Richtig geärgert hat mich das Rotary-Mitglieder-Verzeichnis, das ich einmal ganz oben in einer Altpapiersammlung entdeckt habe», sagt der am 1. Juli 2008 zum Governor des District 2000 ernannte Urs Bolliger. Denn, so wird gern erzählt, das Rotary-Verzeichnis hat bei einigen Members sogar einen Ehrenplatz auf dem Nachttisch neben der Bibel. Andere denken da praktischer und verwenden den Wälzer als Werbeinstrument, um ihre neuesten Produkte an den Mann zu bringen.

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In der Regel winken Rotarier ab, wenn ihnen zum x-ten Mal unterstellt wird, es ginge den meisten von ihnen sowieso nur um Businesskontakte. Ein Blick auf das Durchschnittsalter sagt auch, warum das so ist: Wer im Schnitt um die 60 ist und wenn das ideale Eintrittsalter um die 40 liegt, hat den Karrieresprung ohnehin längst geschafft, sonst wäre er nicht bei den Rotariern.

Aber vielleicht hat er eine Tochter oder einen Sohn auf Jobsuche? Da könnte ihm vielleicht ein langjähriges Mitglied einen Tipp geben. Oder wenn ein Klubmitglied eine Druckerei mit neuestem technischem Equipment hat, warum sollte man da nicht auf ihn zukommen, wenn man Bedarf hat, fragt sich Urs Bolliger. Das habe nun wirklich nichts mit Filz zu tun.

Elitäre Frauenselektion

Die ebenfalls ganz frisch gewählte Präsidentin des Rotary Clubs Zürich, Regierungsrätin Rita Fuhrer (siehe «Nachgefragt»), ist ein gutes Beispiel für jemanden, der es beim Eintritt in den Rotary Club, in ihrem Fall im Jahr 2000, bereits geschafft hatte. Ein Jahr zuvor war Rita Fuhrer als Mitglied des Zürcher Kantonsrates mit dem besten Resultat in ihrem Amt bestätigt worden.

Im ältesten und grössten Zürcher Club liess man sich ziemlich Zeit, Frauen aufzunehmen, obwohl Rotary schon seit 20 Jahren weibliche Mitglieder zulässt und es auch weibliche Governors gibt. Heute liegt der Frauenanteil bei allen grossen Clubs, Lions, Kiwanis und Rotariern, bei rund 8%.

Alle Neugründungen sind ausschliesslich gemischte Clubs. «Es gibt Clubs, die nur darauf warten, dass ein neuer Rotary gegründet wird, der Frauen aufnimmt, dann müssen die Alteingesessenen keine aufnehmen», schmunzelt Urs Bolliger, zu dessen Distrikt 74 Clubs gehören, wobei ein harter Kern von 22 Clubs noch immer keine Frauen aufnimmt. Schliesslich wollen besonders die älteren Herren lieber unter sich sein.

Aber es gibt auch Lernfähige: «Ich habe schon mal einen Rotarier erlebt, der gesagt hat, dass er sofort austreten wird, wenn eine Frau über die Schwelle geht. Als sie dann wirklich kam, fand er, dass das schon grossartig sei ? und ist noch immer Mitglied», sagt Urs Bolliger. Der neue District Governor 2000 vermisst nicht nur ein paar Frauen mehr, sondern generell Künstler und Handwerker beiderlei Geschlechts.

Die vor genau 76 Jahren vom amerikanischen Rotarier Herbert J. Taylor formulierte Vier-Fragen-Probe gilt bis heute. Dieser moralische «Lackmustest» existiert in über hundert Sprachen. Es sind die vier Fragen, die sich Rotarier bei allem was sie denken, sagen oder tun, selbst stellen sollten: 1. Ist es wahr, bin ich aufrichtig? 2. Ist es fair ? für alle Beteiligten? 3. Wird es Freundschaft und guten Willen fördern? 4. Wird es dem Wohl aller Beteiligten dienen?

Wenn sich alle hochrangigen Rotarier nach diesen Werten richten würden, müsste man überlegen, ob nicht ausschliesslich Rotarier an der Spitze von Unternehmen stehen sollten. Aber da in der Regel nur Rotarier in ihre Mitglieder-Bibel Einsicht haben, wissen auch nur Insider, welcher Manager, CEO oder Verwaltungsrat beim Swissair-Grounding oder dem UBS-Debakel die Entscheidungen getroffen und trotz Mitgliedschaft beim Rotary für eine Weile die vier Fragen ausgeblendet hat. Urs Bolliger hat während seiner langjährigen Mitgliedschaft immerhin drei Fälle von Ausschluss erlebt von Mitgliedern, die «Dinge taten, die wir nicht als rotarisch bezeichnen».

