Das ist witzig: Wird der Name Lustgarten im Google eingetippt, kommt Thomas fast gleich viele Male vor wie Ian. Der zwölfjährige Sohn des neuen Managing Director von Bain & Company ist nämlich Captain der erfolgreichen «Soccer Mamma». «Ach ja, dieses Fussballfieber könnte sich auch wieder einmal legen. Das ist bei Jungs in diesem Alter so», meint Thomas Lustgarten. Er verhehlt nicht, dass er mit Fussball nicht so viel am Hut hat - auf die Gefahr hin, dass er potenzielle Sponsoren des Teams seines Sohnes vergraulen könnte.

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Das fällt an ihm auf: Er achtet nicht so sehr darauf, wer an seinen Aussagen Freude oder eben keine hat, er verwendet lieber Zeit darauf, die «DNA» der Bain & Company, eines der führenden Strategieberatungs-Unternehmen, zu erläutern. Mit «DNA» bezeichnet er einerseits die Mission und die Werte von Bain & Company, andererseits das Feu sacré von ihm und seiner Crew.

Im Lauf des Gesprächs stellt sich heraus, was er darunter versteht: Keine Präsentationen, die blenden sollen und denen ein Grundmuster zugrunde liegt, das auf jeden Fall passt, sondern eine intensive Zusammenarbeit mit den Auftraggebern, um gemeinsam deren Probleme zu lösen. «Wir wollen unternehmerisch mit ihnen vorgehen, ihnen zuhören und nicht einfach auf sie einreden.»

Das hat er in seinen China-Jahren gelernt, wo er für die ABB tätig war. Als junger Ingenieur hat er in England und Asien gearbeitet. Wenn er die Stimmung an einem seiner ersten Meetings mit chinesischen Kunden schildert, wähnt man sich in einem Film, wie er auserkorenen Kandidaten von Multis vor ihrem Auslandeinsatz gezeigt wird. «Ich lernte, dass man das dort unter vier Augen bespricht und heikle Dinge im Zweifel auch mal unter den Teppich kehrt. Ganz im Gegensatz zu uns bei Bain & Company. Wir benennen Probleme und Schwachstellen offen und finden so rascher zu einem Lösungsansatz.» Immer wieder kommt Lustgarten auf das zu sprechen, was ihn seit elf Jahren an diesem Unternehmen fesselt, wo er «klein» angefangen hat.

Und plötzlich Chef

Wieso er überhaupt in den Genuss dieser Entsendung kam, ist rasch erklärt: ABB hatte ein sogenanntes Challenge Programm eingeführt. Wer als begabt und für eine künftige Poleposition geeignet eingestuft wurde, kam auf einen ausländischen Prüfstand. Im Fall von Lustgarten, der darauf brannte, sein an der ETH erworbenes Wissen auch anzuwenden, schien die Aufgabe eigentlich bewältigbar. «Ich wurde nach England geschickt, um die Phase der Inbetriebnahme eines Kraftwerkes in Chester zu orchestrieren», sagt er.

Aber dann kam alles ganz anders. Der Chef dieser ganzen Übung fiel krankheitshalber aus, und der junge Schweizer Ingenieur war von Stund’ an Leiter für das gesamte Projekt. «Der Druck war enorm», sagt er rückblickend. Aber offenbar gefallen ihm solche Situationen. «Auch bei Bain & Company vergeht kein Tag, an dem wir nicht hart arbeiten müssen, um unseren Kunden innert nützlicher Frist in schwierigen Situationen weiterzuhelfen, und das heisst für uns: Resultate zu liefern.» Klar, dass er nicht Namen nennt, das gehört sich in dieser Branche nicht.

Immerhin ist allgemein bekannt, dass schon Dell, Nestlé, ABB, Novartis oder Swiss auf Bain & Company gezählt haben. «Mich faszinieren Mandate, die sich nicht einfach wie ein Ei dem anderen gleichen. Klar gibt es Problemstrukturen, die ähnlich sind, aber daraus ein Einheitsmuster für deren Lösungen abzuleiten, ist unsere Sache nicht.» Rasch spürt man heraus, dass ihn «burning platforms» - wie er knifflige Situationen nennt - besonders reizen.

