 als Chef der Einheit Turbo zum Nutzfahrzeughersteller MAN, der zu VW gehört. Im Vorstand erlebte er den Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch als «prägende Persönlichkeit».

Ein nach eigenen Worten gutes Verhältnis hatte Stahlmann damals zum CEO Hakan Samuelsson, heute Chef von Volvo, und zu Finanzchef Karlheinz Hornung. Mit beiden wurde er 2011 in einen Korruptionsskandal verstrickt, Stahlmann trat daraufhin von allen Ämtern zurück. Gegen die Zahlung von 275 000 Euro (das entsprach vier Monatsgehältern) wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. Gegenüber MAN musste Stahlmann später eine Wiedergutmachung von maximal 1,25 Millionen Euro zahlen. Als der strafrechtliche Teil geklärt war, wurde er im Februar 2012 zum Sulzer-Chef berufen. Den Kontakt hatte Headhunter Heiner Thorborg hergestellt.

Die Mitstreiter

Stahlmann gelang das Kunststück, in seinen zweieinhalb Sulzer-Jahren unter vier VR-Präsidenten zu arbeiten. Jürgen Dormann holte ihn zu Sulzer mit dem Auftrag, den Umsatz in fünf Jahren zu verdoppeln. Deutlich schwieriger war das Verhältnis mit Nachfolger Manfred Wennemer, unter dem plötzlich Sparen angesagt war und die Beschichtungssparte Metco verkauft werden musste. Wennemer scheute auch vor operativen Eingriffen nicht zurück, Stahlmann liess das geschehen, was ihn internen Goodwill kostete. Als Wennemer wegen eines Interessenkonflikts beim Verkauf von Metco gehen musste (er beriet mit EQT einen der Interessenten), übernahm Vladimir Kuznetsov das Steuer, der wichtigste Vertraute von Grossaktionär Viktor Vekselberg in der Schweiz.

Seit März ist Ex-Siemens-Chef Peter Löscher der erste Ansprechpartner Stahlmanns, aber auch er soll operativ starken Einfluss nehmen. Stahlmann gilt bei Sulzer als Einzelkämpfer. Als Vertraute in der Konzernleitung dienen am ehesten noch die beiden Spartenchefs und Sulzer-Urgesteine Peter Alexander (Turbo Services) und César Montenegro (Pumpen).

Die Geschassten

Unter Stahlmann kam es im Topmanagement zu massiven Abgängen, von einer «Blutspur» spricht ein Ex-Mitarbeiter. Einige Positionen wurden durch den Konzernumbau hinfällig, andere Mitarbeiter wurden von Stahlmann gefeuert, wieder andere gingen aus Frust. Finanzchef Jürgen Brandt verliess den Konzern ebenso wie Strategiechef Jörg Funk, Personalchef Beat Sigrist oder Kommunikationschef Thomas Gerlach. Pumpenchef Scot Smith ging gar nach nur einem Jahr.

Auffällig: Stahlmann zog keine Vertrauten nach, sondern hat die Stellen intern oder per Headhunter besetzt. «Er hat wenig Fans aus der Vergangenheit», sagt ein Weggefährte. Die gescheiterte Fusion werde weitere Opfer kosten, heisst es intern.

Die Gegner

Stahlmanns Karriereknick bei MAN geht auf das Konto der Münchner Staatsanwaltschaft unter Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger, die gegen ihn und seine Vorstandskollegen ermittelte und den Korruptionsfall 2011 publik machte. Bei der geplanten Zusammenlegung mit dem US-Konkurrenten Dresser-Rand hätte Stahlmann den Kürzeren gezogen gegen dessen Chef Vincent Volpe, der für den CEO-Posten des fusionierten Konzerns vorgesehen war.

Nachdem Siemens den Zuschlag erhalten hat, wird nun deren CEO Joe Kaeser ärgster Konkurrent von Stahlmann auf dessen angestammtem Markt. Dass Kaeser im Bieterkampf keinesfalls gegen seinen Vorgänger auf dem Siemens-Chefposten, Peter Löscher, verlieren wollte, half Dresser-Rand-Präsident (und Private-Equity-Mogul) William Macaulay, den Preis in irrationale Höhen zu treiben.

Die Familie

Privat- und Berufsleben trennt Klaus Stahlmann strikt, auch langjährige Bürokollegen wissen nichts Persönliches über ihn. Selbst die Namen von Frau und Kindern gibt er nicht preis: «Das ist Privatsache!» Stahlmann wurde als Kind von Auswanderern 1960 in Bogotá (Kolumbien) geboren und wuchs dort, in Bolivien und Paraguay auf. Seine Frau, studierte Übersetzerin, ist ebenfalls deutsch-kolumbianische Doppelbürgerin. Sie wohnt in der Nähe von Düsseldorf. Gemeinsam haben sie vier Kinder. Zwei Söhne studieren in Köln (Wirtschaftsinformatik bzw. Wirtschaftsmathematik), ein weiterer Informatik in Korea. Die Tochter hat gerade den Bachelor in Sozialarbeit gemacht und arbeitet an der Uniklinik Aachen.

Stahlmann wohnt in der Winterthurer Altstadt. Dort wird er regelmässig im Fitnesscenter gesehen. Stahlmann joggt und fährt Fahrrad im Zürcher Weinland oder im heimischen Rheinland. Auch wandern geht er gerne: etwa auf einen fünf Tage und 90 Kilometer langen Trip entlang des Fish River Canyon in Namibia.