Ein Mann ohne Namen wählt die Handynummer eines erfahrenen Schweizer Interim-Managers und bittet um einen sofortigen Besprechungstermin. Als Treffpunkt bestimmt er ein unscheinbares Restaurant in einem Aussenquartier. «Hätten Sie Zeit, einen führungslosen Verband zu sanieren? Wir haben derzeit weder einen Präsidenten noch einen Geschäftsführer.» Der Manager zögert etwas, denn ein Verband ist kein KMU.

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Schliesslich sagt er doch zu und investiert ein gutes Jahr in die Sanierung und Neuausrichtung des Verbands. Zu seinen Aufgaben gehört die Neubesetzung des Kaders. Anfang 2010 übergibt der Interim-Chef die Führung einer neuen Präsidentin und ihrer Geschäftsführerin - endlich zwei Namen ohne a.i. davor. Ohne dieses Mandat wäre der Verband fusioniert oder gar liquidiert worden.

In einer heissen Phase am Ruder

Warum gibt der anonyme Mann seinen Kunden nicht preis? Diese Zurückhaltung ist symptomatisch für eine Branche, die mit intensiven Kurzeinsätzen Grosses leistet. Diskretion steht als Kodex über allem. Nach Schätzungen von Christoph Keller, Partner und Verwaltungsrat der Gronova in Zug, kaufen Unternehmen jeder Grösse regelmässig Können und Kapazität ein. «Unternehmen ab 200 Mitarbeitenden erleben pro Jahr vier Interim-Fälle.»

Gewisse Firmen hätten allerdings nicht den Mut, sich für eine Interim-Lösung zu entscheiden: «Sie warten lieber, bis irgendwann ein Nachfolger gefunden ist, auch wenn dies dem Unternehmen schadet. Diese Gefahr von Betriebsblindheit droht Unternehmen aller Branchen.» Unternehmen mit einem Personalbestand von über 1000 Personen seien konsequenter: «Diese vertrauen regelmässig auf Interim-Manager und verkürzen dadurch ihre Leidenszeit durch Unsicherheit.»

Eine Interim-Lösung kann extern oder intern zustande kommen. Der neu gewählte Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Langenthal praktiziert derzeit die interne Lösung. Denn seine Kinder Hans-Christian (31) und Daniela (29) haben noch nicht ganz das Profil, um die grossen Fussstapfen des Patrons zu füllen. Deshalb übernimmt Schneider-Ammanns Stellvertreter Ulrich Meyer mindestens bis Ende 2011 die Führung der Ammann Gruppe - so lange jedenfalls, bis der Sohn, der erst über ein Jahr Berufserfahrung verfügt, seinen MBA in Singapur und Paris absolviert hat und sich reif fühlt, die Nachfolge seines Vaters anzutreten.

Manager auf Zeit müssen enorm flexibel und mobil sein und fähig, während einer heissen Phase am Ruder zu stehen und bei widrigen Bedingungen unter starkem Druck zu arbeiten. Eine Rolle, die durchaus nicht nur Männern behagt: Lotti Schneider beispielsweise, Inhaberin von HR Management Solutions in Zürich, findet es grossartig, auf Zeit die Leitung Human Resources eines Kunden zu übernehmen. Bei Bedarf an Erfahrung, zwecks Kostenersparnis oder zur Überbrückung von Vakanzen springt sie für ein Jahr oder zwei ein. Nach einer Phase maximaler Belastung belohnt sie sich mit mehreren Wochen Auszeit, während deren sie durch die Welt reist.

Unternehmen, die Management-auf- Zeit-Mandate vergeben, sind gemäss dem deutschen Interim-Manager Klaus Schneider «naturgemäss kluge Unternehmen, die strukturiert in Aufgabenlösungen und Zielerreichung denken, und zwar branchenunabhängig». Schneiders Kundenportefeuille reicht von Zwei-Mann-Start-ups bis zu Grosskonzernen. Spezialisten seines Schlages zeichnen sich durch eine rasche Auffassungsgabe für Probleme des Unternehmens aus: «Dieser Prozess geschieht in wenigen Tagen», weiss Schneider. «Danach gilt es teamorientiert Lösungen zu suchen und umzusetzen.»