Da stellt sich die nahe liegende Frage, ob die Finanz- und Wirtschaftskrise deren Zahl erhöht hat. Zum ersten Mal zögert Lustgarten mit der Antwort. Nicht, weil er sie nicht kennt, aber weil er lieber differenziert als schnell antwortet. «Sagen wir es einmal so. Firmen, die wirklich das Messer am Hals haben, müssten ihre Budgets kürzen, und darunter fallen - selbstredend - auch Dienstleistungen, wie wir sie erbringen. Dafür muss man Verständnis haben. Aber es gibt auch eine gegenteilige Entwicklung: Wer unternehmerisch weitsichtig denkt und erkennt, dass er sich mit seinen Problemen im Kreis dreht, kommt auf die Idee, eine Aussensicht einzubeziehen und kurzfristig externe Kapazitäten zur Problemlösung aufzubieten.» Vor allem auch Verwaltungsräte, die derzeit hart gefordert sind, erkennen, dass nicht alles inhouse gelöst werden kann.

Ein Blick auf die Entwicklung für Bain & Company spricht für sich: Lustgarten gehört zu den Gründern der Schweizer Niederlassung. Er und drei weitere Getreue haben quasi den Rütlischwur abgelegt, die helvetischen Lande zu erobern. Derzeit sind 80 hochqualifizierte Mitarbeiter von der Rotbuchstrasse in Zürich aus weltweit tätig. «Und im ersten Stock dieses Hauses haben wir begonnen», blendet Lustgarten in jene Zeit zurück. Heute breitet sich das Unternehmen über vier Stockwerke aus. Und ständig wächst das Auftragsvolumen.

Wie bringt er sein Arbeitspensum - aufstehen morgens um 6 Uhr und heimkehren gegen 22 oder 23 Uhr - unter einen Hut mit seiner Familie? Das sind seine Frau, die beruflich als Mittelschullehrerin tätig ist, und drei Kinder im Alter von zwölf, neun und sechs Jahren. «Indem wir die Wochenenden freihalten, die Ferien gemeinsam verbringen und meine Frau viel Verständnis für die Arbeit des Partners aufbringt.»

Die beiden sind seit 25 Jahren ein Paar - in vielen CEO-Ehen bald eine Rarität - und haben viele Trennungen durchgestanden. Nein, nicht eherechtlich, sondern durch die Auslandaufenthalte von Lustgarten bedingt. Seine Frau hat ihn so oft wie möglich besucht, ist ihm sogar hochschwanger nach Frankreich gefolgt, wo der erste Sohn - der Captain von «Soccer Mamma» - geboren wurde. «Aber wir waren manchmal viele Monate getrennt. Das hat mich gelehrt, auch für mich allein zu sein und Kraft aus dem Wissen zu schöpfen, dass ich eine Familie habe, die hinter mir steht», sagt Lustgarten.

Spitzengrilleur, Skifahrer

Doch zurück zum Insead: Nicht nur bei ABB und der Verantwortung für alle Stufen einer Ready-to-go-Phase für Kraftwerke, auch in Fontainebleau hat Lustgarten seinen beruflichen Rucksack gepackt. «Wir waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Klar, dass alle zuerst beweisen wollten, wie gut sie sind, aber dann rauft man sich zusammen und erkennt, dass ein gemeinsames, gutes Produkt entsteht, wenn jeder das einbringt, was er am besten versteht.» Erlebnisse wie diese haben ihn geprägt.

Gott sei Dank antwortet er auf die Frage, was ihn denn ausser dem Familienleben in der Freizeit interessiere, nicht mit dem üblichen Joggen, Golfen und Tennis spielen. «Nein, ich verbringe sie entweder in Erlenbach, wo ich in unserem Freundeskreis als absoluter Spitzengrilleur gelte, oder in Falera.» Lustgarten ist leidenschaftlicher Skifahrer. Das haben seine Kollegen originell auf einem Exponat umgesetzt, das sein Büro ziert: Ein Ski, auf dem alle seine wichtigen «Taten» in seiner Karriere eingraviert sind.

Und natürlich gehören neben den üblichen Familienbildern auch noch Kinderzeichnungen dazu. Ein «Werk» fällt aus dem Rahmen der üblichen «Kindergekribsel» an den Wänden in Chefetagen: Seine sechsjährige Tochter Tilia hat - in Erinnerung an Ferien in der Provence - ein Haus im typischen Stil und in den Farben dieser Gegend gezeichnet, nicht einfach mit Mauern, Dächern und Fenstern, sondern mehrdimensional. «In unserer Familie gibt es auch künstlerisch begabte Menschen», sagt er.