Taten statt Worte

Denn Gutes tun, ohne gross darüber zu reden, ist das eigentliche Ziel der Rotarier, wie übrigens auch der anderen grossen Clubs, Lions und Kiwanis. Oder wie es die Club-Statuten formulieren: Das Ziel von Rotary ist Dienstbereitschaft im täglichen Leben.

So hat auch der Rotarier-Governor Bolliger, der gelernte Maschinenschlosser und studierte Psychologe, am liebsten die Hands-on-Projekte, weil er dabei Freundschaften pflegen und selbst zupacken kann: Beim Zaunflechten zum Schutz von Vögeln fürs Neeracher Ried oder der Rettung einer alten Handörgeli-Fabrik, die liquidiert wurde und von der Gemeinde Bachenbülach aufgekauft wurde und neu genutzt wird.

Und natürlich greift auch er zum Portemonnaie, wenn es um die Finanzierung von internationalen, nationalen oder regionalen Projekten geht.

Zu den wichtigsten nationalen Projekten gehört die Mine-ex Stiftung CH FL zur aktiven Betreuung von Minenopfern in Kambodscha. Zu den wichtigsten langjährigen internationalen Projekten gehört PolioPlus. Im Hinblick auf den Kinderlähmungstag am 13. September werden alle Rotary Clubs in allen drei Distrikten (1980, 1990 und 2000) sich aktiv für eine Sammelaktion einsetzen.

Selber Hand anlegen

Doch ist eigenes Zupacken für einen richtigen Rotarier noch immer der schönste Lohn, findet auch Walter Müller vom Rotary Club Au am Zürichsee, der bis Ende Juni Präsident vom District 2000 war. Er schwärmt geradezu von Wasserleitungen, die Rotarier für eine Alp legten, vom Kindergartenaufmöbeln oder dem Aufforsten eines Jungwalds und von den Gesprächen mit betagten Menschen im Altersheim.



Nachgefragt

«Dazugehören ? der Lohn für das Engagement»

Die Zürcher Regierungsrätin und Vorsteherin des Volkswirtschaftsdepartements, Rita Fuhrer, ist seit dem Jahr 2000 Rotarierin und neu seit dem 1. Juli 2008 die erste Frau im Präsidentenamt des Rotary Clubs Zürich mit seinen 181 Mitgliedern. Rotary ermöglicht es ihr, «sehr viele, sehr interessante Menschen zu treffen. Man lernt enorm viel, wozu einem sonst die Zeit fehlen würde. Und vielleicht auch die Motivation, sich damit zu beschäftigen.»



Packen Frauen ein solches Amt anders an? Oder bewegen sie sich innerhalb der bestehenden Strukturen genau gleich?

Rita Fuhrer: Es gibt eine weibliche Art, die man nicht ablegen will und auch nicht kann. Darin unterscheidet man sich natürlich. Innerhalb der Strukturen und Vorgänge reagieren Frauen aber genau gleich. Und bei Rotary wird von Frauen auch nichts anderes erwartet. Und doch lassen die Ausstrahlung und die Art und Weise, wie man den Club repräsentiert, jede Persönlichkeit wieder anders wirken.

Wie schwer ist es überhaupt, Menschen in den Vorstand zu bringen, die Zeit genug haben. Die meisten stehen ja in verantwortungsvollen Positionen im Berufsleben?

Fuhrer: Stimmt, viele sind mit intensiven Ämtern belastet. Wir versuchen dennoch, Leute in den Vorstand zu holen, die aktiv im Berufsleben stehen. Die Versuchung, Pensionäre in den Vorstand zu wählen, ist gross, doch wir widerstehen ihr.

Rotariern haftet noch bis heute ein gewisses elitäres Image an. Das Verfahren, ein neues Mitglied aufzunehmen, ist sehr intensiv. Welche Voraussetzungen muss man erfüllen?

Fuhrer: Wir suchen Persönlichkeiten, die ihre ethischen Grundsätze im Club umsetzen wollen. Man soll auch dazu stehen, dass man Rotarier ist. Natürlich kann man auch Netzwerke knüpfen. Doch sollte jeder bereits berufliche Erfolge vorweisen können und bereit sein, besondere Leistungen zu erbringen. Zu Rotary kommt man nicht, wenn man erst Karriere machen will.