Der Einsatz auf Zeit gelinge dank hoher Identifikation bei maximaler Unbefangenheit, weiss Schneider. Sein Kollege Christoph Keller von Gronova schildert die hohen Erwartungen deutlich: «Ein Interim-Manager muss gleichzeitig die ambitionierten Ziele der Führung erfüllen und die Ängste der Mitarbeitenden abbauen.» Dies bedinge Führungs- und Sozialkompetenz, Klarheit, authentisches Auftreten, vernetztes Denken und Erfahrung. Zuhören können sowie stufengerechte Kommunikation seien unabdingbar. Doch das alleine reicht nicht. Über allem thronten die Resultate: «Im Vergleich zu Beratern steht bei uns die Umsetzung im Vordergrund», so Keller.

Die grosse Stärke eines Interim-Managers sieht Keller in dessen Persönlichkeit und Handlungslage: «Oft unterscheidet sich der Interim-Manager stark sowohl vom Vorgänger als auch vom Nachfolger, denn er ist für Veränderungen zuständig.» Entscheidend sei, ob die vorgesetzte Stelle eine Veränderung zulasse oder nicht, gibt Keller zu bedenken. «Doch zum Glück ist Erfolg nicht an eine Zeit gebunden.»

Tagesansätze bis 2500 Franken

Qualität hat ihren Preis: Bei professionellen Interim-Managern respektive deren Providern beginnt der Tagessatz bei 1200 Franken und reicht im Schnitt bis 2500 Franken. Ein Interim-Manager verlässt einen Betrieb erst dann, wenn die dringendsten Probleme gelöst sind und eine stabile neue Unternehmens- oder Bereichsführung etabliert ist. Dies geht bis zu tiefgreifenden Umstrukturierungen, Sanierungen, Verkäufen oder Schliessungen mit Entlassungen.

Die meisten Probleme sind hausgemacht und werden von Menschen verursacht. Dazu gehört die sofortige Freistellung eines Firmenchefs. Nur wenige Führungskräfte entscheiden sich aus freien Stücken schnell für einen anderen Führungsjob, so wie dies Johann Schneider-Ammann getan hat. Ob dies aus der Sicht des Unternehmens ein kluger Entschluss war, wird sich zeigen.



«Freiraum für nüchterne Analysen»

Interview mit Huldrych Schmid, AIM Ad Interim Management, Zürich

Wann drängt sich für ein Unternehmen eine Interim-Lösung auf?

Huldrych Schmid: Immer dann, wenn es darum geht, rasch und in einem begrenzten Zeitraum fehlende Managementkapazitäten zu gewinnen und/oder Know-how-Defizite zu beheben.

Welche Branchen nehmen am häufigsten Interim-Lösungen in Anspruch?

Schmid: Wir haben in den vergangenen zehn Jahren bei über 150 Organisationen aus Privatwirtschaft und Verwaltung Interim-Mandate abgewickelt. Da sind alle Branchen vertreten. Branchen mit volatilem Projektgeschäft setzen häufiger Interim-Projektleiter für Auftrags- und Projektspitzen ein.

Wie gross sind Ihre Kunden in der Regel?

Schmid: Vom grösseren Gewerbebetrieb mit 50 Beschäftigten bis zum weltweit tätigen Konzern sind alle Kategorien vertreten. Eine statistische Häufung sehen wir bei Firmen zwischen 150 und 1500 Mitarbeitenden.

In welchem Spannungsfeld stehen Sie als Führungsperson?

Schmid: Jedes Mandat hat sein eigenes Spannungsfeld, sei es in Führungs- oder in Kapazitätsfragen. Ein Interim-Manager kann mit Erfahrung, Flexibilität und Neutralität die jeweilige Aufgabenstellung mehrparteilich, objektiv und sachlich lösen.

Wie führt ein externer Manager ein Unternehmen nachhaltig?

Schmid: Mit Kompetenz, Identität und Wirksamkeit. Dank Konzentration auf das Wesentliche, Resultatorientierung und ein rasches Erkennen von Stärken und Schwächen. Der Interim-Manager muss sich nicht um seine persönliche Karriere in der Einsatzfirma kümmern. Das schafft Kapazitäten und Freiraum für nüchterne Analysen, treffsichere Identifikation von Problemen und Umsetzung notwendiger Massnahmen.

Wie gross ist dabei der Einfluss des designierten Nachfolgers?

Schmid: Oft gehört die Rekrutierung und Einarbeitung des Nachfolgers auch zum Pflichtenheft. Seine Erfahrungen bilden wertvolle Starthilfen.

Besteht die Gefahr, dass der Interim-Manager ein Double der definitiv gewählten Person sein muss?

Schmid: Nein. Ein Interim-Manager ist in der Regel überqualifiziert, denn er muss ja ab dem ersten Einsatztag die gestellte Aufgabe erfüllen. Für den Nachfolger stellt diese Position eine weitere Station auf seiner Karriere dar.