Wohin wandern die Deutschen am liebsten aus – und warum? Was sind die liebsten Zielländer und sind die Migranten Ärzte, Ingenieure – oder am Ende arbeitslos? Diesen Fragen ist die Industrieländerorganisation OECD in einer umfassenden Studie nachgegangen und hat nun spannende Ergebnisse veröffentlicht – insbesondere mit Blick auf die Schweiz.

Zwar ist es angesichts gut laufender Konjunktur und niedriger Arbeitslosigkeit heute weniger attraktiv für Deutsche, ihr Land zu verlassen als noch Mitte der 2000er Jahre. Doch die Zahl der Auswanderer hat sich auf «hohem Niveau» stabilisiert, heisst es in der über 150 Seiten dicken Analyse «Talente im Ausland: Ein Bericht über deutsche Auswanderer». Und vor allem: «In der Schweiz erhöhte sich die Zahl deutsche Auswanderer rapide», schreiben die Experten.

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Schweiz erlebt weltweit höchsten Zustrom

In Zahlen heisst das: Während zwischen 2008 und 2013 mehr als 140'000 deutsche Staatsangehörige in die Schweiz auswanderten, kehrten in diesem Zeitraum nur halb so viele aus der Schweiz nach Deutschland zurück.

Auch in die USA und Österreich emigrierten in den vergangenen Jahren wesentlich mehr Deutsche als aus diesen Ländern zurückkehrten, wie unten stehende Grafik der OECD zeigt. Doch: «Besonders gross war die Differenz im Fall der Schweiz», so die Pariser Experten. Für Deutsche ist die kleine Schweiz heute das drittbeliebteste Auswandererland der Welt – nach den USA und Grossbritannien.

Beliebt ist bei Deutschen Zürich, wo fast 30 Prozent der Deutschen in der Schweiz leben: Rund 75'000 deutsche Auswanderer wurden 2013 in der Limmatstadt gezählt – etwas weniger als die Hälfte davon ist laut OECD unter 35 Jahre alt. Hinzu kommen rund 50'000 deutsche Zuzügler in der Nordwestschweiz und 50'000 in der Ostschweiz.

Viele hochqualifizierte Deutsche in der Schweiz

Vor allem hochqualifizierte Deutsche fühlen sich demnach von der Schweiz angezogen: Die Eidgenossenschaft war bei dieser deutschen Zuwanderergruppe in den vergangenen Jahren beliebter als jedes andere Land auf der Welt. Für Deutschland selbst ist das problematisch, gibt es doch bei einigen Berufsgruppen bereits Engpässe am Arbeitsmarkt, wie die OECD schreibt. So arbeiteten 2012 fast 25'000 Naturwissenschaftler, Mathematiker und Ingenieure aus Deutschland in der Schweiz.

Auch für die im nördlichen Nachbarland ausgebildeten Ärzte ist die Schweiz das mit Abstand beliebteste Zielland. Allein 2013 liessen sich hier über 800 von ihnen nieder. Zum Vergleich: In die nächstwichtigsten Länder Österreich und die USA zügelten im gleichen Jahr nur 200 bis 300 beziehungsweise 100 bis 200 deutsche Ärzte.

Weniger Aufenthaltsgenehmigungen erwartet

Den starken Anstieg der Zuzüge in die Schweiz führen die OECD-Experten aber auch auf ein «statistisches Artefakt» zurück. Im Juni 2007 hob Bundesbern die Begrenzung der Zahl der Daueraufenthaltsbewilligungen auf, die anschliessend stark in Anspruch genommen wurden – auf Kosten von Kurzbewilligungen. Ist diese Umschichtung abgeschlossen, «könnte es daher wieder zu einer drastischen Abnahme der Zahl der Aufenthaltsgenehmigungen kommen», folgern die OECD-Forscher.

Während 15 Prozent der in Deutschland geborenen und dort lebenden Menschen eigenen Angaben zufolge am liebsten ins Ausland ziehen würden, setzen nur wenige diesen Wunsch in die Tat um. Als Hauptbeweggründe für den Umzug ins Ausland nennt die OECD Karriereaussichten und familiäre Gründe. Das subjektive Wohlbefinden der deutschen Auswanderer verbessert sich im Anschluss an ihre Auswanderung, schreibt die OECD. «Es verharrt jedoch im Durchschnitt auf einem niedrigeren Niveau als das Wohlbefinden der Personen, die im Land bleiben.»