Kann man Rotary also nicht mit anderen Clubs vergleichen, in denen Networking ganz oben auf der Wunschliste steht?

Fuhrer: Selbstverständlich gehört man als Rotarier einem Netzwerk an, das auch nicht aufhört, wenn man älter ist und ein politisches Amt nicht mehr ausübt. Man bleibt im Rotary integriert und auch als Rotarier respektiert. Das finde ich ein schönes Return of Investment, einen Lohn für das Engagement im Club. Ein Kollege sagte mir einmal in diesem Zusammenhang, der Rotary Club sei seine persönliche Sozialversicherung.

Führt das nicht zwangsläufig zu einer gewissen Überalterung?

Fuhrer: Menschen bleiben heute oft bis 90 recht gesund und zeigen sich an allem interessiert. Daher kommen viele auch im hohen Alter in den Club.

Das Durchschnittsalter ?

Fuhrer: liegt daher über 60.

Und doch wünschen Sie sich jüngere Mitglieder?

Fuhrer: In den Clubs spiegelt sich die Realität einer immer älter werdenden Gesellschaft wider. Bei Neuaufnahmen legen wir aber Wert darauf, Leute um die 40 aufzunehmen. Jünger wäre wohl die Ausnahme, weil man ja bereits Erfolg im Beruf haben sollte.

Rita Fuhrer ist seit dem Jahr 2000 Rotarierin und seit dem 1. Juli 2008 die erste Frau im Präsidentenamt des Rotary Club Zürich mit 181 Mitgliedern.

Packen Frauen ein solches Amt anders an? Oder bewegen sie sich innerhalb der bestehenden Strukturen genau gleich?

Fuhrer: Es gibt eine weibliche Art, die man nicht ablegen will und auch nicht kann. Darin unterscheidet man sich natürlich. Innerhalb der Strukturen und Vorgänge reagieren Frauen aber genau gleich. Und bei Rotary wird von Frauen auch nichts anderes erwartet. Und doch lässt die Ausstrahlung und die Art und Weise, wie man den Club repräsentiert, jede Persönlichkeit wieder anders wirken.

Wie schwer ist es überhaupt, Menschen in den Vorstand zu bringen, die Zeit genug haben. Die meisten stehen ja in verantwortungsvollen Positionen im Berufsleben?

Fuhrer: Stimmt, viele sind mit intensiven Ämtern belastet. Wir versuchen dennoch, Leute in den Vorstand zu holen, die aktiv im Berufsleben stehen. Die Versuchung, Pensionäre in den Vorstand zu wählen, ist natürlich gross, doch wir widerstehen ihr.

Rotariern haftet noch bis heute ein gewisses elitäres Image an. Das Verfahren, ein neues Mitglied aufzunehmen, ist sehr intensiv. Welche Voraussetzungen muss man erfüllen?

Fuhrer: Wir suchen Persönlichkeiten, die ihre ethischen Grundsätze im Club umsetzen wollen. Man soll auch dazu stehen, dass man Rotarier ist. Natürlich kann man auch Netzwerke knüpfen. Doch sollte jeder bereits berufliche Erfolge vorweisen können und bereit sein, besondere Leistungen zu erbringen. Zu Rotary kommt man nicht, wenn man erst Karriere machen will.

Kann man Rotary also nicht mit anderen Clubs vergleichen, in denen Networking ganz oben auf der Wunschliste steht?

Fuhrer: Selbstverständlich gehört man als Rotarier einem Netzwerk an, das auch nicht aufhört, wenn man älter ist und beispielsweise ein politisches Amt nicht mehr ausübt. Man bleibt im Rotary integriert und auch als Rotarier respektiert. Das finde ich ein schönes Return of Investment, einen Lohn für das Engagement im Club. Ein Kollege sagte mir einmal in diesem Zusammenhang, der Rotary Club sei seine persönliche Sozialversicherung.

Führt das nicht zwangsläufig zu einer gewissen Überalterung?

Fuhrer: Menschen blieben heute oft bis 90 recht gesund und zeigen sich an allem interessiert. Daher kommen viele auch im hohen Alter in den Club.

Das Durchschnittsalter....?

Fuhrer: ....liegt daher über 60!

Und doch wünschen Sie sich jüngere Mitglieder?

Fuhrer: In den Clubs spiegelt sich die Realität einer immer älter werdenden Gesellschaft wieder. Bei Neuaufnahmen legen wir aber Wert darauf, Leute um die 40 aufzunehmen. Jünger wäre wohl die Ausnahme, weil man ja bereits Erfolg im Beruf haben sollte.